Redner aus salafistischem Spektrum nach Basel eingeladen

Dieses Wochenende lädt der Islamische Zentralrat zu einem Treffen in Basel. An der geplanten Veranstaltung soll ein Redner auftreten, den der deutsche Verfassungsschutz dem salafistischen Spektrum zuordnet.

Islamischer Zentralrat
Am Sonntag soll Dr. Stef Keris laut IZRS nach Basel kommen. (Bild: Adobe Stock/Collage: Bajour)

Seit Monaten finden in der Schweiz Veranstaltungen statt, bei denen fundamentalistisch-islamische und salafistische Redner und Influencer auftreten, oft eigens aus dem Ausland eingeflogen. Am kommenden Sonntag ist ein solches Treffen in Basel geplant. 

Der Islamische Zentralrat (IZRS) hat Dr. Stef Keris als Redner eingeladen. Keris wird vom deutschen Verfassungsschutz dem salafistischen Spektrum zugeordnet. Das Thema der Veranstaltung lautet «Islam, Reichtum, Kapitalismus». Der genaue Veranstaltungsort wird erst kurz vor Beginn und nur an schriftlich angemeldete Teilnehmer bekannt gegeben. Auf Nachfrage der Redaktion erklärt der Verein: «Die Entscheidung, den Veranstaltungsort nicht öffentlich bekannt zu geben, resultiert aus früheren Erfahrungen mit übermässig kritischen Reaktionen, die oft auf fehlgeleiteten Annahmen basierten.»

Zur Autorin

* Lotta Maier ist ein Pseudonym. Ihren bürgerlichen Namen gibt die Autorin aus Sicherheitsgründen nicht preis. Lotta recherchiert seit Jahren zu den Themen Rechtsextremismus, Esoterik und Staatsverweigerung.

Die Veranstaltung mit anschliessendem Dinner soll nach der Generalversammlung des Vereins in Basel stattfinden, deren Schwerpunkt auf der Jugendförderung liegt. Die Kantonspolizei Basel bestätigte auf Nachfrage, dass sie über die Veranstaltung informiert ist, machte jedoch keine weiteren Angaben zu möglicherweise laufenden Ermittlungen.

Der Name «Islamischer Zentralrat» mag nach einer bedeutenden, grossen Bewegung klingen, in Wirklichkeit handelt es sich jedoch um einen kleineren Verein, der allerdings bereits unter Beobachtung des Nachrichtendienstes stand.

Nach jetzigem Stand wird die Veranstaltung also stattfinden. Der Veranstalter IZRS mit Sitz in Bern wird von Präsident Nicolas Blancho und Mediensprecher Qaasim Illi angeführt. Um die beiden prägenden Figuren der Organisation ist es vor Kurzem ruhiger geworden. Zuletzt sorgten sie im März für Schlagzeilen, als sie nach einem langwierigen Rechtsstreit vom Bundesgericht wegen der Verbreitung von Al-Kaida-Propaganda verurteilt wurden.

Basel als Grenzstadt bewusst gewählt

Wie kommt es, dass solche Veranstaltungen in Basel eine Bühne finden? Der IZRS schreibt auf seiner Homepage, dass die Wahl Basels als Veranstaltungsort kein Zufall ist: «Den Standort Basel haben wir bewusst gewählt, um unsere neue Ausrichtung zu unterstreichen. Der Rat hat zwar seinen Sitz weiterhin in der Schweiz, beteiligt sich aber zunehmend an Aktivitäten in der gesamten DACH-Region. So haben in den letzten zwei Jahren bereits etwa 20 Prozent aller Veranstaltungen in Deutschland stattgefunden – ein Trend, der sich in den kommenden Jahren weiter verstärken wird.» Basel als Grenzstadt scheint durch seine Nähe zu Deutschland gut geeignet zu sein. So hat erst kürzlich ein Jugendcamp des IZRS in Nordrhein-Westfalen stattgefunden, ein Landstrich in Deutschland, der mit islamischer Radikalisierung zu kämpfen hat

Auf Nachfrage erklärte der IZRS: «Im Rahmen unseres Rebranding-Prozesses, der auf der Konferenz von Athen 2019 beschlossen wurde, haben wir uns inhaltlich weiterentwickelt.» Man wolle nun verstärkt Jugendarbeit leisten und «eine zeitgemässe und mit der hiesigen Gesellschaft vereinbare Auslegung des Islam fördern».

Der geladene Redner, Dr. Stef Keris, ein gebürtiger Grieche, wuchs in Deutschland auf und ist wie das IZRS-Führungsduo aus Qaasim Illi und Nicolas Blancho ein Konvertit. Zwar verbreitet Keris in seinen Reden keinen Hass, tritt aber regelmässig mit führenden salafistischen und fundamentalistischen Vertretern wie Marcel Krass auf oder spricht bei «Generation Islam», einer Gruppe, die – wie auch «Realität Islam» – als Nachfolgeorganisationen der Bewegung Hizb ut-Tahrir gelten, die ein Kalifat anstrebt. Auf Nachfrage erklärt die Assistentin von Keris, dass es sich beim Kontakt mit «Generation Islam» um ein einmaliges Interview gehandelt hat. Weiter schreibt sie, dass Keris sich keiner Gruppierung im Islam zuordne und überall auftritt, wo er eingeladen wird.

Was ist Hizb ut-Tahrir?

