Der hohe Preis der Impfstoffe

Impfstoffe und Medikamente können Leben retten. Doch rechtfertigt das Preise, die meilenweit über den Kosten liegen?

Corona Impfung Covid
(Bild: Ivan Diaz/Unsplash)

Das gab es noch nie: Eine Lawine privater Gewinne, begleitet von einer Woge öffentlicher Dankbarkeit. Moderna meldet im ersten Quartal einen Gewinn von 1,2 Milliarden Euro, erzielt durch den Verkauf von 102 Millionen Dosen ihres Impfstoffs. In den nächsten drei Quartalen sollen weitere 800 Millionen und 2022 gar 3 Milliarden Dosen verkauft werden. 

Rechne.

Biontech (das mit Pfizer den Impfstoff Cominarty herstellt) hat im ersten Quartal einen Gewinn von 1,6 Milliarden Euro ausgewiesen und rechnet mit einem Jahresergebnis von mehr als 6 Milliarden. Pfizer hat im 1. Quartal mit 4,9 Milliarden Euro mit Impfstoffen umgesetzt und den Gesamtumsatz und -gewinn je um 45 Prozent gesteigert.

Solche Gewinnsprünge werden normalerweise beargwöhnt, aber Corona hat die Wahrnehmung verändert. «Die Pharmaindustrie macht Kasse – das ist wunderbar» jubilieren etwa die Tamedia-Zeitungen. Selbst 300 Milliarden Gewinn seien nicht zu viel, «denn die Schäden der Pandemie sind zigfach höher».

Und CH Media blickt durch: «Dass der ungeliebten ‹Big Pharma› dieser Erfolg gelang, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von milliardenschweren Investitionen in Forschung und Entwicklung. Moderna, Pfizer und Johnson & Johnson wurden angetrieben von der Konkurrenz, die besten und, ja, die margenträchtigsten Impfstoffe zu haben. Die Vakzine sind ein Wunder des Wettbewerbs.»

Preis nicht an den Kosten orientiert

Margenträchtigst sind die Covid-Vakzine in der Tat. Biontech hat eine Gewinnmarge von 81 Prozent erzielt. Moderna hat schon im ersten Quartal – nach 0,1 von erwarteten 4 Milliarden Dosen – sämtliche Investitionen in die Entwicklung des Impfstoffes amortisiert. Und das «Wunder des Wettbewerbs» beruht letztlich darauf, dass der Staat den Vertrieb der Impfdosen organisiert und diese anstelle der Konsumenten selber bezahlt. Dies zu einem Preis, der sich nicht etwa an den Kosten orientiert, wie man das bei einem funktionierenden Preiswettbewerb erwarten könnte. Vielmehr gilt offenbar das Prinzip «Geld oder Leben!» Oder um es mit den Tamedia-Zeitungen zu formulieren: Geld oder zigfach höhere Schäden!

Auch das Argument, dass mit dem hohen Preis die «milliardenschweren Investitionen» abgegolten werden sollen, hat sich schon im ersten Impf-Quartal erledigt. Siehe oben. Zudem wurde die Grundlagenforschung für den Einsatz der Messenger-RNA bei Medikamenten fast ausschliesslich mit staatlichen Geldern finanziert und auch beim letzten Schritt, der Verwendung der Messenger-RNA für Corona-Impfstoffe, half der Staat kräftig mit. Bei Moderna etwa wurden letztes Jahr fast 40 Prozent der Forschungsaufwendungen mit staatlichen Geldern (Grants) finanziert. 

Aus dem Quartalsbericht von Moderna geht hervor, dass die Dosis für rund 17 Euro verkauft worden ist, während die reinen Produktions- und Vertriebskosten unter 3 Euro lagen. Mit steigender Menge dürften die Stückkosten weiter sinken. Was die Preise betrifft, haben die Impfstoffhersteller den Regierungen offenbar einen Maulkorb verpasst. Einzig der scheidende bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow hat das Schweigen gebrochen und sich im April darüber beklagt, dass die Preise für den Impfstoff von Pfizer deutlich angezogen hätten. Anfänglich habe der Preis bei 12 Euro pro Dosis gelegen, dann bei 15,50 Euro, mittlerweile bei 19,50 Euro. Da sich die meisten Länder in einem Bieterwettkampf die für eine Durchimpfung nötigen Mengen bereits vertraglich gesichert haben, dürfe sich an diesem Preisetikett innert nützlicher Frist nichts ändern.

Grosses Geschäft mit Tests

Damit sind die vom TA phantasierten 300 Milliarden Dollar Gewinn für Big-Pharma eine nicht unrealistische Grössenordnung. Dies vor allem dann nicht, wenn man bedenkt, dass sich die Gesundheitsbehörden auch sonst fast immer für die lukrativste Lösung für die Gesundheitsindustrie entschieden: Das mit Abstand grösste Geschäft betrifft die Tests. Freitesten kann man sich weiterhin nicht mit einem Antigentest, sondern nur mit dem rund 100 Franken teureren PCR-Test. Bisher wurden allein in der Schweiz schon mehr als 6 Millionen PCR-Tests durchgeführt.

Auch punkto Covid-Medikamente ist den Gesundheitsbehörden offenbar nur das Teuerste gut genug. Bisher wurden ausschliesslich die patentgeschützten Mittel Remdesivir und Regeneron zugelassen, die beide mehr als 2000 Franken pro Behandlung kosten. Dies obwohl Remdesivir von der WHO als unwirksam eingestuft wurde. Die bei viralen Infekten bewährten Hausmittel, wie etwa Vitamin D und C sowie die patentfreien Medikamente, vor allem Ivermectin, wurden als unwirksam kritisiert oder gar verboten.

Das riecht nach dem, was das Journal of Law, Medicine and Ethics in dieser Studie «institutionelle Korruption» nennt, also die Unterwanderung der Gesundheitsbehörden durch die Pharma-Lobby. In diesem Bericht von 2017 sagt die UN-Menschenrechtskommission, dass die Gesundheitsindustrie eine der korruptesten Branchen sei, und dass dies die medizinische Versorgung gefährden könne. Ähnliches kann man in dieser aktuellen Studie von Public Eye nachlesen. Und hier steht, dass die US-Pharma-Industrie seit 2000 wegen diversen Betrügereien und Gesetzesverstössen 944 Bussen im Gesamtbetrag von 56 Milliarden Dollar zahlen musste.

Vielleicht ist es also doch nicht so wunderbar, wenn die eh übermächtige Pharma-Industrie noch einmal hunderte Milliarden Dollar kassiert.

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