Johannes Barth im Gespräch

«Abschottung und Diskriminierung gehören nicht zu unserer Politik»

Die Frohnatur Johannes Barth erzählt im Interview, wie sich die Basler FDP unter ihm als Präsident von einer «Nörgler-Partei» in einen konstruktiven Vorstand verwandelt hat, der anpackt statt nur zu sprechen. Er träumt sogar davon, bald im Regierungsrat zu sitzen.

Titelbild
Johannes Barth in seinem Büro an der Dufourstrasse 25. Hier ist nicht nur die Banque Heritage zuhause, dessen Vize-CEO er ist, sondern auch die Geschäftsstelle der Basler FDP.

Herr Barth, kommenden Mai stehen Sie der FDP fünf Jahre vor, wie haben Sie die Partei in dieser Zeit geprägt, was hat sich verändert? 

Eine ketzerische Frage zu Beginn. Ich muss mich also selber beurteilen (lacht). Es war eine schwierige Zeit mit Covid, als die Digitalisierung losging. Wir mussten uns überlegen, wie man Versammlungen digital abhält, wie man überhaupt an Mitglieder kommt. Dennoch ist in den letzten Jahren ein starker Zusammenhalt entstanden. Darauf bin ich stolz. Auch der Frauenanteil hat sich massiv erhöht. 

Von wie viel auf wie viel?

Von einem kleinen Grüppchen FDP-Frauen zu einer grossen Gruppe. Die Basler FDP-Frauen haben sogar mit jenen aus Baselland fusioniert. Ich weiss gar nicht, wie viele Mitglieder jetzt genau dabei sind. Aber deutlich mehr als zu Beginn. Auch im Vorstand gibt es nun einen starken Zusammenhalt, starke Leute. Wir haben uns von einer Nörgler-Partei in einen konstruktiven Vorstand verwandelt, der wirklich anpackt und nicht nur spricht.

Ihre einstige Regierungskandidatin Eva Biland ist seit der letzten Generalversammlung im Mai nicht mehr im Vorstand.

Nein, leider nicht. Nachdem ihre Regierungsratskandidatur nicht so verlaufen ist, wie sie sich das erhofft hatte, ist sie aus dem Vorstand ausgetreten. Sie spürte den Rückhalt nicht, den sie gerne gehabt hätte.

Damit hat sie sich quasi aus der kantonalen Politik verabschiedet?

Mehr oder weniger, ja.

«Wir haben die Mitte und die SVP an einen Tisch gebracht, inklusive LDP.»
Johannes Barth, FDP-Grossrat und Basler Parteipräsident

Zu Beginn Ihrer Amtszeit sagten Sie, dass Sie die FDP aus der Opposition heraus neu definieren wollen, nachdem Baschi Dürr 2020 als Regierungsrat abgewählt wurde. Ist Ihnen das gelungen? Beziehungsweise wie muss man sich die Opposition gegen eine LDP-starke Regierung vorstellen, also quasi gegen Ihre Schwesterpartei?

Wir machen keine Opposition gegen die LDP, sondern gegen Linksgrün. Das ist eigentlich das Hauptthema. Unsere bürgerliche Politik ist Opposition und sie ist nicht gegen unsere bürgerlichen Partner gerichtet. 

Wie würden Sie die bürgerliche Zusammenarbeit beurteilen?

Viel besser als früher, das hat darin gegipfelt, dass wir FDP-Grossrat Luca Urgese bei den Ersatzwahlen für die Exekutive im Frühling 2024 als gemeinsame bürgerliche Kandidatur bringen konnten. Darauf bin ich stolz, wir haben die Mitte und die SVP an einen Tisch gebracht, inklusive LDP, die ja immer sehr kritisch ist mit der SVP. Wir konnten zeigen, dass wenn wir zusammenarbeiten, dann …

… kann es fast klappen.

Ja, beziehungsweise gibt es dann ein Gleichgewicht, das nicht möglich ist, wenn man es alleine macht. 

