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Schmierentheater

Mit der Brechstange voraus

Bernhard Burgener und David Degen liefern sich einen Machtkampf um die Vorherrschaft beim FC Basel. Der eine setzt auf Zahlen, der andere auf Emotionen. Ein Verlierer steht schon fest: der Fussball.

04/06/21, 03:50 PM

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Ein Plakat mit der Aufschrift BURGENER NIMM DI HUET! steht beim FCB-Mahnmal auf dem Barfuesserplatz in Basel am Donnerstag, 4. Maerz 2021. Die FCB-Fans protestieren so gegen die neusten Entwicklungen und den Praesidenten des Verwaltungsrates Bernhard Burgener.

Die Fans haben genug von der Vereinsführung. Für sie müssen Fussball und Emotionen wieder in den Fokus rücken. Das zeigen sie eindrücklich mit dem Mahnmal auf dem Barfi. (Foto: Keystone / Gergios Kefalas)

Beim FC Basel kriselts auf allen Ebenen. Sportlich läufts – wie soll man es höflich ausdrücken? – den Umständen entsprechend: schlecht. Am Ostermontag verlor ein beklagenswerter FCB gegen Aufsteiger Vaduz. Und der Sieg war nicht gestohlen. Die als Tabellenletzte aus dem Ländle angereisten Gäste gewannen mit grossem Chancenplus 2:1.

Konsequenz des Debakels: Trainer Ciriaco Sforza muss gehen. Über die erneute Niederlage konnte Präsident Bernhard Burgener nicht hinwegsehen und musste seinen Aussagen Taten folgen lassen.

Mal ganz abgesehen von einer Entgleisung, die Sforza sich gegenüber einem Journalisten geleistet hat und die der Club versucht hat, mit einem merkwürdigen Communiqué wegzumoderieren. 

SCHWEIZ FUSSBALL LUGANO BASEL

Ciao, Ciri!

Der FCB entlässt einen Tag nach der Niederlage gegen Aufsteiger Vaduz seinen Cheftrainer Ciriaco Sforza. Das Team wird für die verbleibenden neun Meisterschaftsspiele interimistisch von Patrick Rahmen geführt.

Zur Meldung

Diese nächste Ernüchterung für den FCB ist die Pointe zu den Irrungen und Wirrungen, den Lügen und Intrigen der vergangenen Tage und Wochen. Von österlichem Frieden kann jedenfalls keine Rede sein, wenn sich in der Übernahmeschlacht um den FC Basel die Beteiligten um Bernhard Burgener und David Degen in aller medialer Öffentlichkeit gegenseitig mit Dreck bewerfen.

Staunend, bisweilen befremdet liest man, was da an Interviews platziert wird, was von Journalist*innen fleissig ausgegraben oder von interessierter Seite an Redaktionen durchgestochen wird. Am Ostersamstag und -sonntag kam man kaum noch mit.

Der Fussball rückt da in den Hintergrund. Auch wenn der FCB sportlich so kläglich dasteht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Er steckt in einer Abwärtsspirale. Der Abstand bis zur Abstiegszone beträgt nur noch sieben Punkte.

Rassistische Äusserung beim FCB-Match

Nicht nur die Niederlage gegen den FC Vaduz sorgte für Diskussionen. Kaum war angepfiffen, da war der nächste Skandal auf dem Tisch. Von den Mikrofonen des live übertragenden Fernsehens eingefangen, leistete sich einer der wenigen im St.-Jakob-Park zugelassenen Menschen einen rassistischen Ausfall gegen FCB-Profi Aldo Kalulu.

Der Täter wurde inzwischen identifiziert. Wie die SRG am Dienstag mitteilte, hätten interne Abklärungen ergeben, «dass eine Drittperson, die im Auftrag der SRG an der Liveproduktion beteiligt war», die Aussage tätigte.

Die SRG will laut eigenen Angaben das Auftragsverhältnis mit dem externen Unternehmen per sofort beenden.

Die fulminante Rückkehr

Auf dem Spielfeld wird David Degen dem FCB nicht mehr helfen können. Auch wenn er sich mit Thaiboxen fit hält. Das dazugehörende Fitnessstudio hat er einst kurzerhand selbst mitgegründet. Eine exklusive Bude für Manager und Unternehmer in Wollerau.

