Finanzieren Mieter*innen die Steuergeschenke von Hüsli-Besitzer*innen?

In Basel wohnen hauptsächlich Mieter*innen. Sie profitieren laut Ökonom Beat Hintermann nicht von einer Abschaffung des Eigenmietwerts. Im Gegenteil: Kommt es zu Steuerausfällen, trifft es die Mieter*innen tendenziell härter.

Eigenmietwert Monopoly
Wer selber in der eigenen Immobilien wohnt, könnte von der Abschaffung des Eigenmietwerts profitieren – zumindest in manchen Fällen. (Bild: Pixabay)

Auf den Punkt:

  • Die Schweiz ist eines der letzten Länder, in der man als Eigenheimbesitzer*in eine fiktive Miete versteuern muss, die man gar nicht einnimmt – den Eigenmietwert.

  • Eine Volksabstimmung könnte zur Abschaffung des Eigenmietwerts führen. Dafür fallen aber auch Steuervergünstigungen für Eigenheimbesitzer*innen weg.

  • Der Basler Ökonom Beat Hintermann rechnet mit Steuerausfällen. Wie Basel diese kompensieren würde, ist vor der Abstimmung noch unklar.

Am 28. September steht die Abschaffung des sogenannten Eigenmietwerts zur Abstimmung. Vereinfacht gesagt ist das die Steuer, die Eigenheimbesitzer*innen dafür zahlen, dass sie in der eigenen Immobilie wohnen und sie nicht vermieten. Die Logik dahinter: Das Geld, das du nicht durch Miete eingenommen hast, musst du versteuern.

Die Chancen stehen gut, dass der Eigenmietwert tatsächlich abgeschafft wird – laut einer Tamedia-Umfrage befürworten zwei Drittel die Abschaffung. Auch bei unserer Frage des Tages zum Thema im Dezember 2024 waren schon mehr als zwei Drittel dafür.

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Zur Frage des Tages vom 19. Dezember 2024

Das ist bemerkenswert, denn die Schweiz ist ein Mieter*innenland. 58 Prozent der Bevölkerung leben laut Bundesamt für Statistik zur Miete – das ist ein europäischer Spitzenwert. In Basel-Stadt liegt die Mieter*innenquote mit 83 Prozent sogar nochmal deutlich höher, wie eine Auswertung der bz zeigt.

Von der Vorlage profitieren also nur die wenigsten (und noch nicht mal alle Eigenheimbesitzer, siehe Box) – dennoch will eine grosse Mehrheit zustimmen. Wie kann das sein?

Beat Hintermann denkt, dass die komplexe Vorlage von den meisten nicht verstanden wird. Der Professor für Öffentliche Finanzen an der Universität Basel sagt: «Der Eigenmietwert wird als Fehler in unserem Steuersystem missverstanden, der jetzt endlich korrigiert werden muss. Dabei folgt er der Logik unseres Systems, indem gleichmässig alles besteuert wird.» 

Der Eigenmietwert ist laut dem Ökonom nichts anderes als «return on investment» – und Kapitalrendite wird schliesslich auch besteuert. Hintermann: «Ökonomisch macht es keinen Unterschied, ob man 100 Franken verdient oder 100 Franken einspart. In beiden Fällen sind die 100 Franken nicht fiktiv, sondern real existierendes Geld und müssten versteuert werden.»

Andere Länder hatten ebenfalls den Eigenmietwert, heute ist die Schweiz eines der letzten mit diesem System. «Aber wir müssen den anderen Ländern ja nicht ihren Fehler nachmachen», findet Hintermann. «Die Abschaffung wäre eine steuerliche Bevorteilung jener, die selbst in ihrer Immobilie wohnen. Für Mieter besteht die Gefahr, dass die Abschaffung des Eigenmietwerts zu einem Steuerausfall führt – und dass dieser kompensiert werden muss.»

Beat Hintermann Finanzwissenschaftler Universität Basel
«Die Abschaffung wäre eine steuerliche Bevorteilung jener, die selbst in ihrer Immobilie wohnen. »
Beat Hintermann, Professor für Öffentliche Finanzen

Wie hoch die Auswirkungen sind, hängt stark vom Hypothekarzinsniveau ab (also wie viel man für den Kredit draufzahlt, wenn man eine Immobilie gekauft hat). Beim aktuellen Niveau wären wir laut Berechnung des Bundes bei 1,8 Milliarden Franken weniger Steuereinnahmen – über eine Milliarde davon auf Gemeindeebene. 

