«Kim Kardashian, was sind deine Talente?»
Kim Kardashian hat, was sich eine ganze Generation wünscht: Geld, Ruhm, Publicity. Das Theater Basel wagt mit dem Stück «Kim» einen Versuch der Annäherung an diese schillernde Persönlichkeit.
Eine ganze Generation will aussehen wie sie, sich fühlen wie sie und ein aufregendes Leben führen wie sie. 364 Millionen Menschen folgen Kim Kardashian auf Instagram. Die Produkte, die sie in die Kamera hält, werden weltweit zum Verkaufsschlager – ihre Selbstvermarktung hat ihr ein geschätztes Vermögen von fast zwei Milliarden US-Dollar eingebracht.
Es scheint kein Zufall zu sein, dass die Premiere des Stücks «Kim» am Theater Basel auf den 8. März, den Weltfrauentag, fällt. Die Schauspielerin Nairi Hadodo schlüpft in die Rolle von Kim Kardashian und lässt das Publikum teilhaben am Leben und Denken einer Frau, die sowohl grenzenlose Bewunderung als auch tiefen Hass auslöst. Kim Kardashian hat sich die Regeln des Patriarchats zu eigen gemacht, indem sie ihren Körper als Objekt der Begierde inszeniert und ihr Image selbst kontrolliert. Gleichzeitig wirft das Phänomen Kardashian feministische Grundsatzfragen auf. Inwiefern lassen sich Geld, Macht, eine derartige Selbstdarstellung und jede Menge Make-up mit einem selbstbestimmten, modernen Frauenbild vereinbaren?
In meiner Welt haben Glaube und Erfolg dieselbe Anzahl Buchstaben.Kim Kardashian
Kim Kardashians Kapital ist ihr Körper. Dabei muss sie immer wieder öffentlich Stellung nehmen, dass sie mehr kann, als lediglich «hübsch aussehen». Gleich zu Beginn des Stücks sagt sie: «Es gibt in meiner Karriere keine Frage, die ich öfter gehört habe, als: Kim, was sind deine Talente? Du kannst nicht singen, du kannst nicht tanzen, du kannst nicht schauspielern.» Es folgt eine kurze Kunstpause, Stille. «Wenn ich etwas wirklich kann, dann ist es mehr sein. In meiner Welt haben Glaube und Erfolg dieselbe Anzahl Buchstaben. Think about it.»
Kim Kardashian agiert in verschiedenen Rollen. Sie ist Geschäftsfrau, Person des öffentlichen Lebens, Mutter und Ikone. Sie vermittelt ein Bild von Stärke und Unabhängigkeit, ein feministisches Ideal der selbstbestimmten Frau, die beruflich erfolgreich ist und gleichzeitig ihre Rolle als Mutter von vier Kindern nicht vernachlässigt. Kardashian beherrscht das Spiel der Selbstvermarktung wie keine andere. Ihre Waffe ist das Selfie, ihre Plattform sind die sozialen Medien. 2015 wählte das US-Magazin «Time» Kim Kardashian zu einer der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt.
«I adopted Kanye. Man könnte sagen, ich habe ihn in meine Form aufgenommen.»Figur der Kim Kardashian im Stück «Kim»
Das Stück beginnt mit Tempo, lauter Musik und wirft zunächst einen Blick auf die schillernde Seite des Kardashian-Lebens. Im silbernen Glitzeroutfit stemmt sie Gewichte, duscht und tanzt mit nassen Haaren. «I’m a mother of four, a trendsetter», singt sie. Ihre Stimme ist kraftvoll, sie wirkt, als gehöre ihr die Welt. Über ihren damaligen Ehemann, den US-Rapper Kanye West, sagt sie: «I adopted Kanye. Man könnte sagen, ich habe ihn in meine Form aufgenommen. Man könnte sagen, ich habe ihm ein Zuhause gegeben. Man könnte sagen, ich habe ihm eine Familie gegeben. Einen sicheren Hafen gegeben. I owe him.»
Ein widersprüchlicher Star
Im Verlauf der Inszenierung wird jedoch auch die Widersprüchlichkeit Kardashians deutlich. Die Kritik an der Aneignung afroamerikanischer Kultur und der Vermarktung von Körperidealen verweist auf die komplexen Verflechtungen von Kultur, Geschlecht und Macht. Im Dialog zwischen Kim und einer Journalistin wird deutlich, wie Kardashian die «amerikanische Paranoia um kulturelle und geschlechtliche Identität» zu ihrem persönlichen und finanziellen Vorteil nutzt, ohne politisch Stellung zu beziehen. Kardashian antwortet: «Ich, als Mutter von vier Kindern, von 4 mixed raced Kindern, die ich in einem weissen L.A. der Neunziger aufgewachsen bin, sage euch: es war einsam. Damals habe ich Shapewear immer in der Badewanne mit meinen blossen Händen eingefärbt, mit Kaffeefiltern und Teebeuteln, um auf den genau richtigen Ton für meine Haut zu kommen.»
Die 29-jährige Nairi Hadodo steht eineinhalb Stunden allein auf der Bühne und hält die Spannung bis zum Schluss. Sie hat das Stück selbst geschrieben, tanzt und singt. Wie Kardashian bewegt sich Hadodo in verschiedenen Rollen. 15 Mal wechselt sie während des Stücks ihr Outfit, was auch ein Stilmittel ist, um die verschiedenen Facetten des Lebens von Kim Kardashian zu zeigen. Auf dem Laufsteg tritt sie in Haute-Couture auf, lächelt in die Kameras und winkt den Journalist*innen und ihren Fans zu. Zu Hause trägt sie einen grauen Trainingsanzug und singt ihren Kindern ein Schlaflied vor.
Breaking News
Irgendwann wird es dunkel im Saal. Kim verschwindet von der Bühne. Stattdessen prangt in roter Leuchtschrift +++ BREAKING NEWS +++ über der Bühne, im Hintergrund sind aufgebrachte Journalist*innen zu hören. «Kim Kardashian was robbed in her Paris hotel room», dazwischen Kardashians verzweifelte Stimme. Der glamouröse Filter, der zuvor sowohl das Bühnenbild als auch Kardashians Auftritt geprägt hatte, fällt nach dieser Szene. Statt in High Heels und schillerndem Paillettenkleid erscheint Kim in Leggings, barfuss und einem viel zu grossen weissen Hemd.
Tatsächlich wurde Kardashian 2016 in einem Hotelzimmer in Paris überfallen. Ihr wurde Schmuck im Wert von mehreren Millionen Dollar gestohlen. Während Kardashian diesen Überfall später in Interviews als tiefen Einschnitt beschrieb, stürzten sich die Medien empört auf die Frage, wie Kardashian zu einem solchen Vermögen gekommen sei.
Schattenseiten des Lebens
Diese Szene verdeutlicht wie keine andere die Verletzlichkeit hinter Kardashians vermeintlichem Selbstbewusstsein. Sie zeigt die Schattenseiten eines Lebens in der Öffentlichkeit. Kim Kardashian erscheint allein auf der Bühne und verlässt sie am Ende auch allein – ein Symbol dafür, dass das Leben in der Öffentlichkeit zwar aufregend und glamourös sein kann, am Ende aber sehr einsam macht.
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«Kim» spielt bis zum 22.3. auf der kleinen Bühne. Interessant für Menschen ab 16 Jahren, schreibt das Theater Basel.
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