Ohne Haag kein Gärtli

Die Basler Schrebergärten sollen für die Öffentlichkeit zugänglicher werden. Das gibt zu reden. Pächter*innen auf dem Areal Milchsuppe finden’s gar nicht so schlimm – solange ihr Gärtli eingezäunt bleiben.

Milchsuppe Strasse
Offenes Tor: Bei den Freizeitgärten Milchsuppe gibt es schon heute einen Weg, der tagsüber öffentlich zugänglich ist. (Bild: Michelle Isler)

An diesem sonnigen Donnerstagnachmittag im März ist auf dem Freizeitgartenareal Milchsuppe nicht viel los. Vor allem ältere Menschen gehen in Ruhe der Gartenarbeit nach oder sitzen in der Sonne und betrachten ihre grünen Oasen.

Auf politischer Ebene ist es deutlich lauter um die Schrebergärten. Zwar hat der Grosse Rat mit deutlichem Mehr einer Revision des Freizeitgartengesetzes zugestimmt. Dagegen wehren sich aber sowohl die BastA! als auch die SVP. Beide haben ein Referendum angekündigt.

Darum geht's

Die Nachfrage nach Rückzugs- und Freiräumen ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Rund 1700 Personen stünden derzeit auf der Warteliste für einen Garten – vor Corona waren es im Schnitt 600, schreibt die Bau- und Raumplanungskommission in ihrem Bericht zur Gesetzesrevision.

Diese Revision sieht die Schaffung von öffentlichen Bereichen und Wegen vor, zudem sollen formelle Abläufe effizienter, die Rollenverteilung der Involvierten klar und Regelungslücken beseitigt werden. Der Grosse Rat hat dieser Revision am 23. März mit 74 zu 16 Stimmen bei drei Enthaltungen zugestimmt.

«Mit der Öffnung werden geschützte Gartenareale künftig zu Durchquerungsrouten für jedermann», das führe zu Lärm- und Abfallproblemen, befürchtet die SVP. Und die BastA! hat Angst, dass mit der Revision weitere Familiengärten verschwinden. Das Ganze geschehe nicht auf Augenhöhe mit den Vereinen oder Pächter*innen. 

Kommt das Referendum durch, entscheidet das Stimmvolk über die Gesetzesrevision. 

Bei unserem Besuch in den Freizeitgärten Milchsuppe ist die geplante Öffnung Gesprächsthema Nummer 1. Hier gibt es bereits einen tagsüber geöffneten Weg für die Öffentlichkeit, der in einer schnurgeraden Linie quer durchs Areal führt. Wir erkundigen uns bei Pächter*innen mit Gärten an diesem Weg, was sie von der aktuellen politischen Diskussion halten.

«Wie Heuschrecken»

«Ich habe es vorhin gelesen», sagt Harun Koc (72), zeigt auf die Zeitung auf seinem Tisch und ruft die Frau aus dem Nachbarsgarten herbei, eine Journalistin sei hier. Koc erklärt: «Ich finde das blöd. Also wenn sie jetzt hier alles aufmachen, dann kommt einer nach dem anderen und nimmt von unserem Zeug.» 

  • Harun Koc Milchsuppe

    Harun Koc mit seiner Topinambur-Ernte.

  • Johanna Mentil Milchsuppe

    Johanna Mentil fühlt sich in ihrem Garten zuhause.

Koc und die mittlerweile dazugestossene Nachbarin Johanna Mentil (69) führen auf einem Kiesweg ins Innere der Anlage, wo nur Zugang hat, wer im Besitz eines Schlüssels ist. «Vor ein paar Jahren hatten wir viele Einbrüche», erinnert sich Mentil, die schon seit 35 Jahren hier ihren Garten bewirtschaftet. Jetzt macht sie sich Sorgen, dass mit der geplanten Öffnung Zugangstore und Zäune entfernt werden könnten und sich Einbrüche wieder häufen könnten. Auch Koc sagt kopfschüttelnd: «Ich bin jetzt 26 Jahre hier. Wenn das so ist, dann gebe ich auf.» 

Dass es allerdings nicht so weit kommen wird, betont Jeremy Stephenson (LDP), der die BRK präsidiert (Regionaljournal, ab 16:18): «Dass quasi die Basler Bevölkerung wie Heuschrecken sich in den Freizeitgärten niederlassen, die Kopfsalate stehlen und die Erdbeeren fressen – das ist Fake News, das ist schlichtweg falsch informiert.»

Und auch der Bericht der Bau- und Raumplanungskommission sagt es deutlich: «Aufgrund der persönlichen Gegenstände in den privaten Gärten, werden diese auch künftig von Zäunen umschlossen sein. Wege und Spielplätze sollen in einigen Freizeitgarten-Arealen hingegen ausgezäunt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.»

Schnädere und Spässli mache

Koc und Mentil sind sich einig: Wenn die öffentlichen Wege umzäunt sind, ist ihr Unmut besänftigt. Kocs Garten liegt ja schon an einem öffentlich zugänglichen Weg. Wer vorbeispaziert, kann Koc beim Gärtnern oder Grillieren zuschauen. Das wiederum stört ihn überhaupt nicht.

«Weisch, ich due ab und zue gärn schnädere oder es Spässli mache», lacht er und erklärt schnell ein paar seiner Pflanzen: Knobli, Feigenbaum, Topinambur. Letzteres hat er soeben frisch geerntet. «Ich esse das wie Chips am Abend vor dem Fernseher, das ist gesund», sagt er in heiterem Ton. In seinem Garten steht ausserdem ein Fahnenmast mit drei Flaggen: Bern, Schweiz, Graubünden. Auch das ist schnell erklärt: «Ich bin eingebürgerter Berner und meine Freundin ist aus Disentis.»

Adolf Gasser Milchsuppe
Der Hobby-Dekorateur Adolf Gasser. (Bild: Michelle Isler)

Gerne hier ist auch Adolf Gasser (80) ein paar Meter weiter. Auf seinem Rasen steht ein Vogelbad, kleineren Statuen und andere dekorative Gegenstände zieren seinen Garten. «Ich bin Dekorateur, also nicht von Beruf, aber von Hobby. Alle 14 Tage mache ich die Deko neu, da freuen sich die Leute, die hier vorbeikommen. Bald wechsle ich auf Osterdeko.» Zu den Plänen der öffentlichen Durchwegung meint er: «Das isch nit guet, nur schon wegen den Hunden. Die machen jetzt bereits ständig in meinen Garten, wenn jemand das Töörli offen lässt.» Wenn trotz der Gesetzesrevision die Gärten aber so umzäunt bleiben würden, wie heute, «dann stört’s mich nicht».

Auf dem Weg aus den Gärten raus begegnen wir einer Frau, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie befürwortet die Revision. «Ich habe das Gefühl, die Leute, die jetzt so dagegen sind, sind schlecht informiert.» Es stimme ja einfach nicht, dass dann alle frei in den Gärten rumlaufen könnten. «Und sowieso, es wird ja auch nicht die halbe Stadt hierher kommen.»

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