Zaza hat Sorgen – aber viele Freund*innen

Hüsnü Sariasma alias Zaza betreibt seit drei Jahren das Café La Diva im Gotthelf-Quartier. Er hat Geldsorgen, aber die Anwohner*innen haben einen Plan.

Porträt Hüseyn Sariasma
Familienbetrieb an der Ahornstrasse: Hüsnü Sariasma (rechts) mit Mutter und Sohn. (Quelle: Naomi Gregoris)

«Du verstehst nicht», sagt ein bärtiger Mann mit tiefer Falte zwischen den Augen, «Das Internet ist wie die Erde. Du kannst Dinge entsorgen, wegschmeissen, vergessen. Aber das Zeug bleibt irgendwo liegen. Da verschwindet nichts einfach so!» Der Gast lacht. «Zaza», sagt er, «was ich sagen will...» – aber Hüsnü, genannt Zaza, ist bereits woanders mit seiner Aufmerksamkeit.

«Ahh, hallo hallo!» Zwei Kunden sind durch die Schiebetür hineingekommen, er springt auf und begrüsst beide mit Namen. «Fit-Pommes-Frites?» Er lacht und sie reden kurz über die besten Pommes im Quartier (bei Marmaris, hausgemacht), dann macht er ihnen einen warmen Toast.

Ein schicker Herr mit Schiebermütze zahlt seinen Espresso, der Mann, der gerade noch diskutierte, liest Zeitung. Zaza ist im Hinterzimmer und hantiert mit Brot und Pistazien, dazu singt er mit seiner schönen Bassstimme ein türkisches Lied. Vor den grossen Fenstern radeln Fahrradfahrer*innen vorbei und winken. Hüsnü kennt sie alle. Und er hat zu allen eine Geschichte. «Was soll ich sagen», sagt er dazu, «ich schwatze halt viel.»

Wer Zaza kennt, der weiss: Das ist untertrieben. Willkommen im Café La Diva, wo sich Küchentisch-Philosophie und starker Espresso die Hand geben. Die manifestierte Buschtrommel des Gotthelf-Quartiers.

Porträt Hüseyn Sariasma
Viel Licht, viel Herzlichkeit: Das «La Diva» ist beliebt im Quartier. (Quelle: Naomi Gregoris)

Eine Buschtrommel, die es so vielleicht bald nicht mehr gibt. Hüsnü hat den falschen Moment erwischt, nicht einmal ein halbes Jahr nach der Eröffnung seines Cafés kam Corona. Jetzt kämpft er mit Umsatzeinbussen.

Im Sommer wird die Fassade des Gebäudes renoviert, er wird seine Terrasse wohl nicht öffnen können. Ausgerechnet jetzt, wo zum ersten Mal wieder ein regulärer Betrieb möglich wäre. «Ach darüber will ich lieber gar nicht reden», winkt er ab, wenn man ihn danach fragt.

Gipfeli mit Ovo

Hüsnü ist in Anatolien geboren, mit sechs Jahren kam er in die Schweiz. Seine Eltern immigrierten fünf Jahre zuvor, er und seine Geschwister blieben bei der Grossmutter.

An seine Reise nach Basel erinnert er sich gut. «Wir bewegten uns durch lauter Räume: vom Auto in die Eingangsröhre des Flugzeugs, dann ins Flugzeug, wieder in eine Röhre, in den Flughafen, ins Auto.» Davor hatte sich sein Leben fast ausschliesslich draussen in der Natur abgespielt. «Und dann plötzlich all diese geschlossenen Räume. Mamma mia!»

Das Mehrfamilienhaus an der Nauenstrasse hatte drei Zimmer. In einem schliefen seine Eltern, im anderen Hüsnü mit seiner Grossmutter und den Geschwistern. «Acht Personen in einer Dreizimmerwohnung!» Er lacht, als könne er's selbst fast nicht glauben. «Aber jo, was wotsch mache.» Der Vater arbeitete bei der Basler Zeitung als Hilfsarbeiter, die Mutter in einem Hotel. Manchmal durften die Kinder sich ins Hotelrestaurant setzen und bekamen warme Gipfeli mit Ovo. «Tschöss, wie wir das geliebt haben!»

Lieblingsort

In dieser Rubrik porträtieren wir in loser Folge Basler Betriebe, die uns im Gedächtnis geblieben sind. Inputs und Ideen gerne an: [email protected] mit dem Betreff «Lieblingsort».