Ihre Opposition bezieht sich also nicht auf die Regierung?

Nein, sie bezieht sich auf das Verhältnis im Parlament. Bezüglich der Regierung schockiert mich, wie stark die Basis oder die eigene Partei gegen ihre eigenen Regierungsräte vorgeht.

Sie meinen die SP mit ihrer Finanzdirektorin Tanja Soland?

Ja, Regierungsrätin Soland hat beispielsweise beim automatischen Lohnabzug gesagt, das sei ein nationales Thema, welches nicht auf kantonaler Ebene zu regeln sei. Doch das interessierte die Basis null. Auch beim Standortpaket hat Regierungsrat Kaspar Sutter gesagt, dass dieses Paket wichtig sei für Basel. Da kam totaler Gegenwind auf. 

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Eine gute Truppe hat Johannes Barth zusammenbekommen, die wieder lacht.

Widersprechen die Bürgerlichen auch? 

Ich denke, wir trauen uns weniger, auf die eigenen Regierungsräte zu schiessen.

Gut, Sie haben keine*n.

Doch, ich zähle Conradin Cramer und Stephanie Eymann von der LDP dazu. Wir sind auf nationaler Ebene immer noch die gleiche Fraktion und wir haben keine komplett andere Linie. Wir arbeiten sehr gut zusammen, das ist ebenfalls ein Erfolg der letzten Jahre. Wir haben eine gute Truppe zusammen bekommen, die wieder lacht. Ein Weggefährte hat mir mal gesagt: Sollte ich einmal aufhören zu lachen, müsse ich sofort mit der Politik aufhören.

Ja, Sie sind bekannt als Frohnatur. Hat das auch dazu beigetragen, dass das Verhältnis zur LDP weniger angespannt ist?

Das Verhältnis hat sich massiv verbessert, was mich sehr freut und was die Arbeit wirklich einfacher und effektiver macht.

Den Abwärtstrend der FDP konnten Sie hingegen nicht aufhalten.

Doch, es ist mir gelungen, den Abwärtstrend zu brechen.

Naja, die Partei ist auf einem tiefen Niveau marginal geblieben.

Ja, wir konnten nicht dazu gewinnen. Damit sind wir im nationalen Trend.

Haben Sie das Gefühl, dass urbane und freisinnige Politik nur schwer zusammenpasst?

Für die Parteien zwischen den Polen ist es momentan schwierig. Alle haben Mühe, das ist ein europäisches Problem. Und wir entziehen uns dem nicht. Wir als Mitte-Rechts-Partei haben da auch Mühe. Wir vertreten eine Minderheit, die nicht wächst.

«Wir trauen uns weniger auf die eigenen Regierungsräte zu schiessen.»
Johannes Barth, FDP-Grossrat und Basler Parteipräsident

Hat die FDP es besonders schwer, weil sie zwischen einer progressiveren GLP und einer elitären LDP manchmal ein bisschen zerquetscht wird? 

Nein, die LDP hat ja eher abgegeben bei den letzten Wahlen und wir haben wegen 40 Stimmen den achten Sitz nicht dazu gewonnen. Es ist nicht so, dass wir massiv verloren haben. 

Die LDP hatte vorher allerdings ein höheres Niveau.

Ja, aber mich interessiert alles ab dem Jahr 2000. Mein Ziel war natürlich, wieder zu wachsen. Aber in diesem Umfeld stabil zu bleiben und moderat zu wachsen, ist das allerhöchste der Gefühle. Man muss sich diesem Trend entgegensetzen, damit unsere Leute nicht zur SVP abwandern.

Sind Sie denn genug nahe an den Menschen? Die FDP hat als Stimmführerin in der Finanzpolitik die Kaufkraft-Initiative lanciert, mit der Sie Steuern senken wollen. Ist das das, was die Menschen bewegt?

Es ist seit Jahrzehnten ein Dauerthema. Wir haben es nicht neu erfunden.

