Ist das die Corona-Testanlage des Columbus?
Die Schnelltests, die jetzt von Roche und einer US-Bude auf den Markt gebracht werden, eröffnen eine neue Pandemie-Perspektive. Aber noch ist es erst ein Gedankenspiel.
Bis vor kurzem waren Corona-Tests knapp. Es wurde in der Regel frühestens nach den ersten Symptomen getestet; es dauerte weitere ein bis zwei Tage, bis das Ergebnis bekannt war und die Patient*in bei positivem Result in Isolation geschickt werden konnte.
Heute wissen wir – gemäss dem Robert-Koch-Institut –, dass von von der Ansteckung bis zu den ersten Symptomen typischerweise fünf Tage vergehen. Und die Patient*innen schon vor dem Auftauchen der Symptome ansteckend sind. Selbst bei Ausbruch der Krankheit bleiben sie danach auch länger ansteckend, bis sich nach frühestens zwei Wochen Antikörper bilden. Das heisst: Die ansteckenden Patient*innen wurden von den bisherigen Tests oft gar nicht erkannt.
Neue Hoffnung durch Viertelstunden-Tests?
Inzwischen haben zwei Unternehmens-Labors, Roche und das US-Startup E25Bio, Tests entwickelt, deren Ergebnisse innert 15 Minuten verfügbar sind. E25Bio geht von Kosten von 1 bis 2 Dollar aus, Roche meinte auf Anfrage: «Details zu unseren Preisen geben wir nicht bekannt, allerdings gestalten wir die Preise so, dass die Kosten keine Barriere für den Zugang zu unseren Tests darstellen.»
Die Tests von Roche geben mit einer Wahrscheinlichkeit von 96,52 Prozent an, ob der*die Patient*in Antigene aufweist – also angesteckt ist. Der schon im Februar entwickelte Test von E25Bio ist wesentlich ungenauer und hat deshalb bisher die Anforderungen der US-Arzneimittelbehörde FDA nicht erfüllt.
Jetzt hat sich aber herausgestellt, dass der E25Bio-Test mit hoher Zuverlässigkeit die Patient*innen erkennt, die genügend Viren haben, um ansteckend zu sein.
Ein Gedankenspiel als Szenario für die Schweiz
Spielen wir mal ein folgendes – bisher noch gedankliches – Szenario durch: Alle Schweizer*innen werden am Tag X getestet. Negative werden nach drei Tagen nachgetestet. Könnte ja sein, dass man beim ersten Test schon angesteckt, aber noch nicht ansteckend war.
Wer ansteckend ist, geht ab sofort für fünf Tage in Isolation. Am 5. Tag macht man einen zweiten Test, der angesichts der kurzen durchschnittlichen Dauer der Anstecklichkeit in den allermeisten Fällen negativ ausfallen wird. Bei einem positiven Test kann jeden Tag neu getestet werden.
Der Vorteil dieses Vorgehens läge darin, dass nur ansteckende Personen in Isolation geschickt werden und dass diese selten mehr als 5 Tage dauern muss. Wer genau weiss, dass er*sie andere anstecken kann, aber im Idealfall nur wenige Tage zuhause bleiben muss, wird dies in der Regel hoffentlich auch freiwillig tun.
Was sagt die Wissenschaft?
Der Infektiologe und Epidemiologe Michael J. Mina und seine acht Forscherkolleg*innen von der Harvard School of Public Health haben dazu Modellrechnungen in einem wissenschaftlichen Paper publiziert. Es ist jedoch noch nicht durch das Peer-Review-Verfahren gelaufen – wurde also nicht mit einem Kreuzgutachten nachgeprüft. Das ist ein Standard-Verfahren zur wissenschaftlichen Qualitätssicherung.
Die Forschungsgruppe kommt zum Schluss, dass der R-Wert ziemlich schnell gegen Null tendiert, bzw. dass die Pandemie innert weniger Wochen beendet wäre. Das Paper hat in den USA nicht zuletzt dank den Youtube-Videos (wie etwa von MedCram hier) zu einem Paradigmenwechsel geführt: Man hat erkannt, dass es zwei Sorten von Tests braucht: die medizinischen zur Behandlung der Patient*innen und die epidemiologischen zur Behandlung der Pandemie. Auch bei der FDA gibt es Anzeichen zum Umdenken. Der Test von E25Bio steht hoffentlich kurz vor der Zulassung, er soll auch für den Heimgebrauch möglich sein.
Knackpunkt Logistik?
In der Schweiz sind wir noch nicht so weit. Hier wird jetzt diskutiert, ob der Schnelltest von Roche präzise genug ist. Doch als Pandemie-Test kann Genauigkeit womöglich ein Nachteil sein. Das oben beschriebene Szenario könnte man wohl auch mit dem Schnelltest von Roche durchführen, zumal Roche schon eine Produktionskapazität von 40 Millionen pro Monat aufgebaut hat. Wieviel davon in der Schweiz zum Einsatz kommen könnte oder ob die Produktion erhöht werden kann, ist noch offen.
Die Vorteile des Gedankenspiels wären gross: Man müsste zum Beispiel nicht alle Reiserückkehrer*innen vorsorglich in Quarantäne schicken, ein zweiter Lockdown liesse sich womöglich vermeiden und wir hätten eine Überbrückung, bis ein Impfstoff auf dem Markt ist. Wie das Ganze logistisch ginge, ist eine andere Frage.