Nur ein Teebecher gibt den Obdachlosen kurz Wärme
Alle sind im Homeoffice, nur die Obdachlosen können nirgends hin und frieren auf der Strasse. Claudia Adrario de Roche von Soup&Chill schlägt Alarm.
Die Läden sind seit heute zu, die Menschen sollen zu Hause bleiben und sitzen, wenn möglich, im Homeoffice. Nur für Obdachlose ändert sich nichts: Sie sind auf der Strasse. Und bleiben auf der Strasse. Denn sie können nirgends hin. Claudia Adrario de Roche vom Soup&Chill kann das nicht verstehen: «Es ist bitterkalt, aber die Politik macht nichts», so de Roche. Gerade von der Linken hätte sie mehr erwartet: «Was nützt ein Schlafsack noch, wenn er nass ist?», sagt sie.
Die Obdachlosen würden krank in der Kälte, hätten Bronchitis und andere Winterkrankheiten.
Das Problem: Es gibt zwar Angebote, wie die Suppenküche Soup&Chill. Aber laut de Roche sind es zu wenig. Das Soup&Chill sei deshalb überfüllt. Erst gestern Abend sei sie vor Ort gewesen:
«Die Obdachlosen klammerten sich an den warmen Bechern, weil sie nichts anderes haben, was sie den Tag durch warm hält. Viele sind nicht in erster Linie da, um etwas zu Essen zu bekommen, sondern um für ein paar Stunden der Kälte zu entkommen.»
«Die Armutsbetroffenen werden nicht in die Corona-Massnahmen einbezogen»Claudia Adrario de Roche, Soup&Chill
Etwa 120 Menschen waren da, schätzt de Roche. Es seien auch schon mal 155 gewesen. Im November waren es im Schnitt noch 88 Besucher*innen pro Abend. Und auch das seien schon zwanzig Besucher*innen mehr, als sie normalerweise zählten. «Abstand halten gestaltet sich dann als ziemlich schwierig», sagt de Roche.
«Die Armutsbetroffenen werden nicht in die Corona-Massnahmen einbezogen», sagt sie. De Roche ist besorgt und sichtlich enttäuscht vom «sozialen Basel». Es mache sie traurig, dass in der Krise die Ärmsten vergessen werden.
Warum nicht ins Hotel?
Übernachten kann man im Soup&Chill und vielen anderen Anlaufstellen nicht. Jetzt hat de Roche der Regierung einen Brief geschrieben und konkrete Lösungsvorschläge präsentiert. Sie fordert, dass die Notschlafstellen ihre Tore öffnen und alle bedürftigen Menschen aufnehmen. Die Notschlafstelle verlangt für Auswärtige nämlich vierzig Franken pro Nacht. In Basel angemeldete Personen zahlen 7.50 Franken.
Doch das reiche nicht, de Roche fordert noch weitere Unterkünfte: «Es muss alles kleingliedriger werden. In Massenunterkünften, wie in einem Zivilschutzbunker zum Beispiel, können sich die Menschen nicht gut genug vor Corona schützen. Warum bringt man sie nicht in den ganzen leeren Hotelzimmern unter? Davon würden alle profitieren. Die Hotels und die bedürftigen Menschen», sagt de Roche.
«Wir haben genügend Kapazitäten.»Rudolf Illes, Leiter Sozialhilfe Basel
Rudolf Illes, Leiter der Sozialhilfe Basel, widerspricht de Roche vehement: «Aktuell bestehen unserer Meinung nach genügend Angebote. Wir beobachten selbstverständlich die weitere Entwicklung sehr aufmerksam und halten uns bereit, bei Bedarf rasch ergänzende Massnahmen zu prüfen und umzusetzen». Die Behörden hätten die Obdachlosen nicht vergessen. Im Gegenteil: Seit März 2020 seien sie darum bemüht, zusammen mit den Organisationen Corona-konforme Lösungen anzubieten.
Anlaufstellen gäbe es genug, sagt Illes. Da wäre zum Beispiel die Gassenküche, die seit Corona auf Take-Away umgestellt, aber für Obdachlose den Grossen Saal der Pfarrei St. Clara geöffnet hat, damit sie dort morgens und abends im Warmen essen können. Im Treffpunkt Gundeli gibt’s weiterhin das Mittagsmenü wie gehabt. Die Besucher*innen werden aber gestaffelt reingelassen.
Auch zum Übernachten sei genug Platz da. «In der Notschlafstelle sind nur 50 Prozent der Betten besetzt. Wir haben genügend Kapazitäten. Sollten sich mehr Leute melden, besteht die Möglichkeit, dass wir kurzfristig weitere Räumlichkeiten anmieten können.»
Und in Krankheitsfällen? «Für erkrankte Menschen, die keine Wohnung haben und sich in Quarantäne oder Isolation begeben müssen, stehen schon seit April dieses Jahres Zimmer zur Verfügung. Bisher hatten wir aber erst eine erkrankte Person im Dezember und drei Personen die bis zum Testergebnis in Quarantäne mussten», sagt Illes.
«Schrecklich», findet das de Roche. «Sollen Obdachlose etwa darauf hoffen, krank zu werden, damit sie weg von der Strasse kommen?»
Illes würde das Problem ja selbst auf den Punkt bringen, sagt de Roche. Die Angebote, wie der Treffpunkt im Gundeli, seien eingeschränkt. «Weniger Menschen können sie kürzer nutzen. Sie müssen darum ausgebaut werden.»