Partout nicht prima: Die Preiserhöhungen der Primeo
Strom und Gas werden teurer. In Basel, das erneuerbare Energien und Energieeffizienz gefördert hat, aber deutlich weniger als im Baselbiet, wo die Energiewende ausgebremst wurde – heute schweigen die Verantwortlichen auf Kosten der im Strommonopol gefangenen Kunden.
Nächstes Jahr zahlen die Haushalte im Mittel rund 30 Prozent mehr für Strom. Es gibt beachtliche Differenzen bei den regionalen Elektrizitätswerken. Gerade Haushalte mit kleinem Einkommen dürfte dies schmerzen neben der allgemeinen Inflation: Ein Einpersonen-Haushalt, der 1600 bis 2000 Kilowattstunden Strom im Jahr verbraucht, zahlt bei der Primeo im Unterbaselbiet 160 bis 200 Franken mehr.
Beim Aargauischen Elektrizitätswerk (AEW) in Rheinfelden sind es 70 bis 100 Franken. Etwa ähnlich hoch ist der Aufschlag bei der Elektra Baselland (EBL), die das Oberbaselbiet versorgt. 50 bis 60 Franken müssen Kleinhaushalte in Basel mehr zahlen. Die Mehrbelastung dürfte aber erst nächstes Jahr spürbar werden, wenn ab Februar/März die Elektrizitätswerke ihre Rechnungen verschicken.
Die explodierenden Tarife im Baselbiet sind bereits im Landrat ein Thema: «Wie steht der Regierungsrat dem Preisanstieg bei Primeo Energie von plus 45 Prozent gegenüber?», will FDP-Landrätin Christine Frey unter anderem vom Baselbieter Regierungsrat wissen und: «Wie kann es seiner Meinung nach zu einem solch enormen Preisaufschlag kommen?»
Neben ihrer Landratstätigkeit ist Frey auch Präsidentin der Liga Baselbieter Stromkunden, einer der Wirtschaftskammer Baselland nahestehenden Organisation. SP-Landrat Urs Kaufmann äussert gegenüber Bajour den Wunsch nach Transparenz: «Die Aufschläge benötigen eine Erklärung. Von aussen kann man das nur schwer nachvollziehen», sagt er.
Auffällig ruhig ist es bei der Handelskammer beider Basel (HKBB), die viele Industriebetriebe, KMU, Gewerbler*innen und Dienstleister*innen vertritt, die von den massiven Tariferhöhungen nach zwei anspruchsvollen Corona-Jahren betroffen sind. Die Pressestelle der Handelskammer verweist auf die internen Informations- und Bildungsmöglichkeiten, zum Beispiel zum Energiesparen und zum Vorbereiten einer allfälligen Energie-Mangellage. «Energiesparen ist das Gebot der Stunde», heisst es.
Ganz im Gegensatz dazu hat sich die Handelskammer noch 2017 die Abschaffung des Basler Strom-Bonus zum «Legislaturziel» gemacht. Der 1998 eingeführte Bonus beträgt 3 bis 6 Rappen und wird einmal jährlich an Privatpersonen und Firmen pauschal oder in Abhängigkeit zur AHV-Lohnsumme zurückbezahlt. Damit sollte damals verhindert werden, dass der Basler Strom zu billig wird und dass Anreize zum Haushalten existieren. Dank seines Verteilschlüssels profitieren sparsame Haushalte und Firmen mehr davon als grosse Stromverbraucher.
Den Bonus abschaffen, aber den doppelt so hohen Preisaufschlag der Primeo kommentarlos hinnehmen, diesen Widerspruch lässt die Handelskammer bisher unaufgeklärt. Die Zurückhaltung könnte personelle Hintergründe haben. Die HKBB-Präsidentin, die Baselbieter Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, ist seit zehn Jahren Primeo-Verwaltungsrätin. Sie streitet aber ab, dass das bei der aktuellen Diskussion eine Rolle spiele: «Sehe keinen Interessenskonflikt», schreibt sie auf Anfrage.
Tatsächlich hat Primeo eine erstaunliche Wandlung durchgemacht in den letzten Jahren, die auch Elisabeth Schneider-Schneiter als Verwaltungsrätin mitgeprägt hat. Das Werk entwickelte sich zu einer der grössten Stromhändlerinnen. Ihr Handelsgeschäft explodierte geradezu, wenn nicht im gleichen Masse wie bei der in die Schlagzeilen geratenen Axpo, die vor wenigen Wochen Hilfe vom Bund einfordern musste. Seit 2012 steigerte Primeo ihren Stromabsatz von 2 Milliarden kWh auf heute 13,5 Milliarden kWh in Frankreich und der Schweiz. Das ist eine Versiebenfachung. Zum Vergleich: Die Schweiz verbraucht rund 60 Milliarden kWh pro Jahr.
Dabei trägt der Energiehandel kaum etwas zum Gewinn der Gruppe bei, wie Finanzen-Chef Stephan Naef im März einräumte, weil die Margen in diesem Business zu knapp sind. Für CEO Conrad Ammann spielte Grösse in den vergangenen Jahren generell eine entscheidende Rolle, um im Strommarkt zu überleben - und macht Primeo eben auch anfälliger für wirtschaftliche Störungen.
Noch diesen Herbst dürfte auch das Erdgas teurer werden: Da die IWB, welche Basel-Stadt, Baselland, Aargau und Solothurn beliefern, seit Januar ihre Preise unverändert liessen, wird ein spürbarer «Nachhol»-Aufschlag erfolgen.
Bekannt ist bereits, dass die vom Bund verordnete Krisen-Reserve für Erdgas, falls es zu einer Gasversorgungs-Mangellage kommt, rund 0,44 Rappen/kWh kosten wird, publiziert auf der Webseite der Koordinationsstelle Durchleitung Erdgas. Gegenüber Bajour verweisen die IWB auf den Basler Regierungsrat, der die neuen Tarife zunächst bewilligen muss.