Kannst du dir genug Zeit für die Familie nehmen?
Die Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP) tritt zurück. Sie wolle mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. «Die Familie musste oft zurückstehen. Ich habe für mich entschieden, dass ich das nicht mehr will», sagt sie im Interview mit der BaZ. Sie wolle wieder mehr Zeit mit ihrem Mann, ihren Kindern und Enkelkindern und ihren eigenen Eltern verbringen.
Die Frage, wie viel Zeit man der Arbeit und wie viel der Familie widmen will und vor allem kann, stellen sich viele Erwachsene ihr Leben lang – sei es bezüglich der eigenen Kinder, Eltern, Grosseltern oder anderen Familienmitgliedern.
Oft ist es die Politik, die vorgibt, welcher Weg gangbar ist. Im Parlament und in den Medien wird aktuell eine Reformierung der Elternzeit diskutiert. Während eine Initiative der Alliance F, Grünen, GLP, Travail Suisse und den Mitte-Frauen je 18 Wochen Elternzeit für beide Elternteile fordert, bringt die Kommission für Soziale Sicherheit des Nationalrates eine Version der Elternzeit ins Spiel, die 16 Wochen vorsieht, wobei sich die Eltern die Wochen untereinander aufteilen können.
Leitung Elternberatung Basel-Stadt
Ich arbeite bei der Elternberatung in Basel-Stadt und habe immer wieder werdende Eltern bei mir in der Beratung, die mich fragen, wie sie alles unter einen Hut bringen sollen, mit diesen wenigen Wochen! Und es sind auch immer wieder sehr gut ausgebildete Frauen, die gut verdienen und kaum fassen können, dass sie nach der Zahlung der Mutterschaftentschädigung, finanziell von ihrem Partner abhängig werden, wenn sie dann nicht sofort wieder arbeiten gehen. Und dies nach 14 Wochen! Ich finde dies unglaublich und sehr traurig, da es kaum eine Lobby für Mütter gibt.
Elternzeiten als Reformpflästerchen
Ob beispielsweise betreffend Familie, Schule, Arbeit, Gesundheit, Zeit oder Geld: Wer im real bestehenden System nicht auf der Seite der Wohlhabenden sitzt, hat es in der Regel schwer. Und dies auch mit Kosmetik wie beispielsweise Elternzeiten oder ähnlichen Reformpflästerchen, die vor allem dem Zweck dienen, dass im Prinzip alles beim Alten bleiben kann.
Natalie
Ich kenne meine eigene Situation und jene einer Bekannten. Als Rentner habe ich endlos Zeit für alles, was auf mich zukommt. Familienintern haben wir Geld und können uns beliebig austauschen, soweit die Sonnenseite. Die Schattenseite erlebt Natalie, ich nenne sie mal so, alleinerziehend, 41, 4 Kinder, auf Sozialhilfe angewiesen, kratzt überall Geld zusammen um Ende Monat mit dem Rest noch Spaghetti zu kochen. Sie organisiert jede Minute ihres Lebens, engagiert sich für ihre Kinder wo und wie immer sie kann, ist allerdings stets am Limit, erschöpft, oft verzweifelt. Bei diesem Anblick frage ich mich, für wen diese Initiative gilt, und sehe in den Pressebildern als Zielpublikum einen wohlbehüteten Mittelstand, eine Idealfamilie, (noch) nicht geschieden, bei gegen 50% Scheidungen darf ich das so schreiben, Doppelverdiener. Natalie würde gerne einen Teil dieses Kuchens mitessen, wenn sie mal Zeit dazu hätte. Ihr Kommentar: «Schick den Artikel einfach weg, es ändert sich sowieso nichts.»
Was kann vs. was will man sich leisten
In meiner Wahrnehmung beurteilen viele Familien die Aufteilung der Familienzeit und der Arbeitszeit danach, mit welchem System das meiste Geld in die Kasse kommt. Die wenigsten fragen sich, was sie möchten und suchen dann nach einem Weg, wie sie sich das leisten können.