«Es brennt, jetzt muss etwas passieren»
Kita-Betreuer*innen sind überlastet. Corona habe das Fass zum Überlaufen gebracht, sagt Kita-Mitarbeiterin Michaela*. In einer Petition fordert sie gemeinsam mit 500 Kolleg*innen bessere Arbeitsbedingungen.
Stress und eine immer höhere Arbeitslast: Kita-Mitarbeiterin Michaela* (Name geändert) stösst beim Job immer wieder an ihre Grenzen. «Wir geben alles, wir sind mit Herzblut dabei und zahlen mit der Gesundheit», sagt sie. «Wenn jemand krank ist, müssen wir direkt rotieren. Wie sollen wir denn noch funktionieren, wenn wir immer anderen aushelfen müssen. Die Situation war schon vor der Pandemie nicht gut, aber Corona hat das Fass zum Überlaufen gebracht.»
Michaela und 500 andere Kita-Mitarbeiter*innen haben eine Petition unterschrieben, die am Donnerstag eingereicht wurde. Darin fordern sie bessere Arbeitsbedingungen. Drei der vier Forderungen befassen sich mit dem Betreuungsschlüssel. Dieser gibt vor, wie viele Betreuer*innen für wie viele Kinder zuständig sind. Die Unterzeichnenden wollen:
- Praktikant*innen sollen nicht mehr im Betreuungsschlüssel gezählt werden
- Kinderfreie Arbeitszeit, wie administrative Arbeiten und Elterngespräche, sollen separat berechnet werden
- Der Betreuungsschlüssel soll nach Alter der Kinder angepasst werden
- Höhere Löhne mit einer klaren Lohnentwicklung
Lanciert wurde die Petition «Kita ist kein Kinderspiel» von der Gewerkschaft VPOD. Die Bildungs- und Kulturkommission (BKK) behandelt momentan den Gegenvorschlag zur Kita-Initiative. Dieser Vorschlag beinhaltet nur einen der vier geforderten Punkten, nämlich jenen bezüglich der Nicht-Zählung der Praktikant*innen.
«Das ist gut, aber wir brauchen die Umsetzung aller Forderungen», betont Michaela. Der Betreuungsschlüssel sei sehr knapp bemessen. Michaela erklärt: Wenn jemand am Vor- oder Nachbereiten oder Eingewöhnen der Kinder ist, werde diese Person trotzdem als Betreuer*in dazugezählt.. «Der Stress ist dadurch zu viel, unsere Körper vertragen das nicht.»
Die Situation sei prekär. «Es brennt, jetzt muss etwas passieren», sagt sie, «wer weiss, vielleicht gibt es als nächstes einen Streik.» Der Staat habe dafür gesorgt, dass Kitas aus dem Boden gestampft wurden, dabei aber das Personal vergessen.
Als Michaela Unterschriften sammelte, habe sie überall die gleichen Probleme wiedererkannt. «Wir brauchen eine Lösung, sonst können wir den Betrieb nicht aufrechterhalten und müssen ihn zeitweise einstellen.»
Sandra Bothe-Wenk, GLP-Grossrätin und Mitglied der BKK, ist den Forderungen der Petition positiv gesinnt. Gewisse Punkte zum Betreuungsschlüssel seien alle sinnvoll, «man kann nicht ein gutes pädagogisch wertvolles Elterngespräch vorbereiten und führen und gleichzeitig Kinder betreuen», betont sie.
Auch die Anpassung der Löhne sei berechtigt. «In Anbetracht des Fachkräftemangels sollten möglichst dieselben Bedingungen für Arbeitnehmende gelten, die Kinder betreuen.» Sowohl private Betreuungseinrichtungen und kantonale Tagesstrukturen seien systemrelevant.
Anders sieht das BKK-Mitglied und SVP-Grossrat Joël Thüring. «Mehr Lohn zu verlangen, finde ich übertrieben, das Personal ist nicht schlecht bezahlt», meint er. Mit den Ideen für Änderungen am Betreuungsschlüssel ist er ebenfalls nicht einverstanden, denn dadurch brauche es noch mehr Leute, die den Beruf ausüben und diese seien aufgrund des Fachkräftemangels jetzt schon schwer zu finden.
Wie man die Situation in den Kitas angehen sollte, ist für Thüring eine Frage der Eigenverantwortung. Es sei nicht überraschend, dass immer mehr Leute ihre Kinder in Kitas schicken, wenn der Staat mehr Angebote schaffe. «Generell habe ich das Gefühl, alle reden vom Teilzeit-Arbeiten, dabei möchten viele offenbar nur noch Teilzeit-Eltern sein», findet der SVP-Grossrat.
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