Mit den Basler*innen ist nicht gut Parkplätze schützen – ausser in Riehen

Die Stimmbevölkerung will keine günstigen Parkplatzgebühren auf städtischem Boden. Aber die Hörnli-Parkplätze will sie auch nicht abbauen. Ein Kommentar.

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Die Quartierparkkarten kosten weiterhin 284 Franken pro Jahr. Die Basler Stimmbevölkerung ist dagegen, mit dem Preis runter zu gehen, wie das Verkehrsverbände ACS und TCS mit Unterstützung der Bürgerlichen forderten.

Das Abstimmungsresultat zeigt: Die Mehrheit der urbanen Basler Bevölkerung will den knappen städtischen Raum nicht Autos überlassen, die rumstehen. Im Gegenteil: Sie will weniger Verkehr. Das bewies sie schon im Februar 2020, als sie mit aller Deutlichkeit beschloss: Bis 2050 dürfen in Basel-Stadt keine Benziner mehr fahren. Dieses Mal fiel das Resultat jedoch deutlich knapper aus:

Hätte auch deutlicher sein können: 56 Prozent waren gegen «erschwingliche Parkgebühren»
Das Resultat hätte auch deutlicher sein können.

Die Regierung hat damit grünes Licht erhalten, ihre Strategie fortzusetzen: Parkplätze im öffentlichen Raum verteuern und verknappen. 

Ein enttäuschter Christian Greif vom Automobilclub ACS befürchtet nun: «Die Regierung wird die Gebühren der Quartierparkkarten bald massiv erhöhen.» Die jetzige Verkehrspolitik sei «unfair» und richte sich «einseitig» gegen den motorisierten Individualverkehr.

Das Votum der Verkehrsdirektorin Esther Keller dürfte Greif nicht wirklich beruhigen, sie sagte angesichts des Abstimmungsresultats: «Kurzfristig ist eine Erhöhung der Parkgebühren keine Option. Wir werden die Gebühren erst mittelfristig anpassen.» Ausserdem müsse man jetzt mit den Quartierparkings vorwärts machen. 

Unterirdische Parkings werden schon seit Jahren als Ersatz für die aufgehobenen Parkplätze auf der Allmend gehandelt. Nur: Das ist nicht so einfach. Investor*innen zogen sich unlängst beim geplanten Landhof-Parking zurück und beim angedachten Tschudiparking sorgten Anwohner*innen mit Einsprachen für einen Marschhalt. Ein Referendum aus den betroffenen Quartieren ist vorprogrammiert.

Mit der urbanen Bevölkerung ist also nicht gut Parkplätze bauen. Anders sieht es in den ländlicheren Gemeinden Riehen und Bettingen aus: Beide stimmten für die Senkung der Quartierparkkgebühren. Und sie stoppten auch, mit Unterstützung eines bedeutenden Teils der städtischen Bevölkerung, den Abbau von 48 Parkplätzen auf dem Hörnli, über den wir am Sonntag ebenfalls abstimmten. Der Vorplatz des Friedhofs hätte umgestaltet werden sollen, statt Parkplätze wollte die Mehrheit des Grossen Rats Bäume pflanzen. Die Riehener und Bettinger Bevölkerung hat das Referendum dagegen unterstützt, Basel hat die Umgestaltung äusserst knapp angenommen (26’523 Ja gegen 25’040 Nein).

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Woher das knappe Resultat?

Der Riehener Grossrat Daniel Albietz von der EVP glaubt, viele Basler*innen hätten sich mit den Riehener solidarisiert und sich gesagt: «Das geht doch nicht, dass die Stadt Basel sich einfach über die Interessen der Riehener hinwegsetzt.» Die Mehrheit des Grossen Rats hatte den Vorschlag – gegen den Willen der Regierung und ohne den Riehener Gemeinderat anzuhören – auf Initiative der Verkehrskommission durchgedrückt. Und ist gescheitert. 

Doch es ging wohl nicht nur um das Selbstbestimmungsrecht der Riehener*innen. Der Widerstand kam auch von Linken aus der Stadt. Etwa aus Migrant*innenkreisen, die fürchteten, ihre anreisenden Familien würden bei Begräbnissen keinen Parkplatz finden. 

Am Ende hat das Resultat aber auch etwas mit Einfühlsamkeit und Respekt zu tun. Viele Basler*innen werden gedacht haben: Muss man gerade auf dem grössten Friedhof der Schweiz Parkplätze abbauen? Im Trauerfall hat wohl niemand Lust, mit dem Lastenvelo anzureisen. 

Die Regierung muss also nochmals über die Bücher. Vor dem Friedhof Hörnli müssen weiterhin Leitungen saniert werden. Verkehrsdirektorin Esther Keller: «Wir werden den Kontakt mit Riehen suchen und allenfalls den Regierungsvorschlag noch einmal hervorholen.» Dieser kommt praktisch ohne Parkplatzabbau aus.

Sicher ist: Die Bevölkerung im Kanton wird weiterhin über Parkplätze streiten. Die Stimmbeteiligung bei den Parkplätzen war sogar grösser als bei der Ehe für alle.

Einige (besonders Linke) haben das Verkehrsthema satt und machen sich gerne lustig über die Wünsche der Autolobby. Aber eigentlich überrascht es nicht, dass Verkehr so in die Emotionen geht. Die Städte befinden sich im Umbruch. Einerseits ist der Platz knapp, andererseits droht der Klimawandel. Die Städte werden sich voraussichtlich extrem verändern. Für eine Mehrheit der Stadtbasler*innen ist die Richtung klar: weniger Verkehr und mehr grün. Aber nicht alle wollen das so. Und die wehren sich, auch wenn sie immer wieder unterliegen (und hin und wieder auch gewinnen). Das ist okay, dafür ist die Demokratie ja da.

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