Seine Kindheit sei toll gewesen. «Was Pippi Langstrumpf in den Filmen hatte, hatten wir im echten Leben.» Die Eltern arbeiteten lange Tage und die Kinder waren sich selbst überlassen. Für den freiheitsliebenden Hüsnü die besten Voraussetzungen. Er fuhr BMX («Ein kaputtes, das ich im Müll fand, aber hey, es war ein BMX!»), war viel draussen.

Für die engen Verhältnisse schämte er sich nicht. Auch wenn viele seiner Freunde ganz andere Zuhause hatten. «Ich weiss noch, als ich das erste Mal im Zimmer eines Freundes stand. Ein ganzes Zimmer für ein Kind. Minchia, so viele Spielsachen. Und dann das Zvieri! Vollkornbrot mit Apfel!» Hüsnü verzieht verzückt das Gesicht. Diese Kombination ist bis heute seine Liebste.

Zazas Geheimrezept

Die Freude an Aromen begleitete ihn sein Leben lang. Später machte er eine Ausbildung zum Koch und arbeitete auf dem Beruf, bis er einen schweren Töffunfall hatte («Nein, schreib das nicht. Oder doch! Er ist nicht nur ein begnadeter Musiker – zeigt auf die beiden Saiteninstrumente an der Wand – sondern auch noch Rennfahrer!»). Anderthalb Jahre war er krankgeschrieben, das linke Bein macht ihm bis heute zu schaffen.

«Signore! Wo ist dein Wauwau?» Ein Nachbar ist ins Café gekommen, er bestellt Chai Latte, «wie immer». Zaza macht den Sirup selbst, alle paar Wochen setzt er einen riesigen Topf auf den kleinen Herd hinter der Theke und kocht verschiedene Gewürze auf. «Geheimrezept» raunt er dabei verschwörerisch. Vor ein paar Wochen hat er sein Angebot ausgeweitet, es gibt jetzt auch ein paar warme Speisen und ein Sonntagsfrühstück, schweizerisch oder anatolisch.

Grosse Solidarität im Quartier

Der Nachbar setzt sich nach draussen an einen der runden Tische. Er dreht sich eine Zigarette von Hüsnüs Vorrat. Hier wird geteilt, Ehrensache. Die Gastfreundlichkeit ist echt, sie ist der Grund, wieso die Menschen gerne hinkommen.

«Er trägt sein Herz auf der Zunge», sagt ein Stammgast, das Bild ist abgeschmackt, aber es trifft zu. Zaza spendiert Student*innen Kaffee, hört sich die Sorgen der Migrant*innen im Quartier an, spielt mit den Kindern der übernächtigten Jungeltern.

Entsprechend haben die Anwohner*innen reagiert, als bekannt wurde, dass das La Diva Geldsorgen hat: Ende April soll eine Soliparty für Hüsnü steigen. Die Veranstaltung ist gänzlich von Kund*innen organisiert, es gibt sogar eine Postkarte. Darauf ist Zaza vor dem Café zu sehen, über ihm eine Sprechblase mit Fluchsymbolen. «Unser Zaza», kommentiert eine Kundin zärtlich.

Porträt Hüseyn Sariasma
Zaza aus den Augen der Anwohner*innen. (Quelle: Naomi Gregoris)

Mittlerweile ist es später Nachmittag. Zaza sitzt draussen mit einem Freund, immer wieder halten Leute an für einen kurzen Schwatz. Drinnen steht sein Sohn Alkim und räumt ein paar Tassen weg. Wenn sein Vater nicht da ist, übernimmt der 19-Jährige. Er überlegt sich, eine Ausbildung zum Dentalassistenten zu machen, mehr Verantwortung im Café sei aber auch nicht ausgeschlossen. Auch Zazas Mutter ist eingespannt, sie putzt, kauft ein und kümmert sich um die Einrichtung.

«Wir sind ein Familienbetrieb», sagt Zaza, bevor er sich verabschiedet. «Und bei uns sagt man: Das weibliche Vögelein ist für das Nest zuständig!» Sein Sohn fasst sich an die Stirn und schüttelt den Kopf. «Hey nei.»

Hüsnüs Lachen ist bis nach draussen zu hören. «Also, wir sehen uns. E schöne!»

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