In der Sekundarschule 1 soll es in Basel-Stadt neu ein Fach namens «Informatik und Medien» geben. Das schlägt zumindest Bildungsdirektor Conradin Cramer vor. Bisher war dies kein eigenständiges Fach, sondern war in die anderen Fächer integriert, bald könnte es zur Pflichtlektion im 1. und 2. Jahr werden.
Für das neue Fach muss an anderer Stelle gekürzt werden: Das Fach «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» soll nicht mehr in Halbklassen, sondern künftig in Ganzklassen unterrichtet werden. Die Fächer «Technisches Gestalten» und «Textiles Gestalten» sollen zu einem Pflichtfach zusammengelegt werden. Ausserdem soll Französisch im Leistungszug A nur noch im ersten Jahr Pflicht sein.
Mehr IT, weniger Handarbeit und Französisch: Ist ein Umbau des Stundenplans richtig?
Mehr Mut
Medienkompetenz ist in der heutigen Zeit sicher ein zentrales Anliegen. Dabei sollte es nicht um Dinge wie Programmieren gehen, sondern um eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Inhalten zwischen "fake news", "sponsored content" und Fakten. - Insgesamt sind die Vorschläge der Neugestaltung jedoch noch sehr zögerlich. Wir brauchen endlich eine Bildungsreform, die von diesem altertümlichen Fächerkanon wegkommt und neben basalen Grundkenntnissen vor allem interessengeleitetes Lernen fördert, Raum für Erfahrungslernen schafft und dem auf viel zu frühe Selektion ausgerichteten Notensystem ein Ende setzt. Nur auf diese Weise können auch die im Lehrplan 21 aufgeführten überfachlichen Kompetenzen erworben werden.
Sie wollen lieber Mützen stricken
Die praxisnahe Vorbereitung auf eine digitalorientierte Berufswelt leuchtet mir zwar ein - allerdings beobachte ich insbesondere in der Generation Y, dass das Bedürfnis zurückkommt, in der Lage zu sein, sich selbst handwerklich und künstlerisch beschäftigen zu können. Auch in punkto: Nachhaltigkeit. Jeder realisiert (abgesehen von Profiteuren des Wirtschaftswachstums), dass unser Gehirn einen Ausgleich zur Flut an digitalem Content braucht, gerade in einer Berufswelt, die vermehrt vor Bildschirmen stattfindet. (Vom Lehrlingsmangel in handwerklichen Berufen will ich gar nicht erst anfangen)
Die Fähigkeit, sich allein und mit seinen Händen beschäftigen zu können (sei es Handarbeit, Werken, Kunst) muss unbedingt Teil der Schulbilung bleiben. Wenn es um das (mentale) Wohl der Schüler*innen gehen soll: Lieber eine hässliche Mütze stricken, als noch mehr leistungsorientierte Screentime.
„In einen 60 Liter-Tank passen keine 80 Liter rein …“
Eben habe ich in einem Interview (in anderem Zusammenhang) die oben zitierte Aussage gelesen. Unbestritten ist, dass man einen Schul-Stundenplan im Laufe der Zeit immer wieder den aktuellen (zugegeben: manchmal vermeintlich aktuellen …) Gegebenheiten anpassen sollte. Dabei wird es immer von irgend einer Seite Kritik hageln. Aber die Sache ist nicht dermassen „Schwarz-Weiss“, wie die heutige Fragestellung von bajour suggeriert. Unbestritten ist freilich das Sprichwort des alten Ovid (43 v. Chr. - 17 n. Chr.): „Tempora mutantur nos et mutamur in illis“ (Die Zeiten ändern sich, und wir mit ihnen). Es werden ja nicht einzelne Inhalte total rausgestrichen, sondern zu Gunsten anderer Inhalte etwas reduziert (vgl. den 60 Liter-Tank …). Von daher plädiere ich für etwas mehr Gelassenheit und die Bereitschaft, „es“ doch mal auszuprobieren. Und denken wir dabei doch immer auch an den alten Ovid …
duales Bildungssystem?
Als Textil- und Primarlehrerin stört es mich schon länger, dass die Schweiz sich im Ausland gross macht mit ihrem dualen Bildungsystem und den handwerklichen Lehren mit EFZ-Ausweis - und in der Schule immer mehr den breiten Fächerkanon schmälert. Die motorischen Fähigkeiten der künftigen Handwerker brauchen - genauso wie die Fähigkeiten in andere berufliche Richtungen - auch Uebung und Vorbereitung. Wenn wir immer mehr die kreativ-handwerklichen Fächer abbauen, haben die Jugendlichen kaum mehr handwerkliche Fähigkeiten zu Beginn ihrer Berufslehre oder ziehen eine solche nicht in Betracht, weil sie sich nicht dazu befähigt fühlen. Das geht gedanklich und praktisch nicht auf!
