«Es gibt kaum Räume, die kühler als 24°C sind»

Hitze ist gefährlich – auch für Menschen ohne festen Wohnsitz. Der Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter hat sich an einer Studie zu «Cold Places» beteiligt. Im Interview sprechen wir darüber, wo kühle Raumangebote in der Stadt entstehen könnten.

Bajour: Lyn Huber und Manuela Jeker, als Co-Geschäftsleiterinnen beim Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter habt ihr zusammen mit der Ostschweizer Fachhochschule zu «Cold Places» geforscht. Was ist die Idee davon?

Manuela Jeker: Damit sich der Körper während einer Hitzeperiode abkühlen kann, darf ein Raum höchstens 24°C warm sein. Wir haben untersucht, welche halböffentlichen Räume in Basel diese Kriterien erfüllen. Es ist wirklich erstaunlich, dass es fast keine Räume gibt, die diesen Grenzwert einhalten. Man denkt ja immer, Kirchen seien kühl – aber auch dort war es wärmer. Dann haben wir vulnerable Menschengruppen gefragt, welche Bedürfnisse und Wünsche sie für solche kühlen Räume haben. Alte Menschen zum Beispiel wollen Räume, die nicht zu weit weg sind, damit sie nicht in der Hitze durch die halbe Stadt gehen müssen. Manche fanden, es sollten Personen da sein, die die Räume betreuen. Darauf basierend hat man eine Empfehlung zusammengestellt.

Lyn Huber: An dieser Forschungsarbeit war markant, dass unsere Klientel – also auch speziell vulnerable Personen – einbezogen wurde. Bei unserer Klientel kam dabei heraus, dass sie sich Orte für Rückzug und Ruhe als Aufenthalt wünschen. Viele Leute haben betont, dass es Institutionen sein sollten, die sie eh schon aufsuchen.

Welche Orte sind das? Huber: Zum Beispiel die Beratungsstellen. In den Empfehlungen des Forschungsprojekts werden diese als Raumgruppe 1 benannt. Dazu gehören auch wir als Schwarzer Peter. Unser Angebot kennen unsere Leute eh schon. Unsere Räume suchen sie nicht nur für Beratungen auf, sondern schon heute auch einfach für den Aufenthalt – zum Beispiel im schattigen Innenhof.

«Unsere Klientel wünscht sich kühle Orte, an denen sie bei der Hitze sich zurückziehen und ausruhen kann – und das sollen Orte sein, die sie eh schon aufsuchen.»
Lyn Huber, Co-Leiterin Schwarzer Peter

Wenn jetzt ganz viele Leute in der Hitze einen kühlen Ort suchen, habt ihr den Platz, um den zu stemmen?

Jeker: Unsere Räume sind nicht so gross. Das Hauptproblem ist, dass es auch nicht unter 24°C warm ist. Wenn es so heiss ist, müssen wir schauen, welche Massnahmen wir ergreifen könnten. Wir haben Platz für einige Leute. Ich denke aber nicht, dass wir überrennt werden würden. Wir wären sicher gewappnet für eine Pilotphase.

Könnte man die Räume auch mit einer Klimaanlagen runterkühlen?

Huber: Das mit dem Abkühlen müssen wir zuerst noch schauen. Im Aufenthaltsraum bieten wir bereits seit letztem Sommer Wasser mit Minze und Limette sowie wasserhaltige Früchte an. Ausserdem verteilen wir Sonnencreme und Sonnenhüte. Neu gibt es auch die Fächer des Gesundheitsdepartements und Pro Senectute, die wir verteilen können. Darauf befinden sich Piktogramme mit Hitzeschutz-Massnahmen. Das sind klar verständliche Tipps.

Als die Forschungsarbeit zu Cold Places gestartet ist, hiess es, dass bis Sommer 2025 erste Raumangebote evaluiert würden. Wisst ihr da schon mehr?

Jeker: Der Fokus liegt auf der schon angesprochenen Raumgruppe 1. Das heisst: Kleine Räume, die schon bestehen. Das ist sinnvoll, weil man sich einerseits von dem Hitzestress erholen und schützen kann. Andererseits können wir jetzt eben sensibilisieren und durch Beratung Prävention anbieten. Wir nutzen also das Raumangebot, was es schon gibt und schauen, was man mit den erarbeiteten Empfehlungen in diesen Räumen machen kann. Konkrete Räume, die das durchführen, gibt es anhand des Berichts noch nicht. Wir sind offen dafür, dass wir so ein Raum sein könnten.

«Es braucht mehr niederschwellig zugängliche Duschmöglichkeiten.»
Manuela Jeker, Co-Leiterin Schwarzer Peter

Während der Frauen-EM wird das Stadtcasino geöffnet sein für die Öffentlichkeit als Rückzugsort, wenn es auf dem Barfi zu heiss wird. Es gibt Gaming- und Chillangebote, man kann sich dort einfach aufhalten. Ich habe mich gefragt, ob das für ein anderes Publikum gedacht ist, als für die Klientel von Schwarzer Peter.

Huber: Die Frage ist eher, ob das dem Bedürfnis unserer Klientel entspricht, das ja eher einen ruhigen und erholsamen Rückzugsort sucht. Da weiss ich nicht, ob das Stadtcasino so attraktiv ist. Gleichzeitig haben wir viele Besucherinnen und Besucher, die sehr gerne an Events und kulturelle Anlässe gehen. Wir werden sicher einzelne Leute dort finden.

Jeker: Es ist eine schöne und tolle Entwicklung, dass mehr halböffentliche Räume sich öffnen. Viele dieser Anbieterinnen und Anbieter wünschen sich eine Durchmischung. Trotzdem bringt es immer sehr grosse Herausforderungen mit sich: Wenn jemand nie duscht, ist es wirklich ein Problem. Das ist im Sommer geruchstechnisch eine Herausforderung. Die Duschen, die es am Bahnhof gibt, sind kostenpflichtig, relativ teuer und werden im Moment umgebaut. Wir müssen also auch überlegen, wo wir ansetzen können, damit die Räume für alle nutzbar sind.

Also müssen Cold Places auch Duschangebote und ausgebaute Sanitäranlagen haben?

Jeker: Duschen ist wirklich ein grosses Bedürfnis. Den Leuten geht es besser, wenn sie duschen – das hat auch etwas mit Würde zu tun. Seit Jahren sind wir an diesem Thema dran. Es braucht mehr niederschwellig zugängliche Duschmöglichkeiten. Und: Oft sind die Duschen heute auch sehr funktional. Aber gerade für das eigene Körpergefühl und für die Würde wäre es unser grosser Wunsch, dass es wirklich schöne, grosse Duschen gibt. Dort können die Leute auch ihre Sachen auspacken und sich vielleicht eincremen – so wie wir auch gerne duschen.

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David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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