Feminist*innen spielen Rechten in die Hände

Darf man noch von «Frauen» reden oder diskriminiert man so zum Beispiel nonbinäre Menschen? Darüber streiten Basler Altfeminist*innen und die Queercommunity. Den Rechten kann das nur recht sein. Eine Auslegeordnung.

Feminismus Plakat
Die Forderung ist klar: Mehr Gleichstellung. (Bild: unsplash.com/Chloe S.)

Wer hätte das gedacht: Die Basler Gleichstellungsarbeit bekommt mehr Ressourcen trotz Widerstand von rechts. Doch statt sich darüber zu freuen, haben sich Altfeminist*innen nun mit der jüngeren queeren Community in die Haare bekommen. Sie streiten sich – allem voran – um Begrifflichkeiten: Soll das neue Gleichstellungsesetz noch von «Frauen und Männern» reden oder, soll nur die Diskriminierung «aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung» verboten werden?

Die Vorlage zum Gleichstellungsgesetz liegt aktuell bei der Justizkommission.

Basel-Stadt möchte seinen Gleichstellungsauftrag erweitern. Neu soll sich dieser nicht mehr nur auf Frauen und Männer beziehen, sondern auch auf lesbische, schwule, bisexuelle, trans und inter Menschen (LGBTI). Dafür schafft die Regierung eine halbe Stelle – und das in einem Bereich, der seit Jahren unter Beschuss steht. Bürgerliche würden die kantonalen Gleichstellungsbeauftragten am liebsten gleich streichen.

Der umstrittene Gesetzesartikel lautet aktuell so:

Artikel 1: Dieses Gesetz hat zum Zweck, die Verwirklichung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung in Bezug auf Geschlecht und sexuelle Orientierung in allen Lebensbereichen zu fördern und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung, namentlich von Frauen und Männern oder unter Berufung auf Transidentität, Intergeschlechtlichkeit, Homo- oder Bisexualität, zu bekämpfen.

(Quelle: Ratschlag Regierungsrat)

Es braucht unbedingt Frauen und Männer, finden Feminist*innen rund um Frauenrechte beider Basel (frbb). Um ihre politischen Ziele zu erreichen, gründete die Organisation das Bündnis «Gleichstellung – jetzt!». Ihre Angst ist: Wenn man nicht mehr explizit von Frauen spricht, kann man auch nicht erkennen, wie sie beispielsweise bei Lohngleichheit oder Beförderungen diskriminiert werden.

Von Frauen und Männern zu sprechen, sei überholt, finden dagegen Aktivist*innen aus der queeren Community. Und haben dazu am Montag ein Positionspapier veröffentlicht, in dem sie einen inklusiveren Geschlechterbegriff fordern.

Kampf gegen Wokeness 

Dieser Generationenstreit zwischen Altfeminist*innen und Aktivist*innen aus der LGBTI+-Bewegungen beschränkt sich indes nicht nur auf Basel-Stadt, sondern wird auch national und international geführt. Dies zeigt unter anderem das Beispiel Faika El-Nagashi in Österreich: ​​Während Wochen wurde die grüne Abgeordnete von Transgender-Aktivist*innen diskreditiert, weil sie der Szene Radikalisierung vorwarf und die Frage aufwarf, ob es noch Schutzräume für Frauen gäbe, wenn gar nicht mehr von Frauen die Rede sei.

Aktivist*innen aus der LGBTIQ+-Bewegung bezeichneten sie danach als TERF, also Trans-Exclusionary Radical Feminism, zu Deutsch: Trans-ausschliessender radikaler Feminismus. Die 45-Jährige El-Nagashi ist nicht nur Feministin, sondern auch lesbisch und eine «Woman of Color», ausserdem seit 25 Jahren Menschenrechtsaktivistin. 

Auf der anderen Seite der klassischen Feminist*innen ist wiederum eine gewisse Überheblichkeit auszumachen, wenn es um die Anliegen der queeren Community geht. Die Bereitschaft und Offenheit, sich mit den Lebensrealitäten von Menschen auseinanderzusetzen, die nicht dem klassischen Bild von Frau und Mann entsprechen, scheint begrenzt. 

In Basel-Stadt, beispielsweise, sprechen die Frauen des Bündnisses der Queer-Community berechtigte realpolitische Anliegen ab – etwa Lohndiskriminierung von nonbinären Menschen oder Gewalt an Transpersonen. So sagt Erika Paneth, Co-Präsidentin von Frauenrechte beider Basel gegenüber Bajour, sie würden versuchen, bereits erkämpfte Gesetze durchzusetzen, den LGBTI hingegen gehe es ihrer Meinung nach vor allem um eine gesellschaftliche Bewusstseins-Veränderung. 

Das Problem ist nur: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Und der Dritte heisst in diesem Zusammenhang: die Rechte. 