Da ging die Mathematik vergessen
Als Fachperson für Technisches Gestalten an einer Basler Sekundarschule fände ich es natürlich bedauernswert, wenn die Lektionen der handwerklichen Fächer durch die Einführung eines neuen Schulfach gekürzt werden, obwohl ich das Fach «Medien und Informatik» in der heutigen Zeit als sehr sinnvoll erachte.
Mich stört am Vorschlag des Erziehungsdepartements, dass diese Kürzung wohl dadurch zustande kommen wird, weil das Fach Mathematik um eine Lektion erweitert wird. Es geht somit nicht nur um ein neues Schulfach an sich, sondern um eine zeitgleiche Anpassung der Lektionenanzahl von anderen Schulfächern.
Dies ist eine Information, welche in der Berichterstattung von Bajour nicht erwähnt wurde (nachzulesen unter: https://www.medien.bs.ch/nm/2023-sekundarschule-basel-stadt-neues-schulfach-geplant-ed.html).
Informatikkompetenz ist wichtig und hierzulande sehr niedrig. Word und Excel reicht nicht!
Werden intensiv diskutieren
Die Berufsverbände der Basler Lehrpersonen waren in die Ausarbeitung der Vorschläge nicht involviert. Wir haben erst gestern erfahren, welche Anpassungen das Erziehungsdepartement bei der Stundentafel der Sekundarstufe 1 vorschlägt. Darum möchte ich gerne grundsätzlich festhalten, dass diese Änderungen noch nicht beschlossen sind, wie aufgrund der gestrigen Medienkonferenz vielleicht fälschlicherweise der Eindruck entstehen könnte. Stattdessen beginnt jetzt erst die Diskussion darüber in Form der gesetzlich vorgeschriebenen Konsultation.
Die Lehrpersonenverbände werden die ihnen zu gewährende Konsultationsfrist nun sehr aktiv nutzen und eine breit abgestützte Meinungsbildung bei den Fachleuten für Unterrichtspraxis einholen. Auch die von Ihnen hervorgehobenen Punkte werden dabei bestimmt intensiv diskutiert werden – mit aktuell noch offenem Ausgang.
Französisch-Abbau ist bedauerlich
Im Grundsatz ist es zu begrüssen, wenn die sogenannten MINT-Fächer stärker gewichtet werden. Ob dies der Fall ist, wenn man ein Fach «Informatik und Medien» einführt, wäre zu diskutieren. Das ist stark abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Unterrichtsstoffs. Der Abbau von Französisch im A-Zug ist natürlich bedauerlich.
Ein Lektiönchen hier und da reicht nicht
Es ergibt wohl Sinn, in der Sekundarstufe im A-Niveau eine Fokussierung in Mathematik und Deutsch anstelle von Französisch zu ermöglichen. So können zumindest in diesen Fächern die minimalen Grundanforderungen ereicht werden. Gegenüber der Schaffung eines neuen Fachs «Medien und Informatik» bin ich skeptisch. Einerseits handelt es sich um Querschnittskompetenzen, die in allen Fächern anwendungsorientiert vermittelt werden muss: Im Sprachunterricht mit Chat-GPT arbeiten, im Mathematikunterricht programmieren und im Werken einen Konstruktionsplan am Computer zeichnen. Anderseits nimmt die Fächervielfalt für die Schülerinnen und Schüler zwar immer mehr zu, aber die notwendige Vertiefung in eine Materie wird durch ein Lektiönchen hier und da nicht erreicht. Es Besteht die Gefahr, dass ein Medien- und Informatikunterricht einfach als Mäntelchen für eine noch ungenügende Adaption der Digitaliserung im Unterricht dienen wird.
Französisch ist schliesslich Landessprache
Ich finde es schwierig, dass der Französischunterricht geschwächt wird, auch wenn es «nur» in der Sek A ist. Es stimmt, dass man hinterfragen muss, wieso so viele junge Menschen trotz Schulunterricht kaum Französisch lernen. Aber jetzt einfach «Franzi» für viele Schüler*innen abzuschaffen, wäre ein völlig falsches Signal – ebenso wie die von vielen angestrebte ersatzlose Streichung von Frühfranzösisch.
