«Wir trauen uns, den Mund aufzumachen»
Seit Anfang des Monats gibt es auch in der Schweiz die «Omas gegen Rechts». Eine der Gründerinnen, Rosmarie Brunner, berichtet, wie sie sich für Demokratie, Gleichberechtigung und Liebe einsetzen will – mit Demos und Gratis-Umarmungen.
Rosmarie Brunner, Sie haben die «Omas gegen Rechts» Anfang März in der Schweiz gegründet. Wie kam es dazu?
Das passierte alles recht überraschend. Seitdem es die «Omas gegen Rechts» in Österreich und Deutschland gibt, habe ich zusammen mit anderen Frauen überlegt, den Verein auch in der Schweiz zu gründen. Wir waren im Gespräch mit Frauen aus der GrossmütterRevolution und haben uns vernetzt. Mein Mann hat eine Homepage erstellt, die bereits 2022, vor unserer Vereinsgründung, online ging. Letztes Jahr erhielten wir nach einem Medienbericht zahlreiche Anfragen von interessierten Frauen, die sich bei uns engagieren wollten. Da haben wir gemerkt: Die Zeit ist reif, wir müssen handeln.
Rosmarie Brunner ist pensionierte evangelische Theologin. Nach 25 Jahren im Pfarramt hat sie sich als freie Theologin selbstständig gemacht und Feiern für Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen angeboten. Sie hat sich bei der GrossmütterRevolution engagiert und Anfang März zusammen mit acht anderen Frauen die Omas gegen Rechts in der Schweiz ins Leben gerufen.
Ist die Resonanz weiterhin gross?
Ja, wir erhalten täglich Mails und Anmeldungen.
Muss man Grossmutter sein, um Mitglied zu werden?
Nein. Ich selbst habe auch keine leiblichen, sondern «angeschmuste Enkelkinder», wie ich immer sage. Alle Frauen aus der Grossmütter-Generation können Mitglied werden und sich engagieren. Man muss weder biologisch Oma sein, noch uralt.
Ab welchem Alter kann man Oma gegen rechts werden?
Wir haben weder nach oben noch nach unten eine Alterslimite.
Dürfen Opas auch mitmachen?
Opas können uns sehr gerne unterstützen, zum Beispiel finanziell. Oder uns an Anlässen Kaffee kochen (lacht). Sie können nicht stimmberechtigtes Mitglied werden.
Die Demokratie liegt Ihnen am Herzen. Machen Sie sich Sorgen?
Natürlich. Auf der ganzen Welt versuchen immer mehr Machos, alle Macht an sich zu reissen. Sie nutzen demokratische Strukturen, um an die Macht zu kommen, aber sie denken und handeln nicht demokratisch. Wir können zurzeit live beobachten, wie an vielen Orten der Welt versucht wird, rechtsstaatliche Errungenschaften wieder auszuhebeln. Das besorgt mich sehr.
«Wir möchten uns für all jene Menschen einsetzen, die sich nicht selbst wehren können.»Rosmarie Brunner, Oma gegen Rechts
Wie steht es um die Schweiz?
Schauen Sie nach Bern, im Parlament gibt es gerade ein Streichkonzert. Es wird viel Geld auf Kosten der Ärmsten gespart, hier bei uns und auf der ganzen Welt. Wir möchten uns für all jene Menschen einsetzen, die sich nicht selbst wehren können.
Der Name «Omas gegen Rechts» impliziert aber, dass Sie sich vor allem gegen rechtsextreme Tendenzen einsetzen.
Das stimmt, aber nicht nur. Es ist auch ein Einsatz für Gerechtigkeit und mehr Demokratie.
Warum nennen Sie sich dann «Omas gegen Rechts»? Schaffen Sie nicht selbst mit der Aussage, per se gegen etwas zu sein, eine Front?
Da sprechen Sie mir aus dem Herzen. Wir haben den Namen «Omas gegen Rechts» übernommen, weil er sich im deutschsprachigen Raum etabliert hat. Ich bin mit dem Namen aber auch nicht so happy, weil es für mich weniger um links und rechts, sondern mehr um oben und unten, also um Gleichwürdigkeit und gerechte Verteilung geht.
In Ihrem Manifest steht, dass Sie sich gegen Gleichgültigkeit wehren. Was aber macht Ihr Verein in der Schweiz konkret? Gibt es Anlässe, die Sie planen?