Es gab in den letzten Jahren von bürgerlicher Seite immer mal wieder Steuersenkungspakete …

Ja, aber wir wollten wissen, wie das Feedback der Bevölkerung ist. Viele finden unsere Forderungen nun sogar zu moderat. Doch es braucht einen Kompromiss, sonst hat das Vorhaben keine Chance, durchzukommen. Uns geht es darum, den Leuten etwas zurückgeben und nicht permanent auf hohen Steuern zu sitzen. Ich bin nicht stolz darauf, der zweitteuerste Kanton der Schweiz zu sein. Es ist deshalb ein bescheidenes, aber sehr wichtiges Zeichen.

Barth
Für Johannes Barth war es ein grosser Schritt von der Vorstandsarbeit und dem Bürgergemeinderat in den Grossen Rat zu wechseln.

Die FDP wird als Wirtschaftspartei wahrgenommen, nahe am Arbeitgeberverband und der Handelskammer. Wo würden Sie sagen, haben sie im vergangenen Jahr konkret Pflöcke eingeschlagen? 

Das Standortpaket war extrem wichtig und das wurde durch Luca Urgese, der im Lead war, durchgebracht. Natürlich hat auch die Regierung mitgeholfen.

Es war ein Kompromiss.

Ja, ein sehr wichtiger. Wir wurden auch von Novartis und Roche mehrfach gelobt, dass wir das geschafft haben. Kompromisse haben wir auch bei der Solaroffensive angeboten, bei ideologischen Themen, die wir durch einen Rückwärtsgang wieder zur Realität zurückbringen können. Darum sage ich: Wir sind die Opposition und versuchen, entgegenzuhalten. Beim automatischen Lohnabzug hat es wegen einer Stimme nicht geklappt.

Jene von Mitte-Grossrat Bruno Lötscher.

Ja, wegen einer Stimme, nun sammeln wir Unterschriften für ein Referendum.

Ist die Mitte für Sie ein weniger verlässlicher Partner geworden durch die heterogene Haltung in der Partei?

Ich setze manchmal ein Fragezeichen hinter die Strategie der Mitte. Sie sind sich stark am Positionieren für die Nationalratswahlen in zwei Jahren. Und der Vorstand hat da klare eigene Ziele, die nicht immer klar bürgerlich sind.

«Ich setze manchmal ein Fragezeichen hinter die Strategie der Mitte.»
Johannes Barth, FDP-Grossrat und Basler Parteipräsident

Wie haben Sie sich als Neo-Grossrat eingelebt? 

Sehr gut. Es ist eine spannende Zeit. Es war ein grosser Schritt von der Vorstandsarbeit und dem Bürgergemeinderat in den Grossen Rat. Es ist anders, spannender. Ich mache auch Politik, um die anderen Politiker*innen kennenzulernen, ihre Positionen besser zu verstehen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, was sonst nicht so der Fall ist. Im Grossen Rat sieht man sich, trinkt einen Kaffee zusammen und tauscht sich aus. Das ist sehr wertvoll in diesen Zeiten.

Für die Mehrheiten ist die FDP wenig ausschlaggebend, als dass sie meistens mit der LDP und der SVP eine fixe bürgerliche Front bildet. Sie haben gesagt, die Beziehung sei sehr gut zu der LDP. Bei der SVP ist das Verhältnis manchmal angespannt.

Nein, auf kantonaler Ebene nicht.

Aber die nationalen FDP-Parteipräsident*innen Susanne Vincenz-Stauffacher und Benjamin Mühlemann haben ordentlich gegen die SVP geschossen, als prominente Mitglieder mit einer Abspaltung der EU-kritischen Kantone liebäugelten. Sie sagte, die Partei betreibe Realsatire.

Das ist die nationale Ebene. Im Grossen Rat empfinde ich das nicht so.

Sollten Sie sich als FDP nicht doch stärker von der SVP abgrenzen?