Französisch ist schliesslich eine Landessprache. Es ist für den Zusammenhalt der Schweiz wichtig, dass die Sprache unterrichtet wird. Ausserdem hat sie in der Region Basel, so nah am Elsass und am Jura, noch mehr Bedeutung.
Die Veränderungen bezüglich dem Fach «Medien und Informatik» kann ich nachvollziehen. Nur ist meiner Meinung nach wichtig, dass dieses Fach nicht zu «technisch» wird. Gerade das Erlernen gewisser Medienkompetenzen ist heute wichtiger denn je. Jugendliche sollten lernen, wie man sich selbständig zu verschiedensten Themen vertrauenswürdige Informationen beschafft. Gerade in Zeiten von Social Media und Fake News ist das wichtig.
Tragisch
Ich kann es kurz machen: finde es tragisch, dass wir eine unserer Landessprachen vernachlässigen. IT ist bei der Jugend derart omnipräsent, dass sie das einerseits automatisch lernen oder dann in einer Berufslehre sowieso.
Ist das schlau?
Wie schlau ist das, ausgerechnet Handarbeit reduzieren zu wollen, wo uns gerade im handwerklichen Sektor händeringend die Leute fehlen? Fraglos sind Medienkompetenz und Informatik auch wichtig. Trotzdem wird durch deren Ausbau im Unterricht die einseitige Ausrichtung auf das Virtuelle verstärkt. Bestimmt es nicht jetzt schon im Übermass unser Leben und ersetzt den Bezug zur materiellen Realität immer mehr? Deswegen muss die Unterrichtsgestaltung unbedingt den praktischen Bereich einschliessen und sogar stärken. Auch die Sprachkompetenz bleibt ein wichtiges Desiderat; Französisch ist unsere zweite Landessprache und gerade an der Grenze zu Frankreich von besonderer Bedeutung.
Handwerkliche Skills sind unerlässlich
Ich erkenne die Notwendigkeit und bin für eine Anpassung an die Anforderungen der Berufsfelder von heute. Allerdings frage ich mich, ob handwerkliche Berufe da mitgedacht werden. Nicht nur Keyboards, auch Hammer, Nadel und Faden sind essentiell! Statt der Reduktion von Schulfächern, die das junge Gehirn «nähren», müssen andere Lösungen gefunden werden. Ich sehe auch die Schwierigkeit betreffend qualifizierter Fachlehrpersonen, die ein solches Fach unterrichten sollen. In dieser Diskussion ist für mich die Frage zentral: «Was wollen wir unseren Kindern auf den Lebensweg mitgeben?» Das Erlernen von handwerklichen Skills ist meiner Meinung nach unerlässlich.
Nein, überhaupt nicht. Es wird zu fest auf IT und Digitalisierung gesetzt, darunter leidet alles andere, das praktische und handwerkliche wohl am meisten. Wo sollen denn die Schüler:innen überhaupt noch mitbekommen, dass es auch noch wert- und sinnvolle handwerkliche Berufe gibt wenn nicht auf der Sek I Stufe? Kreativität geht verloren bzw. kann gar nicht mehr entdeckt werden, sehr traurig sowas. Ein Armutsszeugnis! Und fürs Französisch ist es wohl der Anfang vom Ende, eine Bankrotterklärung. Und das alles aus der Feder vom ED, ohne Einbezug der Betroffenen? Kann ich nicht verstehen, tut mir leid.
Allgemeinbildende Fächer dürfen nicht leiden
Grundsätzlich kann ich den Ausbau des Bildungsangebots um ein Fach «Informatik und Medien» befürworten. Dass dafür das technische und textile Gestalten zusammengelegt werden sollen, ist nachvollziehbar. Allerdings dürfen allgemeinbildende Fächer nicht unter dieser Anpassung leiden. Der angetönte Abbau des Französisch-Unterrichts im A-Zug oder eine Reduktion der Unterrichtszeit in der 5. und 6. Primarstufe in «Natur, Mensch und Geschichte» lehne ich aus diesem Grund ab.
