Vontobels Wachstumsschübe

Seltsame Geldgeschichten rund um Corona-Medis

Noch haben die neuen Medikamente und Impfstoffe gegen Covid kein einziges Menschenleben gerettet. Aber die Kasse klingelt – und wie.

Werni_Corona

Am 16. November gibt die US-Pharma-Firma Moderna eine Pressemitteilung heraus, wonach sein Impfstoff gegen Corona in 94,5% der Fälle wirkt. Am selben Tag steigt der Börsenkurs der Firma um rund 10% oder 3 Milliarden Dollar. Damit ist auch der Moderna-CEO Stéphane Bancel auf einen Schlag um 60 Millionen reicher geworden. Und mit ihm haben sich viele weitere Top-Manager und Forscher bereichert. Diese Gruppe handelt jeden zweiten Tag mit eigenen Aktien und setzen dabei im Schnitt 3,6 Millionen Dollar um. (Wer an den US-Börsen kotiert ist, muss so etwas offen legen.)

Diese Gruppe von Zockern hat also ein Communiqué herausgegeben, von dem sie wussten, dass es ihnen Millionen einbringt. Kann man solche Mitteilungen für bare Münze nehmen? 

Offenbar: Allein in den Schweizer Medien sind innert zwei Tagen fast 500 überwiegend positive Meldungen veröffentlicht worden. Die Welt schöpft Hoffnung. Und Bancel hat noch nicht genug. 

Schon am 17. November forderte er die EU-Kommission auf, die Verhandlungen über den Kauf von 80 Millionen Dosen schnell abzuschliessen – sprich auf die (geheim gehaltenen) Preisforderungen von Moderna einzugehen. Der Geld von Moderna stammt übrigens weitestgehend von den Steuerzahler aller Länder, die den Impfstoff vorfinanziert haben.

Wirkungslos bringt trotzdem Geld

Seltsame Geldgeschichten spielen sich auch um das Corona-Mittel Remdesivir des Pharma-Unternehmens Gilead ab. Nachdem diverse positive Zwischenmeldungen den Kurs von Gilead bis im Mai um 30% hochgetrieben hatten, gab die Weltgesundheitsorganisation WHO am 23. September bekannt, dass eine grosse, von ihr organisierte Studie die Wirkungslosigkeit von Remdesivir gezeigt habe. Das hinderte aber die EU-Kommission – wie erst kürzlich bekannt wurde – nicht daran, am 8. Oktober mit Gilead einen Vertrag über 500'000 Behandlungszyklen mit Remdesivir abzuschliessen. 

Wie die Nachrichtenagentur Reuters von «einer mit der Sache vertrauten Person» erfahren haben will, betrage der Preis für einen Behandlungszyklus 2’070 Euro. Total also rund 1,2 Milliarden Euro. Entsprechende Anfrage von EU-Parlamentariern wurden von der EU-Kommission bisher nicht beantwortet.

Noch seltsamer: Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Véran hat Ende Oktober den Gebrauch des Corona-Mittels Hydroxychloroquin (Preis pro Behandlungszyklus 8 Euro) verboten. Kurz danach bekam das betroffene Universitätsspital von Marseille Post von Gilead, man sei bereit die therapeutische Lücke «gratis» mit Remdesivir zu füllen. Übrigens: Daniel O’Day, der neu CEO von Gilead, hat letztes Jahr für 10 Monate Arbeit 29,1 Millionen Dollar kassiert.

Transparenz?

Doch wer braucht schon Remdesivir? Bereits am 28. September gab das Universitätsspital Cordoba die Ergebnisse einer Studie bekannt, wonach nur 2% der Covid-Patienten, die mit hohen Dosen von Vitamin D (Calcifediol), vorbehandelt wurden, auf die Intensivstation verlegt werden mussten, gegen 50% der unbehandelten Patienten. 

Eine Sensation!? Offenbar nicht. Zumindest in der Schweiz hat diese Studie keine einzige Schlagzeile ausgelöst. Inzwischen wurde sie immerhin in sechs Zeitungsartikeln nebenbei erwähnt – immer mit dem Hinweis, man müsse erst noch grössere Studien zu Covid und Vitamin D machen. 

Richtig. Doch warum gibt es die nicht schon lange? Vermutlich weil Naturstoffe weder Schlagzeilen noch Milliardäre machen.

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Werner Vontobel ist gebürtiger Basler und einer der bekanntesten Wirtschaftsjournalisten der Schweiz. Auf Bajour bringt er sich regelmässig zu volkswirtschaftlichen Themen, konjunkturpolitischen Grundsatzdebatten und ökonomischen Sinnfragen ein.

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