In den Wirtschaftsthemen rede ich gerne mit der SVP. Das ist normal. Aber zum Beispiel Forderungen wie eine 10-Millionen-Schweiz sind für mich Grenzübertritte, die nicht tragbar sind. Da werden wir nie mit ihnen zusammen stimmen. Ich bin wegen der Migrationsthemen nicht in der SVP, sondern in der FDP. Wir sind für liberale Politik, da gehören Abgrenzung, Abschottung und Diskriminierung nicht dazu. Es gibt eine klare rote Linie, über die ich nicht mit mir reden lasse. Ich habe vielleicht eine andere Rhetorik als die Basta, aber meine Meinung in dieser Sache ist die gleiche.

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Es sei noch zu früh, um sagen zu können, welchen Sitz im Regierungsrat man als nächstes angreifen möchte.

Es dürfte Ihr Ziel bleiben, wieder einmal einen Sitz in der Regierung zu ergattern. Spekulieren Sie darauf, dass Lukas Engelberger noch während dieser Legislatur zurücktreten wird? Und wenn ja, greifen Sie den Sitz von der Mitte an?

Ich glaube nicht, dass er während der Amtszeit zurücktreten wird. Ich habe das Gefühl, er fühlt sich recht wohl und macht einen guten Job. Überhaupt ist es noch zu früh, um zu sagen, welchen Sitz man angreifen wird. Da müsste man erst einen Kandidaten haben, der das machen würde.

Gibt es neben Luca Urgese überhaupt jemanden, der parat wäre?

(Lacht und zupft seinen eigenen Rollkragen zurecht) Parat wäre und wollen würde, müsste die Frage lauten. Im Hintergrund gibt es sicher ein paar, die das wollen würden, sprich: zu deren Karriere das Regierungsamt passen würde. Deshalb ist es wichtig, bereits ein Jahr vorab mit den Leuten zu sprechen, die sich vorstellen können, zu kandidieren.

Gibt es eine Frau, die infrage kommt – so von wegen keine Frauenprobleme.

Wir haben noch keine Ausschreibung gemacht, es ist noch zu früh.

Tamara Hunziker?

Ich weiss nicht, ob sie das wollen würde. Wir haben jetzt die Nationalratswahlen vor uns, die uns beschäftigen, wir werden von Bern langsam aufgefordert, tätig zu werden.

Und Namen zu bringen?

Ja.

Welche bringen Sie?

Eben, es ist noch zu früh, der Prozess fängt nächstes Jahr erst an. Ich bin ehrlich gesagt ganz froh, mal ein bisschen Ruhe zu haben. Seit Beginn meines Präsidiums hatte ich einen Marathon an Wahlkämpfen. Dieses Jahr war endlich mal eines ohne Wahlkampfmodus, da haben wir «nur» Unterschriften gesammelt. Aber auch das ist natürlich ein Kraftakt für eine Partei.

«Es gibt eine klare rote Linie, über die ich nicht mit mir reden lasse.»
Johannes Barth, FDP-Grossrat und Basler Parteipräsident

Dieses Nicht-Wahljahr ist ein bisschen das Jahr der neuen Basler Parteipräsident*innen. Es haben viele Wechsel stattgefunden.

Ja, genau, ich bin plötzlich der Älteste.

Wie lange machen Sie noch?

Ich habe auch ein Ablaufdatum. Ich habe immer gesagt, dass ich nicht wie Patricia von Falkenstein zwölf Jahre dabei sein werde. Ich werde nächstes Jahr entscheiden, wie lange ich noch mache.

War das nun doch noch ein freundschaftlicher Seitenhieb an die LDP?

Auf keinen Fall, denn ich empfinde einen grossen Respekt für sie. Sie hat riesige Arbeit geleistet. Vor allem, wenn man noch gewählter Politiker ist. Es ist toll, dass sie das so lange gemacht hat. Und man spürt auch, dass sie nicht mehr da ist.

Schon wieder ein Seitenhieb an die LDP?

Nein, es zeigt einfach, wie gut sie ist.

Ja, es sind grosse Fussstapfen, in die Gabriel Nigon getreten ist.

Ja.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Barth.

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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