Wir müssen uns als Verein noch finden und uns strukturieren. Sicher werden wir wie die «Omas gegen Rechts» in Deutschland und Österreich an Demos gehen. Wir werden uns auch in die Politik einmischen und unsere Meinung sagen. Geplant sind Regionalgruppen, die eigenständige Veranstaltungen planen. Wir in Basel organisieren Anfang April einen Anlass mit «Omas gegen Rechts» aus Deutschland und Österreich, der jetzt schon fast ausgebucht ist. Ich selbst würde ausserdem gerne Gratis-Umarmungen und Gespräche anbieten.
Wie können wir uns das vorstellen?
Ich möchte an einem belebten Ort in der Stadt Umarmungen anbieten. Menschen, die das Bedürfnis haben, in den Arm genommen zu werden, können auf mich zukommen. Die Idee der «Free Hugs» stammt aus Australien. Ausserdem möchte ich mich zum Beispiel auf den Barfüsserplatz begeben und Gespräche anbieten. Nach dem Motto: Was wolltest du eine Oma immer schon mal fragen?
Sie möchten also sowohl politisch als auch sozial aktiv sein?
Ja, denn ich denke, dass wir beides brauchen. Es lässt sich aber auch gut verbinden. Es widerspricht sich ja nicht, an einem politischen Stand der Omas gegen Rechts auch noch eine Gratis-Umarmung anzubieten.
«Die Jüngeren sollten sich nicht unterbuttern lassen und für das einstehen, was ihnen wichtig ist.»Rosmarie Brunner, Oma gegen Rechts
Die «Omas gegen Rechts» wollen sich gegen das Vergessen der Vergangenheit einsetzen. Ist auch das ein wichtiger Teil Ihrer Arbeit?
Ja. Wir sind lebenserfahren und wissen, wie sich die Dinge entwickeln können. Wir können davon berichten, was wir erlebt haben. Aber nicht nur unsere Erfahrung ist wichtig, wir haben auch die nötige Zeit, um uns zu engagieren, weil wir nicht mehr im Erwerbsleben stehen. Und wir trauen uns, den Mund aufzumachen, weil wir keine beruflichen Konsequenzen mehr fürchten müssen.
Möchten Sie sich vor allem auch für die jüngeren Generationen einsetzen?
Natürlich. Es ist uns nicht egal, wie es den nächsten Generationen geht. Wir setzen uns für unsere Enkelkinder ein. Viele von uns sind daher auch bei den Klimaseniorinnen aktiv.
Die «Omas gegen Rechts» betonen, dass sie politisch, aber nicht parteipolitisch sind. Sie engagieren sich aber auf unterschiedlichen Ebenen?
Genau, wir haben Zeit und sind vielseitig engagiert. Es ist uns aber sehr wichtig, parteipolitisch unabhängig zu sein. Wir möchten auf keinen Fall in eine Schublade gesteckt werden.
Haben Sie Resonanz von jüngeren Menschen, erhalten Sie Feedback?
Ja. Wenn ich mit meinem Omas-gegen-Rechts-Button am SBB oder in der Stadt unterwegs bin, erhalte ich viele spontane und positive Reaktionen.
Gibt es etwas, das Sie der jüngeren Generation mit auf den Weg geben könnten?
Die Jüngeren sollten sich nicht unterbuttern lassen und für das einstehen, was ihnen wichtig ist. Sie sollten ihren Bedürfnissen folgen. Als Theologin hatte ich viel mit Sterbenden und dem Tod zu tun. Am Ende des Lebens ist relevant, ob du genug umarmt worden bist und genug Liebe gegeben hast. Es geht nicht darum, ob du ein bisschen mehr oder weniger Geld auf deinem Bankkonto hast. Mein Engagement ist immer auch ein Plädoyer für mehr Liebe, denn im Grunde geht es bei allem, was wir tun, um die Liebe unseren Mitmenschen gegenüber.
Vielen Dank für das Gespräch.
Mitarbeit: Nora Trabelsi
In Basel findet am 5. April ein Anlass mit Monika Salzer aus Wien, Gründerin der Omas gegen Rechts, und ihrer Mitstreiterin Dörte Schnell aus Hamburg statt. Beide berichten von ihrem Engagement in der Bewegung in Österreich und Deutschland. Die Veranstaltung wird von den Basler «Omas gegen Rechts» organisiert. Da die Platzzahl begrenzt ist, ist eine Anmeldung erwünscht.