Es gibt jedoch auch Szenarien, bei denen Bund, Kantone und Gemeinden mehr einnehmen würden. Zumindest Beat Hintermann hält das aber für sehr unwahrscheinlich. «Es ist schon möglich, dass es Mehreinnahmen gibt, falls die Hypothekarzinsen steigen. Aber diese Mehreinnahmen würden durch die Inflation neutralisiert, welche gleichzeitig da wäre. Denn dass die Hypothekarzinsen inflationsbereinigt auf drei Prozent steigen könnten ist nicht wahrscheinlich.»

Abzuschätzen, wie sich die Vorlage für die Finanzen im Kanton Basel-Stadt auswirken wird, ist sehr schwierig. Während der Kanton Zürich seine Einschätzung von einem jährlichen Minus von 300 Millionen Franken öffentlich teilt, ist man in Basel vorsichtiger. Beim kantonalen Finanzdepartement heisst es, die Berechnung wäre mit zu vielen Unsicherheiten behaftet. Auch bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung kann man keine belastbare Aufschlüsselung für Basel vornehmen.

Eine belastbare Abschätzung der Auswirkungen auf Kantonsebene sei kaum möglich, findet auch Beat Hintermann. Unter anderem deshalb, weil die Vorlage auch eine neue kantonale Objektsteuer erlaubt – was vor allem für die Tourismuskantone mit ihren Ferienwohnungen erlaubt ist. «Aber ob es in Basel so viele Ferienwohnungen gibt?», fragt sich Hintermann.

«Es könnte mehr Schwarzarbeit geben.»
Beat Hintermann, Professor für Öffentliche Finanzen

Er fürchtet zudem, dass eine nicht abschätzbare Komponente bisher komplett ausgeblendet wird: «Es könnte mehr Schwarzarbeit geben. Im heutigen System hat man steuerliche Vergünstigungen bei Renovationen und Unterhaltsarbeiten bekommen und war deshalb interessiert, saubere Rechnungen zu erhalten. Dieser Anreiz fällt weg.» Das könnte Arbeit am Fiskus vorbei begünstigen.

Hintermann rechnet vor allem wegen dem aktuellen Hypothekarzinsniveau mit Steuereinbussen. «Und es ist klar, dass das jemand bezahlen muss – oder dass gespart werden muss.»

Und wer zahlt die Steuerausfälle?

Sozialabbau oder Steuererhöhungen – beide Varianten klingen erstmal nicht sonderlich verlockend. Mieter*innen, und mit ihnen der tendenziell ärmere Teil der Bevölkerung, würden von einem Sparprogramm stärker getroffen werden, da sie diese Leistungen häufiger in Anspruch nehmen. Fairer fände Hintermann eine Erhöhung der Einkommenssteuer – davon wäre die reichere Bevölkerung proportional stärker betroffen. 

Wie Basel auf einen etwaigen Steuerausfall reagieren würde, ist vor der Abstimmung noch komplett unklar. Beim Finanzdepartement heisst es: «Massnahmen für die Kompensation von allfälligen Mindereinnahmen müssten im Falle einer Annahme der Vorlage sorgfältig evaluiert werden.»

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David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

Kommentare

R.Lopez
27. August 2025 um 06:00

Finanzieren Hauseigentümer Mieter/innen

Wer hier wen finanziert sei zu ergründen. Wieso soll jemand, der gespart hat und auf vieles verzichtet hat, einen fiktiven Mietwert versteuern? Mieter/innen können statt Ferien zu machen, Autos kaufen und Schuldzinsen abziehen - sparen?

Think Deeper
27. August 2025 um 07:38

Willkürliche Aufrechnung eines Eigennutzen

Das der Ökonom hier wohl eher mit falscher Linker Brille argumentiert ist wohl offensichtlich. Eigenmietwert ist eine willkürliche Aufrechnung eines Eigennutzen der ein Unding darstellt, die Steuerprogression erhöht und Weg gehört. Wird dem Ökonom hier ein Eigennutzen für sein Auto, Fahrrad, Boot steuerlich aufgerechnet? NEIN! Darf er hier Schuldzinsen abziehen? JA. Aber derjenige der mit einem Eigenheim vorsorgt soll bestraft werden? Neid vom Feinsten! Zudem Immobilienfirmen betrifft dies alles nicht! Fremdkapitalzinsen und Unterhalt gelten hier als Gewinnungskosten.