Niederschwellig gegen die Wegwerfgesellschaft
Kaputte Gegenstände bei der Entsorgungsstelle spenden, reparieren lassen und sie funktionsfähig wieder zurück in den Umlauf bringen: Diese Idee aus Bern inspiriert SVP-Grossrat Beat Schaller, den Regierungsrat ein ähnliches Projekt in Basel prüfen zu lassen.
Hand aufs Herz: Wie oft hast du schonmal etwas entsorgt, obwohl es nur leicht defekt war? Ein Mixer mit einem kaputten Kabel, eine Tasche mit einem abgerissenen Griff? Viele Gegenstände landen bei einer Entsorgungsstelle, obwohl sie mit wenig Aufwand noch gebraucht werden könnten. Um dem entgegenzuwirken, gibt es in Basel bereits Initiativen wie die Rep-Statt in der Markthalle oder Repair-Cafés, bei denen man Gegenstände zur Reparatur vorbeibringen kann.
Geht es nach SVP-Grossrat Beat Schaller, könnte sich der Kanton künftig auch dem Thema annehmen. Schaller ist nämlich auf ein Pilotprojekt in Bern aufmerksam geworden, bei dem die Bevölkerung auf den Entsorgungshöfen Gegenstände spenden kann, statt sie zu entsorgen. «Ich finde das so sinnvoll», sagt Schaller. Er hat deshalb einen entsprechenden Vorstoss für Basel lanciert, der voraussichtlich diese Woche im Grossen Rat besprochen wird. Der Regierungsrat soll prüfen, ob in Basel ein Projekt à la Berner Vorbild auch möglich wäre. «Wir sind eine Wegwerfgesellschaft», sagt Schaller. «Mein Vorstoss ist ein niederschwelliger Versuch, etwas dagegen zu machen.»
In Bern funktionierte es so: Auf zwei Entsorgungshöfen gab es eine Stelle, bei der man nur leicht beschädigte Gegenstände abgeben konnte. Ein Startup prüfte und reparierte die geeigneten Sachen und ein Arbeitsintegrationsunternehmen verkaufte sie Second Hand via Ricardo. «Win-Win», findet Schaller: «Einerseits kommen brauchbare Sachen wieder in den Umlauf. Andererseits kann man damit Leuten eine Beschäftigung geben.» Wie in Bern möchte Schaller, dass so ein Projekt in Basel nicht gewinnorientiert wäre. «Wenn dann mal ein paar Franken rausschauen, kann man die für eine gemeinnützige Organisation spenden, daran muss niemand etwas verdienen.»
Wie läuft es denn beim Vorbildprojekt in der Hauptstadt? Werner Grossen von Entsorgung + Recycling Bern ist Stand heute «sehr zufrieden» mit dem Berner Pilotprojekt: «In der Zeit zwischen Mitte August bis Ende Jahr sind etwa 600 Produkte gespendet worden» – vom Racletteöfeli über Spielzeuge bis zu Lampen oder Nachttischchen. «Überraschend war für uns, dass etwa 45 Prozent dieser Sachen voll funktionsfähig waren, ohne dass sie repariert werden mussten.» Die Nachfrage sei da «und auch die Aufbereitung war in den meisten Fällen leicht umsetzbar.»
Einzig über den Wiederverkauf der gespendeten Sachen könne er noch keine verlässlichen Aussagen machen, sagt Grossen. «Die Datenbasis für Aussagen zur Akzeptanz am Markt für reparierte oder aufbereitete Artikel ist noch zu gering.» Das Pilotprojekt sei deshalb bis Ende März 2024 verlängert worden. Die Berner Fachhochschule soll bis dahin solche Daten liefern, auch der ökologische Nutzen des Projekts wird in die Auswertung miteinbezogen. «Grundsätzlich ist das bisherige Fazit positiv. Wir denken auch darüber nach, das Projekt definitiv einzuführen. Dabei ist auch eine Ausdehnung auf andere Regionen vorstellbar.» Dass sich Basel etwas von diesem Pilotprojekt abschauen könnte, überrascht ihn nicht. «Unter dem Titel Kreislaufwirtschaft laufen zurzeit an diversen Orten Bestrebungen, geeignete Projekte zu initiieren – nicht nur aus der Politik, sondern auch von den Städten und Gemeinden.»
Schallers Vorstoss findet in allen Fraktionen Zuspruch. «Ich erwarte, dass das mit breiter Unterstützung an den Regierungsrat überwiesen wird», sagt er. Grossrät*innen bis weit nach links haben seinen Vorstoss unterzeichnet. Für sie spiele in diesem Fall die Parteizugehörigkeit keine Rolle, sagt Mitunterzeichnerin Michela Seggiani von der SP. «In den Bereichen Klima, Umwelt und zukunftsgerichtetes Wirtschaften sind wir alle gefordert, auch der Staat, deshalb unterstütze ich den Vorstoss gerne. Es geht ja vorerst einfach einmal darum, dass die Regierung prüft.»
Wenn es dann um die definitive Ausarbeitung des Projekts gehe, wären sicher noch viele Details zu klären, sagt Seggiani. Da sei sie auch gespannt auf die Resultate aus dem Pilotprojekt in Bern. «Wichtig finde ich in diesem Fall, dass das Projekt von der Einzelperson nicht viel Engagement braucht – und trotzdem alle sich beteiligen und im Kleinen etwas beitragen können.»
Bei der Lottner AG, die den Recyclinghof an der Schlachthofstrasse betreibt, könnte man sich «theoretisch so ein Projekt vorstellen», schreibt der Geschäftsführer Jean Keller auf Anfrage. «Allerdings gibt es dazu verschiedene Aspekte, die geprüft und geklärt werden müssten. Für Bücher könnten wir uns beispielsweise vorstellen, eine Tauschecke einzurichten. Damit würden wir die Möglichkeit bieten, Bücher in Selbstbedienung abgeben und mitnehmen zu können.» Es komme «natürlich immer wieder mal vor», dass sogar noch voll funktionsfähige Gegenstände bei ihnen entsorgt würden. «Wenn immer möglich» würden die Wertstoffe von den Mitarbeitenden zurück in den Stoffkreislauf gebracht.
Falls sich der Regierungsrat der Sache annimmt, werden vielleicht künftig ganze Toaster, Rollkoffer oder Playstations nach kleiner Aufbereitungsarbeit zurück an die Basler*innen gebracht.
Unterstützt du unseren unabhängigen Lokaljournalismus als Member?