Musikbüro verärgert elektronische Szene
Während die Alternativkultur von den gerade gesprochenen Clubfördergeldern profitiert, gehen kommerziellere Betriebe leer aus. Der Unmut ist gross, die Vermittlung der Förderpraxis verbesserungswürdig.
Bevor sich das Musikbüro Mitte Juli in die Sommerferien verabschiedet hat, machte es noch einen mit Spannung erwarteten Entscheid publik – und zwar welche Basler Clubs, Konzertlokale und Veranstaltungsreihen dank der neuen Clubförderung staatlich gefördert werden sollen. Doch statt Freude hat der Förderverein mit seiner unglücklichen Kommunikation eine ziemliche Aufregung in Teilen der Basler Musikszene ausgelöst.
So erhalten im zweiten Halbjahr 2024 vierzehn Betriebe und Livemusik-Programme Beiträge von bis zu 40’000 Franken, wie die BaZ berichtete. Eingegangen sind über 30 Gesuche; viele von ihnen wurden im Vorfeld von den Geldgeber*innen dazu ermuntert, ihre Dossiers einzureichen. Unter den Glücklichen befinden sich nun beispielsweise das Hirscheneck oder das Humbug (je 40’000), aber auch das Renée oder das Kulturschiff Gannet (je 20’000) sowie das Rouine und die Marina Bar (ebenfalls je 20’000) haben einen ordentlichen Batzen erhalten.
Nachfragen versanden
Wer weshalb wieviel Geld bekommen hat, bleibt jedoch unklar. Das ist pikant: Immerhin geht es bei der Vergabe um Steuergelder. Doch weil die Zuständigen des Musikbüros derzeit in den Ferien weilen, bleiben Nachfragen unbeantwortet. Das Amt für Kultur seinerseits verweist auf das Musikbüro, welches «für die Ausschreibung und das damit verbundene Verfahren vollumfänglich zuständig ist».
Das Jammern am Rheinknie ist trotz der eben gesprochenen Gelder gross. Mit der Initiative für mehr Musikvielfalt wird die Unzufriedenheit derzeit an die Oberfläche gespült. Ein guter Zeitpunkt, das Kulturleitbild zu überdenken und eine Strategie zu entwickeln. Eine Auslegeordnung.
Dass die Nachfragen bezüglich Absagen versanden, ärgert besonders jene, die leer ausgegangen sind. Dazu gehören Clubs wie die Heimat, der Nordstern oder der Nebel. Überhaupt haben die grossen Player*innen der elektronischen Szene in dieser ersten Vergaberunde kein Geld gesehen. Berücksichtigt wurde einmal mehr, so lautet die Kritik, die immer gleiche Alternativkultur. Hier scheinen nach Meinung mancher Abgelehnten die Präferenzen des Musikbüros zu liegen. Kommerziellere Läden haben es offenbar schwieriger, wobei unklar bleibt, wie sich kommerziell definiert.
So erklärte der Förderverein gegenüber der Heimat, dass die Fachjury zwar anerkenne, dass die Heimat ein wichtiger Ort für die junge queere und und BIPOC Community sei, dennoch habe das Gesuch die Fachjury nicht davon überzeugen können, dass die Kriterien der Programmförderung erfüllt würden. Dem Nordstern, der lokale Künstler*innen verhältnismässig stark unterstützt, wiederum erklärte man, es sei zu kommerziell, um gefördert zu werden. So sagt Nordstern-Manager Dan Keller zu Bajour: «Es wirft Fragen auf, dass Förderanträge trotz Erfüllung aller Kriterien abgelehnt werden, besonders wenn die Entscheidungsprozesse der Gremien nicht transparent sind.» Wegen der für viele nicht nachvollziehbaren Absagen durch das Musikbüro haben einige der nicht berücksichtigten Betriebe Rekurs eingereicht.
«Es wirft Fragen auf, dass Förderanträge trotz Erfüllung aller Kriterien abgelehnt werden, besonders wenn die Entscheidungsprozesse der Gremien nicht transparent sind.»Dan Keller, Manager des Nordstern
Die Heimat wird ohne die gesprochenen Gelder höchstwahrscheinlich nicht in den Herbst starten; auch eine Petition wurde ins Leben gerufen, um den Club zu retten. Man darf sich wohl fragen, ob das politische Ziel, durch die Vergabe eine Verbesserung der Bedingungen für die Clubs zu erreichen, als verfehlt bezeichnet werden kann, wenn gut die Hälfte der Betroffenen danach frustriert oder wütend ist? Andererseits ist es für diejenigen, die Geld bekommen haben, ein wichtiges Zeichen. Wenn alle etwas bekämen, müssten die Beträge kleiner ausfallen und vielleicht weniger Schub bringen.
Unbeantwortete Fragezeichen
Aber auch in Bezug auf jene, die staatliches Geld bekommen haben, gibt es Fragezeichen. So ist schwer nachvollziehbar, wieso beispielsweise ein Humbug doppelt so viel Geld erhalten hat wie die Gannet. Ebenso fragwürdig ist es für manche, wieso sowohl das Rouine als auch die Marina Bar Geld bekommen, welche die selben Betreiber*innen haben, sodass sich die Läden theoretisch querfinanzieren könnten.
«Die Clubszene hat nun drei Jahre Zeit, um sich zu finden, das gelingt uns nur gemeinsam.»Johannes Sieber, GLP-Grossrat und Kultur-Unternehmer
Auf dem politischen Parkett wird ebenfalls Kritik laut, wenn auch zurückhaltend. So sagt Johannes Sieber, GLP-Grossrat und Kultur-Unternehmer, auf Nachfrage: «Fördermittel bergen immer auch die Gefahr einer Marktverzerrung, weil der geförderte Club einen Wettbewerbsvorteil erfährt. Dem muss man sich bewusst sein und darum muss sorgfältig und nachvollziehbar gearbeitet werden bei der Vergabe.» Ohne den Verantwortlichen die Sorgfalt absprechen zu wollen, sagt er: «Der Aufschrei macht deutlich, dass die Nachvollziehbarkeit der Entscheide verbessert werden muss.»
Die Clubförderung sei ein vierjähriges Pilotprojekt und es handle sich um die erste Vergaberunde. Der Austausch zwischen Musikbüro und Clubs müsse im Hinblick auf die nächste und übernächste Runde optimiert werden. Oder deutlicher: «Die Clubszene hat nun drei Jahre Zeit, um sich zu finden, das gelingt uns nur gemeinsam.»
Gelegenheit dazu, ein Gefühl für die neue Förderpraxis zu entwickeln, wird sich bald erneut bieten: In den kommenden Wochen können bereits die Gesuche für das Jahr 2025 eingereicht werden. Die Clubförderung wurde im November 2023 vom Grossen Rat beschlossen und gilt als grosse Errungenschaft. Sie wird als Teil der Trinkgeld-Initiative, die 2020 von der Basler Stimmbevölkerung angenommen wurde, umgesetzt.