Lebenswelten anstatt Fachunterricht
Schulen, die das Leben in Fächer aufspalten, scheinen grundsätzlich im letzten Jahrhundert stehen geblieben zu sein. Die Annäherung von Lernen und Leben lässt sich nicht durch noch mehr Unterricht in welchen Fächern auch immer bewerkstelligen. Wenn wir sie mehr lassen, die Kinder, auf das Risiko hin, dass sie sich ganz woanders hin entwickeln, als wir denken – dass sie ihre Anlagen entfalten, so wie sie von Anfang an in sie hineingelegt sind? Was geschieht dann? Und was passiert, wenn sie sich z.B. weniger für digitale Durchdringung und Wandlung dieser Welt entscheiden als für die eigene Wandlung in das, was sie sind?“
Nötiges Rüstzeug für die Karriere
Ich bejahe die Frage. Mit der Digitalisierung ändern sich die Anforderungen in der Berufswelt. Das neue Schulfach vermittelt den Schüler:innen das nötige Rüstzeug für ihren persönlichen Karriereweg und verbessert ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Im eigens dafür geschaffenen Schulfach werden die Themen, die bisher breit in diversen Fächer unterrichtet wurden, gebündelt und erhalten damit mehr Gewicht im Lehrplan. Die vorgeschlagenen Anpassungen in der Stundentafel der Sekundarstufe erscheinen mir ausgewogen. Für die Schüler:innen fallen keine weiteren Schulstunden an und Mehrkosten sind nicht zu erwarten.
Ich finde eher, dass Fächer wie Geschichte und Geografieabgespeckt werden sollten.
Mehr IT, mehr Handarbeit und vor allem mehr Philosophie.
z.Bsp. die Stoiker könnten sehr hilfreich sein.
Idee ist gut u. wichtig, aber doch nicht zulasten kreativer Fächer.
Was auch noch wichtig ist, neben dem praktischen Sinn für das handwerkliche Arbeiten, die Feinmotorik wird trainiert. Zukünftige Zahnärzte:innen, Chirurgen:innen danken. Es braucht eben alles, gute IT Kenntnisse, Socialmedia-Kompetenz und handwerkliches Können.
Ich habe Zweifel, dass die Lehrerschaft hier etwas beibringen kann.
Finde ich nicht falsch. IT, PC, Socialmedia, online Einkaufen etc. Bergen Gefahren und müssen gelernt sein. Also: aufs Leben vorbereiten!
Hingegen ob handwerkliche Fertigkeiten vernachlässigt werden sollen-da bin ich mir nicht sicher!!!
Förderung der Zweisprachigkeit am Oberrhein
Ich bin gerade unterwegs an eine Sitzung des trinationalen Oberrheinrats in Strasbourg. Auch wenn dort die Sitzung simultan übersetzt wird, merke ich dort jedes Mal, das ein gewisses Verständnis der Sprache der anderen sehr wichtig ist, um sich wirklich zu begegnen und zu verstehen. Wir haben auch erst gerade im Dezember 2022 eine Resolution verabschiedet, in der wir festhalten, dass wir mit Besorgnis die Tendenz, beobachten, dass die französischsprachigen Bildungsangebote in einzelnen Gebietskörperschaften des Oberrheinraums im Rückgang sind. Wir fordern daher die Ausarbeitung eines gemeinsamen Konzepts zur Förderung der Zweisprachigkeit am Oberrhein ( vgl. https://www.oberrheinrat.org) Ich bedaure darum diese Pläne sehr.
Interessanterweise beobachten wir aktuell zumindest in anderen Schweizer Grenzkantonen eine Entwicklung von zweisprachigen Schulen, die mit Immersionsunterricht in einsprachigen Gebieten, die Sprache lernen. Diese Projekte könnten durchaus als Modelle für die Oberrheinregion dienen.
Nachtrag
In der heutigen Kaffeepause diskutierten wir zu Viert über diese Schulstoffänderung. Alle waren einer Meinung: es darf einfach nicht sein, dass es zulasten von Französisch, unserer Landessprache geht. Eine Person brachte die Idee auf, das Fach Religion sei zu streichen. Diese Person ist nicht gegen Religion, aber sie findet, dies sei Privatsache. So würde in den Unterstufen Platz frei für mehr Französisch, als gutes Gerüst, wenn es denn in den oberen Stufen reduziert wird. Was meint Ihr dazu???
Wichtig dabei ist, dass elementare Dinge gelernt werden, wie Bewerbungen & Umgang mit sozialen Medien, allg. Gefahren, sichere Quellen ... Sensibilisieren für alles! Das ist wichtig.
Unsere ganze Welt besteht aus IT, da müssen Jugis vorbreitet sein. Wenn sie mit iPads arbeiten, müssen sie diese ja auch irgendwie bedienen können und Social Media muss auch gelernt sein.
Unentschlossen. Schule ist auch Allgemeinbildung und nicht bloss Vorbereitung auf die Arbeitswelt.