Stille Nacht
Gschänkli-Stress, Last-Minute-Shopping, Mampfen bis zum Umfallen... Das alles bleibt mir erspart. Meine Familie und ich feiern keine Weihnachten – zum Glück.
Wenn Bajour-Kollegin Ina vorfreudig erzählt, wie sie zu Weihnachtsschnulzen durch ihre Wohnung hüpft und sie schon voll das Festtagsfieber erwischt hat, bleibt mir nichts anderes übrig als etwas verständnislos zu nicken. Als Muslim*innen aus Kosovo feiern meine Familie und ich nämlich keine Weihnachten. Früher als Kind hat mir das von meinen Freund*innen mitleidige Blicke eingebracht. Mittlerweile höre ich schon fast Neid in den Stimmen der Menschen, wenn ich ihnen verkünde, dass der 24. bis 26. Dezember für mich entspannte, ja langweilige Tage sind.
Mir bleibt es erspart, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, was ich meinen Eltern schenken soll. Ich muss nicht am 23. Dezember verschwitzt durch die Freie Strasse hetzen, weil mir in letzter Minute eingefallen ist, dass ich kein Präsent für meine Tante habe. Die grosse Familienzusammenkunft haben wir schon an Bajram erledigt.
Ich habe insgesamt vierzehn Tanten und Onkel. Von meinen ganzen Cousins und Cousinen will ich gar nicht erst anfangen. Um sie alle zu beschenken, müsste ich mir Wochen im Voraus minutiös einen Masterplan zurechtlegen.
«In Kosovo sind zwar rund 90 Prozent der Bevölkerung muslimisch. Aber auch dort gibt's inzwischen Weihnachtsbräuche.»
Stattdessen bin ich in der bequemen Situation, dass ich mich zurücklehnen und geniessen – und mich mit der hüpfenden Ina mitfreuen kann. In der Siedlung, in der ich aufgewachsen bin, steht jedes Jahr im Innenhof eine wunderschöne grosse Tanne, geschmückt mit bunten Päckli. Weihnachtsgutzi, Schoggitaler, Glühwein – es ist nicht so, als würde mich das alles kalt lassen. Die Winterkälte und Dunkelheit ist gleich weniger schlimm, wenn in der Basler Innenstadt die Weihnachtsbeleuchtung angeknipst wird.
Bei meinen Eltern zu Hause hängt sogar ein Weihnachtsstern an der Tür. Du siehst, ich kann mich den Festivitäten nicht ganz entziehen. Darum sitze ich während Weihnachten meistens gemütlich auf dem Sofa und schaue mit meinem Papa und meiner Schwester die gleichen Weihnachtsklassiker wie jedes Jahr: 3 Nüsse für Aschenbrödel, Love actually, The Holiday. Und dieser eine schrecklich kitschige Film mit Tim Allen, der sich in den Weihnachtsmann verwandelt. Ich kenne sie alle auswendig.
In Kosovo sind zwar rund 90 Prozent der Bevölkerung muslimisch. Aber auch dort gibt's inzwischen Weihnachtsbräuche. Zugegeben: Mit der Geburt Christi hat das nur noch wenig zu tun. Der Mutter-Theresa-Boulevard in Prishtinas Innenstadt wird während der Festtagszeit mit Lichterketten, dekorierten Tannenbäumen und Glühweinständen zum Winterwonderland. Ganz nach dem Motto: «Wenn es etwas zu feiern gibt, dann solltest du immer feiern.»
Für Baba News hat Yasemin erzählt, wie es für sie ist, kein Weihnachten zu feiern: