Marktmissbräuchliche Praxis in der Liestaler «Höli»
Wie schlaumeierisch dürfen staatliche und halb-staatliche Unternehmen die Verbraucher*innen schröpfen? Die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) büsst die Betreiber der Liestaler Bauschuttdeponie Höli AG mit einer Millionenstrafe für marktmissbräuchliches Verhalten.
Seit Jahren droht in der Region Basel ein Deponie-Notstand für Bauschutt. Die Bauwut der letzten Jahre produzierte so viel Schutt und Geröll wie noch nie. Der Trend ist ungebrochen. Das Verfüllen von eigens geschaffenen Bauschuttdeponien ist billiger als die Recyclierung und Wiederverwertung von dem, was nach einem Aushub und Häuserabbruch übrig bleibt – und etwa als Kies und Betonbestandteil wieder verwertet werden könnte. Es gab immer wieder Anläufe, das Recycling zu fördern und die Schuttströme einzudämmen, aber diese wurden mit schöner Regelmässigkeit von Bau- und Deponiekreisen abgeschossen.
Lachende Dritte dieser Entwicklung sind die Eigentümer der sogenannten Inertstoffdeponien in der Region Basel. So ersetzte im Jahr 2010 die Deponie «Höli» bei Liestal die benachbarte Deponie Lindenstock, die 1994 aufgefüllt war und für die die Bürgergemeinde Liestal, als Land- und Waldeigentümerin, nach einer Nachfolgelösung Ausschau gehalten hatte. Die Lagerstätte hinter dem Schleifenberg im «Höli»-Täli war dann überaus rasch aufgefüllt: Statt bis 2045, wie geplant, reichte der Deponieraum knapp bis Mai 2021. Zugleich erwies sich die «Höli» als Goldgrube und spülte der Bürgergemeinde Jahr für Jahr drei bis vier Millionen Franken in die Kassen. Von ihrem «Erfolg» waren nicht zuletzt die Liestaler selbst überrascht, was im Sommer 2021 zu chaotischen Szenen führte, als die Bauschuttanlieferung kurzfristig gestoppt werden musste. Eine Erweiterung der Deponie sollte Abhilfe schaffen, wogegen der WWF beider Basel eine Beschwerde einreichte, die aber abgeschmettert wurde.
Deponie «Höli» oder Räuber-«Höli»?
Wieso sich die Deponie so schnell gefüllt hat, ist bis heute nicht ganz klar. Aber die im Verhältnis zur Recyclierung (zu) tiefen Deponiegebühren sind und waren den Befürworter*innen der Wiederverwertung und den Regierungen beider Basel schon lange ein Dorn im Auge. Gerüchteweise war auch von Dumpingpreisen zu hören. Im Mai 2021 äusserte sich der Baselbieter Regierungsrat erstmals kritisch. Er antwortete auf eine Anfrage des «Mitte»-Politikers Simon Oberbeck, der die Spatzen pfeifen gehört hatte. Er stelle fest, «dass das bisherige Betreibermodell der Deponie Höli zu Wettbewerbsverzerrungen geführt hat».
«Da das Unternehmen über eine marktbeherrschende Position verfügt, ist dieses Verhalten unzulässig»Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko)
Zu Diskussionen hatte Anlass gegeben, dass die «Hölemer» trotz Überfüllung und trotz Deponiesperrung einige wenige Unternehmen ihren Bauschutt zu mutmasslich günstigen Preisen weiterhin abladen liessen. Dabei trat ein Unternehmenskonstrukt zutage, das bisher nur wenigen aufgefallen war: Die Bürgergemeinde hatte den Betrieb der Deponie an eine Aktiengesellschaft mit ihr, dem Bauunternehmen Ziegler AG, der Surer Kipper Transport AG sowie der Wirz Immobilien und Beteiligungen AG ausgelagert, wie der Homepage der Deponie zu entnehmen ist.
Wettbewerbskommission schaltet sich 2021 ein
Hellhörig geworden, schaltete sich im Juni 2021 die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) ein. Sie eröffnete eine Untersuchung mit Verdacht auf Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung. Das Untersuchungsergebnis präsentierte sie am Montag. Im Urteil der Weko bevorzugte die Deponie Höli Liestal AG ihre Aktionär*innen gegenüber anderen Unternehmen «jahrelang». «Da das Unternehmen über eine marktbeherrschende Position verfügt, ist dieses Verhalten unzulässig». Die Weko spricht eine Busse von einer Millionen Franken aus, deren Höhe gegenüber den vielen Einnahmen aus der Deponie gerechtfertigt sei.
Wer von den Partnern der Deponie Höli AG welche Risiken trägt und welche Gewinne abgarniert, bleibt auch nach dem Weko-Urteil unbekannt. Klar ist, dass ein Unternehmen der Bürgergemeinde, also einer staatlichen Institution, hier wenige Firmen willkürlich profitieren liess, und andere nicht, und im Kreis der Mitaktionäre kräftig mit absahnte. Zugleich unterliefen die Liestaler*innen mit ihren verhältnismässig günstigen Tarifen die politischen Bestrebungen beider Basel, eine wirksame Recycling-Strategie für Bauschutt auf die Beine zu stellen, was der Regierungsrat ja schon vor zwei Jahren bemängelt hatte.
Am Montag versprach Bürgerratspräsident Franz Kaufmann jedenfalls Aufklärung und eine «Analyse» des Weko-Urteils, ansonsten gab es bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme aus der Residenz. Kaufmann hat das Amt allerdings erst seit Kürzerem inne. Wie den Weko-Unterlagen zu entnehmen ist, war es Kaufmann, der mit einer Selbstanzeige bei der Weko vorstellig wurde und nicht, wie gerüchteweise kolportiert, der Kanton als Aufsichtsorgan für den Deponiebetrieb. Die Weko beurteilte die Selbstanzeige denn auch als bussmildernd – ein Anfang für dringend nötige Transparenz.
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