In den USA heischt die Rechte seit Jahren Aufmerksamkeit, indem sie «Wokeness» zu einem Kulturkampf bis hin zu einer «Gender-Diktatur» stilisiert. So machen rechts-konservative Medienplattformen wie Daily Wire Stimmung gegen eine vermeintliche «Transgender-Ideologie» in der Gesellschaft und Wissenschaft.  

In der Schweiz veröffentlicht die NZZ schon länger Artikel nach Artikel über die von ihr verhasste political correctness. Spätestens vergangenen Sommer schwappte die Debatte um kulturelle Aneignung von den USA auf die Schweiz über, nachdem in einer Szenebar in Bern ein Konzert wegen eines weissen Musikers mit Dreadlocks abgebrochen wurde. Die junge SVP sprang sofort auf den Zug auf. Für deren Präsident, den Basler Grossrat David Trachsel, ist Woke eine Verbotskultur, die detailliert vorschreibt, was wir zu sagen und wie wir zu reden haben. «Unsere Kultur ändert sich gerade fundamental», sagte Trachsel. Die «wilden Blüten», welche Wokeness in den USA triebe, würden auch in der Schweiz sichtbar.

Der Gefahr bewusst

Mit dieser Haltung ist die SVP nicht alleine – die Skepsis gegenüber den woken Jungen ist längst anschlussfähig bis weit in die Mitte geworden und sogar Linksliberale fragen sich: Darf man denn heute gar nichts mehr sagen? 

Stellt sich die Frage: Schwächt der Streit innerhalb des Feminismus’ nicht die Anliegen sowohl der klassischen Frauenrechtler*innen als auch der queeren Community?

Konfrontiert man die LGBTIQ+-Bewegung heisst es daraufhin in der Regel, die Altfeminist*innen würden sich mit den Rechten verschwestern. Diese wiederum kontern, die queere Bewegung würde traditionell linke Gleichstellungsanliegen wie Lohngleichheit torpedieren. In Basel-Stadt klingt es so: 

Erika Paneth, Co-Präsidentin von Frauenrechte beider Basel (frbb) ist sich der Gefahr, wonach der innerfeministische Streit der Rechten dient, durchaus bewusst: «Immer wenn die weisse Männerherrschaft in Frage gestellt wird, werden die Rechten in ihrer Argumentation beflügelt, ganz egal, wie argumentiert wird.» Sie wollten dabei den ausländischen Mann genauso wenig wie die lesbische Frau. «Sie sind Feinde einer gleichberechtigten Gesellschaft, und sie finden immer Gründe gegen alles zu sein, was einer gleichberechtigten Gesellschaft Vorschub leistet.» 

Doch Paneth findet: «Wir können nicht so tun, als wäre alles Eierkuchen, nur damit die Rechten keine Argumente haben.» Paneth ist überzeugt: «Ein Generationenkonflikt ist immer schmerzlich. Frau lässt Federn.»  

Alessandra Widmer
«Ja, es gibt unterschiedliche Positionen und verschiedene Anliegen, und das ist gut so, das ist stark so.»

Alessandra Widmer, Co-Geschäftsführerin der Lesbenorganisation Schweiz (LOS)

Das sieht auch Alessandra Widmer von der Lesbenorganisation Schweiz (LOS) so. Sie setzt sich für eine inklusiven Geschlechterbegriff ein, hält aber auch an der Kategorie Frau und Mann als eine von vielen Geschlechtsidentitäten fest. Widmer meint: «Ja, es gibt unterschiedliche Positionen und verschiedene Anliegen, und das ist gut so, das ist stark so.» Eine Bewegung könne und solle mehrstimmig sein.

Alleine die Mehrstimmigkeit mache eine Bewegung nicht schwach. Streitereien in der Öffentlichkeit seien indes ein schlechter Ansatz. Die Co-Geschäftsleiterin von LOS findet, die Verbissenheit der altfeministischen Ecke verunmögliche eine solidarische Gesellschaft: «Das Frausein ist für viele Menschen in der Schweiz eine Selbstverständlichkeit. Aber für gewisse halt auch nicht.» 

Wie lässt sich das Dilemma lösen? Widmer findet: «Es braucht eine Lernbereitschaft von Ersteren, und von Letzteren wiederum eine Anerkennung der Kämpfe von früher.» Sie ist überzeugt: «Jetzt dürfen wir nicht stehen bleiben. Sondern geschlossen einen Schritt weiter gehen.»

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Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels wurde Erika Paneth, Co-Präsidentin von Frauenrechte beider Basel (frbb), mit folgender Behauptung zitiert: Die LBGTI mache keine Realpolitik. Diese Aussage ist falsch, für das Versehen möchten wir uns entschuldigen.

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Das ist Valerie (sie/ihr):

Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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