Rote Karte für Shell
Mit einem riesigen Plakat wirbt Shell in Basel für CO2-Kompensation. Verlogener geht’s nicht.
Das Plakat ist riesig, es hängt dort, wo der Verkehr mehrspurig in Basel einfällt, am Parkhaus neben dem Badischen Bahnhof. Auf grünem Grund, im Stil eines Abstimmungsplakats, heisst es da «BASEL SAGT JA ZUM CO2-AUSGLEICH», daneben das Logo von Shell und die Webadresse von Shell Schweiz.
Wer zum angegebenen Link geht, findet dort unter dem Titel «Ausgleichen» eine Erklärung, wie dieser Ausgleich geschieht. Man muss nach dem Tanken an der Kasse sagen, dass man das CO2, das man soeben getankt hat, kompensieren will; dann, so heisst es bei Shell, «wird ihr Beitrag in Höhe von 1 Rp. pro Liter automatisch auf Ihrer Tankquittung ausgewiesen und fliesst nach Abzug der Mehrwertsteuer vollständig in die von Shell unterstützten Klimaschutzprojekte. Shell übernimmt auf eigene Kosten den Ausgleich für die CO2-Emissionen aus Förderung, Produktion und Transport des Treibstoffs bis zur Tankstelle».
Auf der Website steht dann, dass die Kompensation via den Kauf von Klimazertifikaten erfolgt, dabei sollen Aufforstungsprojekte im Vordergrund stehen. Aber es gibt keine Berechnungsgrundlage, weshalb nun 1 Rappen pro getanktem Liter Treibstoff für die Kompensation ausreichen soll, es wird keine Angabe für Ort und Umfang der Kompensation gemacht; Shell behauptet zudem, die Firma übernehme «auf eigene Kosten den Ausgleich für die CO2-Emissionen aus Förderung, Produktion und Transport des Treibstoffs bis zur Tankstelle».
Nichts davon ist glaubwürdig.
Shell bleibt ein «major polluter»
Die Kompensation von «nicht vermeidbaren Emissionen» (wie Shell das Verbrennen von fossilen Brennstoffen in unlauterer Weise behauptet) ist Teil einer neuen Strategie von Shell, die sich auf shell.com nachlesen lässt und grob gesagt so funktioniert: Shell verspricht, bis ins Jahr 2050 das CO2 aus der Förderung von Erdöl und Erdgas sowie aller Produktionsanlagen weltweit entweder mit «Klimaschutzprojekten» zu kompensieren, oder aber mit «Carbon Capture and Storage» im Erdboden zu versenken. Weder für die eine noch für die andere Technologie gibt es verlässliche Angaben, wie viel Wald Shell aufforsten will, und wo die Lager für die Milliarden Tonnen CO2, das Shell bei Förderung und Produktion auspustet, zu finden sind.
«Weiter fahren, weiter verbrennen, weiter verschmutzen, aber sich mit einem Rappen pro Liter von aller Verantwortung freikaufen.»Christoph Keller
Hingegen will Shell die sogenannten «Scope 3»-Emissionen, das sind die CO2-Emissonen, die beim Verbrennen von Shell-Produkten entstehen, schrittweise ganz auf die Konsument*innen abwälzen. So steht es im neuesten Klimaplan von Shell, der auf dem «Sky Scenario» beruht; er sieht vor, dass Shell für die CO2-Emissionen der eigenen Produkte nicht mehr verantwortlich ist, hingegen soll Shell bis 2050 noch mindestens halb so viel Erdöl fördern wie heute, die Menschheit soll bis 2070 noch die Hälfte des COs ausstossen (und einfach kompensieren), obwohl das Pariser Klimaabkommen bis dann verlangt, dass keine Treibhausgase mehr in die Luft gelassen werden.
Shell will also ein «major polluter» bleiben. Darum geht's.
Der Konzern stösst heute gemäss eigenen Angaben jährlich mit den eigenen Produktionsanlagen 70 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre aus und gehört damit zu den zehn major polluters mit CO2, und er gibt 120 Milliarden Dollar aus für die Erschliessungfossiler Brennstoffe, hundertfünfzigmal mehr Geld als für erneuerbare Energien.
Billiger Versuchsballon
Vor diesem Hintergrund ist das Plakat und die dahinterliegende Strategie als ein Versuchsballon zu sehen, ob die Kundinnen und Kunden auf den Deal des selbsttätigen «Kompensierens» einsteigen. Ob sie auf den Trick hereinfallen, der auch hinter dem «Klimarappen» der schweizerischen Erdölindustrie steht: weiter fahren, weiter verbrennen, weiter verschmutzen, aber sich mit einem Rappen pro Liter von aller Verantwortung freikaufen.
Greenwashing at its best.
Und das ausgerechnet in der Stadt, in der vor wenigen Wochen die Klimagerechtigkeitsinitiative «Basel2030» eingereicht wurde, eine Initiative, die verlangt, dass Basel-Stadt bis 2030 vollständig klimaneutral wird. Das ist nur zu erreichen, so die Erläuterungen zur Initiative, wenn auf den Einsatz von fossilen Treibstoffen und Brennstoffen ganz verzichtet wird; und Kompensationen kommen nur in Frage, «wo technisch keine Alternative besteht und die zu kompensierenden Emissionen von essentieller Bedeutung für die Gesellschaft sind».
Basel sagt also keineswegs «Ja» zum Kompensieren, schon gar nicht nach der Façon von Shell.
Axel Schubert, Mitinitiant von «Basel 2030» sagt denn auch in aller Klarheit, das sei «von Shell schon ziemlich dreist und unverschämt, uns Basler*innen für so dumm zu verkaufen, um auf ihr Greenwashing reinzufallen – offenbar hat Shell das aber nötig.»
Weiterlesen: Christoph Keller, «Nichts als grüne Luft», in: Reportagen, #55