Sie verdienen Solidarität – von allen
Am 25. November ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Dass bei einer angekündigten Demonstration cis Männer nicht erwünscht sind, irritiert Redaktorin Michelle Isler. Ein Kommentar.
In der Schweiz wird alle zwei Wochen eine Frau durch ihren Ehemann, Lebensgefährten, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet. Das schreibt das Rechercheprojekt «Stop Femizid», das sich auf Daten des Bundes bezieht.
Im Rahmen des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen am kommenden Samstag wird das Thema der sexualisierten Gewalt auch in Basel thematisiert. Nicht nur an verschiedenen Veranstaltungen von Kantonen und Anlaufstellen, sondern auch an einer Demo: «Gehen wir gemeinsam auf die Strassen am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und genderqueeren Menschen», steht im Aufruf von «Rabia Basel», einem neuen «revolutionären antipatriarchalen Bündnis», das für Samstag mobilisiert. «Gemeinsam gegen das Patriarchat», so das Selbstverständnis des Bündnisses.
Nur: Das «gemeinsam» hat einen Haken, zumindest im Fall der bevorstehenden Demonstration. Denn cis Männer – also Personen, die sich mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen männlichen Geschlecht identifizieren – «bleiben solidarisch fern».
Das irritiert mich.
«Warum sollen Betroffene nicht die Solidarität ihrer männlichen Freunde, ihrer Partner, Brüder, Väter spüren dürfen? Und zwar Seite an Seite, nicht im Hintergrund.»
Warum sollen Betroffene nicht die Solidarität ihrer männlichen Freunde, ihrer Partner, Brüder, Väter spüren dürfen? Und zwar Seite an Seite, nicht im Hintergrund.
Jetzt kann man sagen: Gut, die sollen halt ihre Solidarität auf andere Weise zum Ausdruck bringen. Oder an einem anderen Tag. Oder an einer anderen Demo.
Aber warum sollen Menschen ausgeschlossen werden, die für das Gleiche einstehen?
«Gemeinsam» bedeutet etwas anderes. Gerade bei diesem Thema wäre doch genau das so wichtig. Gewalt gegen Frauen – und gegen genderqueere Menschen – sowie häusliche Gewalt sind in der Schweiz keine Seltenheit. Das Thema verdient Raum in Kampagnen, Medienberichten und öffentlichen Veranstaltungen, an denen alle teilnehmen können. Wir als Gesellschaft sollten mehr darüber reden – nicht nur dann, wenn ein umstrittenes Gerichtsurteil (zurecht) für Schlagzeilen sorgt.
Die Betroffenen von sexualisierter Gewalt sind wir. Es sind unsere Nachbar*innen, unsere Freund*innen, Arbeitskolleg*innen, Töchter, Mütter. Sie verdienen unsere Solidarität. Sie verdienen, dass wir öffentlich zeigen: Ihr seid nicht allein. Wir stehen neben euch. Und wir wehren uns mit und wenn nötig auch für euch.
Und mit «wir» meine ich uns alle.
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