Hizb ut-Tahrir (HuT), die Partei der Befreiung, ist eine panislamische Bewegung, die 1953 gegründet wurde. Vorrangiges Ziel ist das Errichten eines Kalifats nach der Scharia und eine grenzübergreifende Ummah, ein Verbinden der islamischen Gemeinschaft. Westlichen demokratischen Strukturen steht diese Bewegung kritisch gegenüber. HuT kennzeichnet auch ein starker Antisemitismus.Für die Umsetzung ihrer Ziele setzen sie auf einflussreiche Persönlichkeiten und Akademiker. In den meisten Ländern gilt ein Betätigungsverbot, auch weil die Bewegung Israel das Existenzrecht abspricht. Solch ein Betätigungsverbot besteht in der Schweiz nicht.

In Deutschland wird momentan ein Verbot der Nachfolgeorganisationen «Realität Islam» und «Generation Islam» gefordert, nachdem an islamistischen Demonstrationen in mehreren deutschen Städten, Rufe nach einem Kalifat laut wurden.

Was hat das mit dem Schweizer Verein IZRS zu tun? Die Organisation «Realität Islam» ist über die sozialen Medien mit dem IZRS, der nun in Basel zur Veranstaltung lädt, verbunden. So folgen Illi und Blancho dem Instagram-Account von «Realität Islam» und dieser folgt Blancho und dem IZRS.

Bajour hat den IZRS mit diesen Verbindungen konfrontiert. Der Verein erklärt : «Unsere Vorstandsmitglieder sind auf verschiedenen Social-Media-Plattformen mit einer Vielzahl von Personen und Organisationen vernetzt. Diese Verbindungen bedeuten nicht automatisch Zustimmung zu deren Ansichten oder Praktiken. Wir pflegen einen offenen Dialog, auch mit denen, deren Ansichten wir nicht teilen.»

Die Rolle des Schweizer Vereins Muddathir

Ein Tag letztes Jahr im November. So wie es für den kommenden Sonntag geplant ist, ist Dr. Stef Keris auch dieses Mal in Basel, um vor Gleichgesinnten zu sprechen. Keris steht im Basler Rathaus und fotografiert das historische Gebäude mit seinem Smartphone. Er erkundet Basel, isst Marroni an der Schifflände und läutet am Münster die Glocke, um den Fährmann zu rufen – so ist es auf dem Instagram-Account des Vereins Muddathir dokumentiert. Keris will ins Kleinbasel übersetzen, wo er an diesem Abend in der Haltingerstrasse einen Vortrag mit dem Titel «Dehumanisierung als Waffe» halten wird. Der Flyer zur Veranstaltung betont: «nur für Brüder» – Frauen sind nicht willkommen.

Muddathir Recherche Lotta Maier
Stef Keris (r.) war vergangenen November in Basel unterwegs. Wir haben in einer ersten Version des Artikels geschrieben, dass Qaasim Illi vom IZRS mit im Bild zu sehen ist. Das ist nicht korrekt. (Bild: Screenshot/Instagram muddathir | 74:2)

Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass Keris drei Tage zuvor in einer Zürcher Moschee einen Vortrag gehalten hatte, die auch von jenem Teenager besucht wurde, der später einen jüdischen Mann mit einem Messer schwer verletzte. Als Veranstalter des Zürcher Vortrags ist der Verein Muddathir angegeben. Dieser trat erstmals im Mai letzten Jahres auf die Bildfläche. In seinem ersten Post auf Instagram ist zu lesen, dass diese sich in den Dienste der Ummah und vor allem der Jugend stellen wollen. Rund fünfzehn Events organisierte Muddathir bis heute für junge Menschen, Events aus einem salafistischen und fundamentalistisch islamischen Umfeld. 

Bereits Anfang Jahr sorgte der Verein für Aufsehen, als er eine Veranstaltung mit dem australischen Influencer Mohamed Hoblos, der ebenfalls Verbindungen zu Hizb ut-Tahrir hat und als Hassprediger gilt, organisierte. Er sollte in der Schweiz einen Vortrag mit dem Titel «Reviving the Ummah» halten. Die Behörden verhängten jedoch ein Einreiseverbot und Hoblos wurde noch am Flughafen abgefangen. Zahlreiche andere Veranstaltungen fanden jedoch statt, Influencer und Redner aus dem Ausland wurden in regelmässigen Abständen eingeflogen. Unter ihnen in der Szene bekannte Namen wie Marcel Krass, Redlion und Musa Abuzaghleh.

Neben Vorträgen auch ein Fussballturnier

Die Radikalisierung von Jugendlichen nimmt bedenkliche Ausmasse an, neben einer Online-Radikalisierung sind persönliche Treffen mit den Online-Helden und Influencern der Szene besonders wichtig, wie eine WOZ-Recherche aufzeigt. Neben dem bevorstehenden Vortrag in Basel veranstaltet der IZRS ein Männer-Fussballturnier und bewirbt dieses auf Social Media. Auf dem Post zur Veranstaltung ist der Verein Muddathir verlinkt. Auf Nachfrage erklärt der IZRS: «Der Islamrat hat keine Verbindung zu den genannten Gruppen Muddathir.» Ausserdem teilen sie mit: «Wir können die genannten Verlinkungen nicht nachvollziehen.» Die Verlinkung wurde inzwischen gelöscht.

Bajour hat dem Verein Muddathir zu seinen Veranstaltungen in der Schweiz und zu mutmasslichen Verbindungen in die salafistische Szene eine Anfrage geschickt, jedoch bis Redaktionsschluss keine Antwort erhalten.

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