Manor räumt Fehler bei Testkäufen ein

Manor liess diese Woche ihre Angestellten ausspionieren und namentlich registrieren. Das Kaufhaus verspricht jetzt, beim Datenschutz nachzubessern. Bei den Angestellten herrscht trotzdem schlechte Stimmung.

Manor Filiale
«Haben Sie die Manor-Karte?» – diese Frage sollen die Verkäufer*innen jedes Mal stellen. (Bild: KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Jacqueline* fühlt sich schlecht. Sie arbeitet bei Manor und ist nur unter Zusicherung der Anonymität bereit, mit Bajour zu sprechen. Bei ihrer Arbeitgeberin wurden Anfang der Woche die Mitarbeiter*innen heimlich überwacht. Bei jedem Verkauf müssen Jacqueline und ihre Kolleg*innen die Kund*innen fragen: «Haben Sie die Manor-Karte?» Und das auch, wenn jemand nur etwas Kleines, wie zum Beispiel Gummischlangen für 2.50 Franken, kauft.

Manor kontrollierte Anfangs Woche mittels Hobbydektiv*innen, ob sie es auch wirklich tun – fürs Spionieren gab's 20 Franken. Das hat Bajour diese Woche bekannt gemacht

Bei Jacqueline kommt das nicht gut an. Sie wisse schon, dass Manor ein bis zweimal pro Jahr Testkäufer*innen vorbeischickt, «um zu schauen, ob wir gut beraten». Aber: Normalerweise werden Jacqueline und die anderen Verkäufer*innen vorher informiert. «Dass Manor diesmal Testkäufer schickt und kontrolliert, ob wir nach der Kundenkarte fragen, wusste ich nicht. Darauf werde ich jetzt noch mehr achten», sagt Jacqueline.

«Ich fühle mich als Angestellte nicht wertgeschätzt.»
Jacqueline*, Mitarbeiterin Manor

Die Gefühlslage der Verkäuferin gegenüber Manor ist eindeutig: «Ich fühle mich als Angestellte nicht wertgeschätzt.» Sie und ihre Kolleg*innen würden ohnehin sehr streng für ihre Leistung bewertet und bekämen oft gesagt, sie müssten besser werden. «Und jetzt werden wir auch noch beobachtet. Das geht nicht auf.»

Gerade punkto Manor-Karte sei der Druck hoch, erzählt Jacqueline. «Uns wird immer wieder gesagt, dass wir Kund*innen auffordern sollen, eine Karte machen zu lassen.» Manor zählt mit, welche Verkäufer*innen wie viele Karteninhaber*innen akquirieren. «Erst vergangene Woche sagten die Chefs mir und meinen Kolleg*innen, dass unsere Etage in letzter Zeit zu wenig neue Kundenkarten abgeschlossen hätte.» 

Die Kaufhaus-Angestellte kann das so nicht ganz nachvollziehen. «Für mich ist es wichtiger, dass die Kunden zufrieden sind», sagt Jacqueline. «Dann kommen sie auch wieder. Und nicht unbedingt, weil sie eine Kundenkarte haben.» Zudem schätze es nicht jede*r, auf die Karte angesprochen zu werden.

«Arbeitgeber*innen müssen ihre Arbeitnehmer*innen informieren, dass Testkundschaft kommt und wofür. Das hat Manor offenbar nicht gemacht.»
Anne Rubin, Gewerkschafterin Unia

Das kann Anne Rubin, Verantwortliche Detailhandel bei der Gewerkschaft Unia, bestätigen: «Es ist häufig nicht sinnvoll, Leute, die für zwei Franken etwas kaufen, nach der Kundenkarte zu fragen.» Die Verkäufer*innen seien genügend professionell und feinfühlig, um zu sehen, was im Moment kundenfreundlich ist und Erfolgschancen hat. «Es ist sehr schade, dass Manor nicht respektiert, dass Verkäufer*innen auch genau dafür ausgebildet sind.»

Für Anne Rubin ist davon abgesehen nicht akzeptabel, dass Manor-Angestellte wie Jacqueline nichts von den «Mystery Shoppern» wussten. «Arbeitgeber*innen müssen ihre Arbeitnehmer*innen informieren, dass Testkundschaft kommt und wofür. Das hat Manor offenbar nicht gemacht», sagt sie. Es sei ausserdem «total unverhältnismässig», dass der Name der Kassiererin auf dem Kassenzettel erkennbar sein muss beim Hochladen.

