Richt’ dein Licht!
Die frühe Dämmerung, die nassen Strassen, der Regen – Velofahrer*innen sind bei diesen Wetterbedingungen Gefahren ausgesetzt. Besonders wenn das Velolicht ungenügend ist oder ganz fehlt. Aber: Die neuen Veloscheinwerfer können ebenfalls gefährlich sein.
Es ist 17.30 Uhr. Der Feierabendverkehr vom St. Gallerring bis zur Strassburgerallee staut sich und es giesst ordentlich. Gefühlt ein Viertel der Velofahrer*innen scheinen ein gröberes Problem mit dem Fahrradlicht zu haben. Viele sind im Dunkeln unterwegs, andere wiederum leuchten den Radweg aus wie eine Theaterbühne. Das ist ziemlich unlustig, besonders, wenn einen der geballte Strahl im Gesicht trifft. Die Betreffenden merken das wohl nicht, und wahrscheinlich wären sie sogar für einen Hinweis auf ihr überschiessendes Licht dankbar.
Vor ein paar Wochen an einem Mittwochmorgen war die Polizei auf dem Marktplatz mit einer Unfallpräventionsveranstaltung zugegen. Velofahrer*innen und Fussgänger*innen wurden auf die Notwendigkeit von korrekter Velobeleuchtung und heller Kleidung hingewiesen. Denn es war schliesslich «Tag des Lichts». Alain Schönmann, stellvertretender Ressortleiter der Verkehrsprävention, sagt, dass 80 bis 90 Prozent der Angesprochenen eine ausreichende bis gute Beleuchtung gehabt hätten - das ist ein deutlich besseres als bei der Bajour-Stichprobe.
Es habe viele konstruktive Gespräche gegeben. An Verkehrsteilnehmer*innen, also auch an Fussgänger*innen, Trottinet- und e-Rollerfahrer*innen, seien reflektierende Bänder für die Hosenbeine, «Froglights» (Minimallichter für den Velolenker) und andere Utensilien verteilt worden.
Die Beleuchtungstechnologie für Velos hat in den vergangenen Jahren Riesenfortschritte gemacht. Halogenleuchtmittel wurden durch LED ersetzt, die Lampen wurden kleiner und die Akkus leistungsfähiger. Aber eben, als Velofahrer*innen sind wir, die wir meist mit einem Schummerlicht unterwegs waren, nicht gewohnt, dass wir jemanden stören, ja sogar mit unserer Beleuchtung gefährden könnten.
Jeremy Mathias, Geschäftsleiter des Veloladens Jucker Bike, weiss einiges über die Lichtgeometrie. Er sagt, der obere Rand des Lichtkegels solle nicht mehr als zehn Meter vom Vorderrad entfernt sein. Das gilt sowohl für festmontierte, dynamobetriebene Lampen wie auch für Akkumodelle. Die günstigsten Modelle beginnen bei Jucker Bike bei 37 Franken (Dynamo nicht inbegriffen) oder 45 Franken fürs günstigste Akkumodell. Weil E-Bikes zum Teil erheblich schneller sind als gewöhnliche Velos, haben diese auch stärkere Scheinwerfer.
In der Dämmerung und in der Nacht ist das Unfallrisiko dreimal höher als am Tag, schreibt der Touring Club Schweiz. Kämen Regen, Schnee oder Gegenlicht dazu, sei das Unfallrisiko sogar bis zu zehnmal höher als am Tag. Eine optimale Beleuchtung ist deshalb gerade für Velofahrer äusserst wichtig. Aber: Nur in rund einem Drittel der Velounfälle mit Kollision sind die Velofahrer*innen hauptsächlich schuld. In den meisten Fällen sind die Kollisionsgegner*innen verantwortlich – meist Autofahrer*innen, schreibt die Beratungsstelle für Unfallverhütung. E-Bikes würden auf der Strasse leicht übersehen. Zudem bestehe Verwechslungsgefahr: Velos und E-Bikes lassen sich auf den ersten Blick nur schwer voneinander unterscheiden. Andere Verkehrsteilnehmer*innen würden das Tempo von E-Bikes deshalb oft unterschätzen.
Warum eigentlich sind blinkende Front- und Rücklichter nicht erlaubt? Wachmeister Schönmann sagt zu Bajour, es sorge für Irritation und berge das Risiko, dass jemand gerade dann nicht wahrgenommen wird, wenn das Licht aus ist. Und wenn eine Gruppe von Radfahrer*innen mit blinkenden Scheinwerfern unterwegs ist, sei die Gruppengrösse auf die Schnelle nicht auszumachen. Ausserdem sei bei blinkenden Lampen die Einschätzung der Geschwindigkeit schwierig. Das gleiche gelte bei sehr hellem, punktförmigen Licht. Jeremy Mathias ergänzt: «In der Nacht spielt die Farbe keine oder zumindest keine so grosse Rolle.» Wirksamer seien Westen, Taschen, Markierungsstreifen etc. mit reflektierendem Gewebe.
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