Gleich um die Ecke in Schindellegi wohnt er mit seinem Zwillingsbruder Philipp. Eine Adresse mit Seeblick, an der eine nicht ganz einfach zu überschauende Anzahl von Gesellschaften domiziliert ist oder war, mit der die beiden Geschäfte allerlei Art betreiben.

Vor sieben Jahren hat David Degen seine Karriere beendet, mit seinem fünften Meistertitel im Dress des FC Basel. 2019 kehrte er zurück aufs Basler Parkett. Fulminant, wie man es von den Degen-Zwillingen stets gewohnt ist: als Anteilseigner an der FC Basel Holding AG.

Man durfte sich darüber nicht wirklich wundern, denn nach seinem Rücktritt als Spieler hatte Degen fast jede Funktion im Profifussball für sich ausgeschlossen. Mit einer Ausnahme: «Das Einzige, was ich mir vorstellen kann ist eine Tätigkeit im Verwaltungsrat eines Clubs», sagte er 2014.

«Ich war naiv»

Ausgerechnet Bernhard Burgener hat ihm die Tür beim FC Basel geöffnet und mit der Weiterreichung von zehn Prozent seiner Aktien ein Vorkaufsrecht auf den Rest eingeräumt. Um dieses wird nun mit finsterer Entschlossenheit gestritten.

Hier der von vielen Seiten kritisierte und für den Zustand des Clubs verantwortliche Mehrheitsaktionär – der vom Vereinspräsidenten Reto Baumgartner vergangene Woche als «Alleinherrscher» bezeichnet wurde. Dort der stets polarisierende David Degen, der einem Teil der FCB-Gemeinde als einzige Rettung erscheint, einem anderen dagegen nicht ganz geheuer ist.

Degen hat zu verstehen gegeben, dass er sich in seiner Rolle als FCB-Verwaltungsrat von Burgener erst ausgebremst und dann kaltgestellt fühlt.

«Ich war naiv und dachte, dass er bei meinem Know-how auf mich hört. Er hätte bei 100 Vorschlägen auch 50-mal sagen können: Nein, so ein Quatsch. Aber wenn er zehn Dinge von mir umgesetzt hätte, wären wir heute mit dem FCB sportlich an einem anderen Punkt.» So hat es David Degen am Osterwochenende der «BaZ» erklärt, und man mag sich vorstellen, wie er dabei beide Hände verworfen hat. So wie damals auf dem Spielfeld, wenn etwas misslang.

Man kann sich auch ausmalen, wie Degen mit seiner impulsiven, direkten Art, mit seinem Ehrgeiz und seinem Selbstbewusstsein einem Gegenüber auf die Nerven gehen kann. So sei halt sein Naturell, würde Degen entgegnen. Immer ein bisschen überbordend. Immer Feuer und Flamme.

Oder, wie er selbst mal in einer Hommage an seinen Bruder für die «Aargauer Zeitung» schrieb: «Wenn nötig, gehe ich mit der Brechstange voraus.»

Machtpoker auf dem Rücken des FCB

Seit ihm bewusst ist, dass Burgener ganz andere Pläne hat, seit bekannt ist, dass Hedgefond-Geld aus London in den FC Basel fliessen soll, sind die Fronten verhärtet. Zwischen Degen und Burgener, zwischen Burgener und einem relevanten Teil der Vereinsmitglieder und Anhänger*innen. Alle behaupten, nur das Beste für den FCB zu wollen.

Ausgetragen aber wird dieser zunehmend schmutzige Züge annehmende Machtpoker rücksichtslos auf dem Rücken des Clubs.

Seit Montag voriger Woche gibt es eine von David Degen erlangte superprovisorische Massnahme des Basler Zivilgerichts, mit der fürs Erste verhindert wurde, dass Burgener seine Holding-Aktien an die «Basel Dream & Vision AG» verkaufen kann: eine Briefkastenfirma mit Adresse in der Steinenvorstadt, die als Vehikel für ein Joint Venture mit der Investmentfirma Centricus aus England dient. Und bei der Burgener weiterhin das Sagen haben soll.