Zur Erklärung: Die Hobbyspion*innen waren angehalten, Manor nach dem Testkauf via App die Kassenzettel zukommen zu lassen, auf denen die Namen der jeweiligen Kassierer*innen zu sehen sind. Dieses Vorgehen sorgte bei der eidgenössischen Datenschutzbeauftragten Silvia Böhlen für Kritik. Gegenüber Bajour sagte sie: «Es liegt sehr wahrscheinlich eine unverhältnismässige Datenbearbeitung vor.» Sie bezweifelt, dass es sich im aktuellen Fall um die vom Gesetz vorgeschriebene mildeste Massnahme handle.

Manor Testkauf Quittung
Manor lässt Mitarbeiter*innen ausspionieren – gegen ein Taschengeld

Wer für Manor überprüft, ob die Verkäufer*innen nach der Kundenkarte fragen, bekommt 20 Franken. Wir von Bajour haben es ausprobiert.

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Diese Kritik ist bei Manor angekommen – das Unternehmen hat beim Datenschutz nachgebessert. Manor teilt in einer Stellungnahme vom 2. Juni mit, es sei nie das Ziel gewesen, personenbezogene Informationen auszuwerten. «Wir haben den Vorgang mit der zuständigen Agentur nicht gut genug aufgesetzt, dies wurde nun korrigiert.» Die Namen der Mitarbeiter*innen auf den Kassenzetteln würden neuerdings «geblurrt» und es erfolge die Anweisung für die Testkäufer*innen, die Namen auf den Kassenbons unkenntlich zu machen.

Manor schreibt auch, dass «Mystery Shopping» eine gängige Form der Leistungsüberprüfung im Detailhandel sei. «Manor nutzt diese Form jedoch nur punktuell, um ihren Service weiter zu verbessern.»

«Wir haben den Vorgang mit der zuständigen Agentur nicht gut genug aufgesetzt, dies wurde nun korrigiert.»
Manor

Gewerkschafterin Anne Rubin anerkennt, dass verdeckte Testkäufe eine übliche Praxis in der Branche sind. «Allerdings eine mit negativen Auswirkungen aufs Personal, weil die Mitarbeiter*innen unter Druck gesetzt werden», sagt sie und fügt hinzu: «Allgemein steigt der Druck, wenn die Gefahr da ist, dass man von allen denunziert werden kann.» Genau das ist beim aktuellen «Mystery Shopping» anfangs der Fall gewesen – jede*r, der bei der App registriert ist, konnte und sollte Kassierer*innen ausdrücklich namentlich melden. 

Rubin zeichnet auch sonst kein gutes Bild von Manor als Arbeitgeberin. «Bei Manor kennen wir das schon lange, die Angestellten beklagen sich über Druck, sie mussten mehr Arbeitszeit (eine zusätzliche Stunde pro Woche) akzeptieren.» Zudem steige der Druck, weil es viele Entlassungen gibt. Verschiedene Manor-Mitarbeiter*innen würden sich beklagen wegen «misstrauischen Verhaltens innerhalb der Firma». Zu diesen Vorwürfen wollte Manor keine Stellung nehmen.

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*Name geändert

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Samuel hat als Lokal- und Datenjournalist bei «20 Minuten» und der «bz Basel» gearbeitet, ehe er als Gründungsmitglied zu Bajour wechselte. Er prägte den Start des «Basel Briefings» und hat mehrere Crowd-Recherchen wie «wem gehört Basel?» verantwortet. Zusammen mit dem Datenjournalismus-Team von SRF hat er für Bajour übers Schwingen recherchiert und wurde 2023 mit dem «Swiss Press Award» ausgezeichnet. Seit 2024 gehört er der Geschäftsleitung an und kümmert sich um Marketing und Produktentwicklung.

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Das ist Ina (sie/ihr): Nach journalistischen Stationen u. a. in Bremen (Volontärin, Weser-Kurier) und Berlin (Redaktorin am Newsdesk, ntv.de) hat es Ina mitten in der Corona-Pandemie zu Bajour verschlagen. Dank Baseldytsch-Kurs hat sie sich schnell dem Dialekt der Einheimischen angenähert – ihre Mundart-Abenteuer hält sie regelmässig im Basel Briefing fest. Seit April 2023 ist Ina Chefredaktorin und im Wochenkommentar «Bullwinkels Blickwinkel» teilt sie einmal die Woche ihre Meinung zu aktuellen (meist politischen) Themen.

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