Hoffnung trotz Trump
Wie hängen unsere Emotionen mit dem aktuellen Welttheater zusammen? Dieser Frage widmete sich ein Podium im Rahmen des Interfinity Festivals. Diskutiert wurden das Phänomen Donald Trump sowie Wege, wie wir unseren Werten treu bleiben können.
Es vergeht kein Tag seit dem Amtsantritt von Donald Trump ohne Schlagzeile aus den USA, die uns verwundert die Augen reiben lässt. Wir sind verunsichert darüber, was uns in der nahen Zukunft noch alles erwartet und welche Konsequenzen die weltpolitische Lage auch für uns persönlich hat. Das Podium «Trump, das Baby und ich – aus dem Welttheater unserer Emotionen» im Rahmen des Interfinity-Festivals lockte am Sonntag Dutzende Besucher*innen in die Allgemeine Lesegesellschaft am Münsterplatz. Zu Gast waren FDP-Landrätin Saskia Schenker, der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Joachim Küchenhoff, und der Soziologe Ueli Mäder.
Das jährlich stattfindende Interfinity-Festival wurde von dem Pianist, Dirigent und Komponist Lukas Loss ins Leben gerufen. Sein Ziel ist es, Wissenschaft mit Musik zu verbinden und durch Kunst und Kultur auf wichtige gesellschaftsrelevante Themen aufmerksam zu machen. «Neben dem Schwerpunkt Antibiotikaresistenzen widmen wir uns dieses Jahr der Psychoanalyse und Entwicklungspsychologie», sagt Loss zu Bajour. Das Festival dauert noch bis zum 11. April.
Um Trumps Verhalten zuerst einmal einordnen zu können, stellt Journalist und Moderator des Abends Lukas Nussbaumer zu Beginn die Frage nach der Psyche des US-amerikanischen Präsidenten. Wie schätzt der anwesende Psychiater Trump quasi per Ferndiagnose ein? Joachim Küchenhoff tut sich erst schwer mit Trump als Patient, zumal er dessen Verhalten mit einer psychologischen Analyse auf keinen Fall verharmlosen möchte. Dennoch sagt er nach anfänglichem Zögern: «Ich glaube, wir können durchaus von Narzissmus sprechen.» Damit meine er aber nicht nur Trumps Selbstverliebtheit, sondern auch die Art und Weise, wie er mit anderen Menschen umgeht.
«Bei Trump ist aber vor allem ein destruktiver Narzissmus auszumachen.»Joachim Küchenhoff, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Küchenhoff zitiert den Psychoanalytiker Otto Kernberg, der gesagt hat, narzisstische Persönlichkeiten würden andere Menschen auspressen wie Zitronen. Ganz nach dem Motto: Man benutzt Menschen, solange man sie braucht, presst sie aus und entsorgt anschliessend die Schale. Bei Trump sei aber vor allem ein destruktiver Narzissmus auszumachen: «Solche Menschen akzeptieren nur sich selbst oder die, die unter ihren grossen Mantel schlüpfen. Gegen die anderen gehen sie vernichtend vor», so Küchenhoff. Dieses Verhalten sei bei Trump auch schon während seiner ersten Amtszeit klar zu beobachten gewesen.
«Ich persönlich bin davon überzeugt, dass das Stimmvolk intelligent ist und ein gutes Gespür für die Menschen hat.»Saskia Schenker, FDP-Landrätin
Saskia Schenker stellt darauf die Frage, die viele Menschen umtreibt: Warum haben Trump trotz dieses Verhaltens so viele Menschen gewählt? Sie macht klar: «Ich persönlich bin davon überzeugt, dass das Stimmvolk intelligent ist und ein gutes Gespür für die Menschen hat.» Sie verweist aber auf das Phänomen, dass es Persönlichkeiten wie Trump immer wieder gelingt, den Wähler*innen ein Gefühl der Glaubwürdigkeit zu vermitteln und sich volksnah zu geben, und fragt: «Wie kann das gelingen?» Küchenhoff spricht von «Doppelzüngigkeit», da Trump einerseits die Sprache des Volkes spreche und andererseits narzisstisch handle. Es könne auf Menschen aber auch faszinierend wirken, wenn Menschen wie Trump keinerlei Scham- und Schuldgefühle zeigten. «Schamloses Verhalten wird oft mit Mut verwechselt und kann attraktiv wirken.»