Eine Konstruktion, die, gelinde gesagt, für Empörung sorgt, selbst über den Kreis der eingefleischten FCB-Fans hinaus.

Dass Burgener nicht für Transparenz sorgt, ist das Eine. Der richterlichen Verfügung vom 29. März ist zu entnehmen, dass der Aktienkaufvertrag von Burgeners Holding-Anteilen bereits vom 12. Februar datiert.

Anstalten, seine Pläne offenzulegen, geschweige denn die Vereinsmitglieder für seinen Weg zu gewinnen, hat Burgener bisher keine gemacht.

Degen trifft den Nerv

David Degen hat mit seinem Interview vom Ostersamstag, offensichtlich gut vorbereitet, in etlichen Punkten den richtigen Ton und damit den Nerv der rotblauen Gemeinde getroffen. Aber auch er bleibt Antworten schuldig, nach Mitstreitern und Geldgeber im Hintergrund etwa. Er wird von den Einen als Retter gepriesen und ist sich gleichzeitig bewusst, dass er von vielen als das kleinere Übel begriffen wird. Oder, wie es die «NZZ» ausdrückt: «Degen ist nicht der Wunsch aller Basler – er ist vielmehr der Wunsch aller verzweifelten Basler.»

Einerseits, weil David Degen aneckt mit seiner Art – und das auch weiss. «Ich bin laut, direkt, ich habe die Diplomatie nicht mit Löffeln gegessen. Das stösst viele Menschen vor den Kopf. Ich bin einfach nicht der Typ, um Everybody’s Darling zu sein. Das war schon als Spieler so», sagt er über sich selbst. 

Katholisch grossgezogen in Lampenberg, als Junior zum FC Basel gestossen wie sein Bruder Philipp, der dann weiterzog in die noch ein bisschen grössere Fussballwelt in Dortmund und Liverpool.

Andererseits können die Degen-Zwillingen sehr herzlich und charmant sein, wie der SRF-Auftritt bei «Glanz und Gloria» aus dem Jahr 2017 zeigt:

Jetzt steht David Degen aber mitten in der Basler «Kampfarena» (NZZ) und ist tatsächlich der Einzige, der aufgrund seines Vorkaufsrechts dafür sorgen kann, Bernhard Burgener zu bremsen oder sogar aus dem FC Basel herauszudrängen. «Ich kämpfe für die Sache und bin bereit, auch in den Infight zu gehen.»

Flankiert wird Degen von renommierten Juristen der Basler Advokatur Böckli und der Zürcher Wirtschaftskanzlei Niederer Kraft Frey. Der gehört Thomas Hochstrasser an, ein Freund Degens, der auch bei den jüngsten Unternehmungen Degens, der Global Sport Analytics AG und der E-Sports AG, als Verwaltungsrat mit im Boot sitzt.   

16,5 Millionen Franken sind für das Aktienpaket Burgeners aufgerufen und dafür hat er, sagt Degen, «alles zusammengekratzt», ist er «volles Risiko» gegangen.

Ein bisschen Schmierenkomödie

Fragt sich nur, ob damit das Pulver schon verschossen ist. Welcher juristische Winkelzug folgt? Und wer hat den längeren Atem?

Die nächste Runde findet wieder vor dem Zivilgericht statt, und es gibt unter vielen Einschätzungen auch den Hinweis auf die Literatur, wonach ein Verwaltungsrat in einer solchen Streitfrage durchaus ein gewisses Ermessen hat, wenn ein Angebot deutlich vorteilhafter erscheint als das Vorkaufsrecht.

Unterdessen bietet der FC Basel beste Unterhaltung, bedient also die Branche, in der Burgener den Profifussball gern verortet. Da ist einiges an Investigativem dabei, wenn in der «NZZ am Sonntag» den Immobiliengeschäften der Degens nachgegangen wird. Oder Degens Interessenskonflikt mit der Spielervermittleragentur seines Bruders thematisiert wird.

Und ein bisschen Schmierenkomödie ist auch dabei, wenn sich Karl Odermatt, FCB-Legende und Verwaltungsrat der Holding, vorschieben lässt, um im «Blick» dickes Geschütz gegen Degen in Stellung zu bringen.

Das alles kann man lustig finden – oder sehr traurig.

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