«Die gesellschaftliche Verunsicherung hat seit Covid zugenommen.»Ueli Mäder, Soziologe
Ueli Mäder findet die Wahl Trumps weniger überraschend, da die gesellschaftliche Verunsicherung in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen hat. «Covid hat viel ausgelöst», so der Soziologe. Auch die Kriege, die näher kommen, würden vielen Menschen Angst machen. Und da Trump jemand sei, der aktiv und mutig wirke, könne er durchaus als eine Art Retter gesehen werden. Mäder betont, dass allgemein zu beobachten sei, dass autoritäre Kräfte zunehmen.
Doch wie kann es gelingen, in Zeiten wie diesen hoffnungsvoll zu bleiben und sich nicht verunsichern zu lassen? Mäder meint, es sei an der Zeit, wieder mehr Selbstverantwortung zu übernehmen. Der Soziologe hält aber auch freiwilliges Engagement für wichtig und bereichernd: «In der Schweiz gibt es nach wie vor ein enorm hohes Ausmass an Freiwilligenarbeit.» Diese Art der Gruppenbildung und des Engagements könne gerade in Zeiten wie diesen wichtig und sinnstiftend sein.
Küchenhoff wiederum sagt: «Wir sollten uns motivieren, uns mit uns selbst und der eigenen Umwelt auseinanderzusetzen.» Es könne haltgebend sein, für eigene Werte einzustehen, sich mit Gleichgesinnten zu solidarisieren und persönlich auszutauschen. Sei es im Freundeskreis, auf Demos, oder auf Taylor-Swift-Konzerten. Gesellschaftliche Verbindungen könnten uns vor einer Resignation bewahren.
Auch Schenker findet es sinnstiftend, sich mit der aktuellen Situation auseinanderzusetzen, sich selbst weiterzuentwickeln und eine Meinung zu bilden. «Natürlich geben uns Gruppen, die ähnliche Werte vertreten wie wir, Halt und Stabilität», sagt sie. Gesellschaftliches und soziales Engagement also quasi als Rezept, um sich vor Resignation zu schützen.
US-Präsident Donald Trump hat angeordnet, alle Diversitäts-, Gleichstellungs- und Inklusionsprogramme aus der Verwaltung der USA zu streichen. Die neue Regelung betrifft auch Firmen, die Verträge mit dem Staat haben. SRF berichtet, dass die in Basel ansässigen Pharmafirmen Roche und Novartis, die einen grossen Teil ihres Geschäfts in den USA machen, ihre Ziele und Programme bereits angepasst haben, «um die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten». Was denkst du darüber?
Auf die Frage, wie die Schweiz als Staat sich nun gegenüber den USA verhalten soll, war im Podium die Haltung klar: Neutralität heisst nicht, keine Haltung zu haben. Küchenhoff findet, Wolodymyr Selenski habe sich im Gespräch mit Trump «bemerkenswert gut geschlagen», als er den US-Präsidenten Ende Februar im Weissen Haus besucht hatte und das Treffen eskaliert war. Selenski habe weder seine eigenen Werte verworfen, noch habe er sich unterworfen. «Man sollte sich nicht von Angst steuern lassen und einknicken, sondern bei sich selbst bleiben», sagt er. Ganz anders habe Mark Zuckerberg gehandelt, der seit dem Amtsantritt Trump ein Paradebeispiel an Unterwerfung geliefert habe.
Das Schlusswort kam von einer Besucherin, die am Ende des Anlasses die Frage in den Raum warf, ob es gerade jetzt im Hinblick auf die vielen Männer in Machtpositionen nicht eine gute Gelegenheit sei, wieder mehr Frauen in den Fokus zu nehmen. Denn vielleicht könnten wir als Gesellschaft auf diese Weise gemeinsam mit der Jugend neue Perspektiven gewinnen.