Ist sich die Regierung zu fein für Cats?

Entlang der Musicalbad-Diskussion spannt sich eine alte Konflitklinie auf: Die zwischen Unterhaltungs- und Hochkultur. Das ist Gift für die Kulturpolitik. Ein Kommentar.

Cats
Jellicle songs for Jellicle Cats (Bild: TM © 1981 RUG LTD)

Der Basler Musicalbad-Streit wird aktuell inszeniert, als wäre es ein Entweder-Oder zwischen Musical Theater und Hallenbad. Diejenigen, welche den Veranstaltungsort retten wollen, wiederholen ständig, sie seien für beides: Lion King UND Schwimmturniere.

Wer will schon Populärkultur gegen Sport ausspielen?

Dabei entfaltet sich eine ganz andere Konfliktlinie: die zwischen der so genannten ernsten und der Unterhaltungskultur. So sagte etwa Thomas Gander (SP) dem SRF, das Musical Theater habe keine «Ausstrahlung wie etwa das Theater Basel.»

Damit stärkt er der Regierung vordergründig den Rücken. Deren Vertreter Conradin Cramer (LDP) sagte der bz Basel, er bezweifle, dass mit dem Abriss des Musical Theaters eine «grössere kulturelle Lücke» entsteht. Die Zeit der klassischen Musicals, die wochenlang in Basel haltmachten, sei vorbei. «Das funktioniert in grösseren Städten wie London. Aber nicht mehr in Basel», meint Cramer. 

Gift für die Kulturpolitik

Wer den Wert des Musical Theaters so abtut, läuft Gefahr, eine elitäre Kulturdebatte anzuheizen und kommt ausserdem in Erklärungsnöte. Das schadet den etablierten Institutionen wie dem Theater oder dem Sinfonieorchester.

Denn letztere sind staatlich unterstützt, während sich das Musical Theater privatwirtschaftlich finanziert. Tamara Alù vom Freisinn, die das Musical Theater retten will, sagt denn auch auf Telebasel: «Das Musical Theater funktioniert, warum sollte man es abreissen?».

Die genaue Finanzlage des Musical Theaters ist nicht klar. Die Freddy Burger Management war laut BaZ-Bericht überrascht von der Kündigung, die Regierung redet von «Sanierungsbedarf», das Gebäude ist im Eigentum des Kantons. Die konkreten Regierungs-Antworten zu politischen Vorstössen von GLP und EVP stehen noch aus.

Herz Liebe
Ciao miau.

Sicher ist: Gerade jetzt ist der Zeitpunkt für ein Streit zwischen E und U denkbar ungünstig: Die Basler Kulturinstitutionen handeln aktuell mit der Verwaltung die Umsetzung der Trinkgeldinitiative aus. Sie fordert, dass fünf Prozent des Kulturbudgets in Jugend- und Alternativkultur fliesst. Der Erfolg des Begehrens in der Stimmbevölkerung hatte Regierung und Grossen Rat einigermassen kalt erwischt, so dass sie mir nichts dir nichts das Kulturbudget erhöhten, um die Forderung zu erfüllen.

Aber die Debatte ist damit nicht zu Ende, bereits sind die nächsten Begehren in der Pipeline. Die IG Musik fordert mittels Initiative, dass in Zukunft ein Drittel der Musikförderung an freie Künstler*innen statt in Institutionen fliesst. Das ist eine Kampfansage. Etwa an das Sinfonieonieorchester und Konsorten, beziehungsweise von U-Musikern an die etablierten E-Kulturhäuser. Und es ist ein Konflikt, den Regierung und Parlament nicht einfach über eine Budgeterhöhung beruhigen können (oder sollten).

Herr Cramer und Herr Gander sollten sich also gut überlegen, ob sie das Musical Theater gegen Theater Basel und co. ausspielen wollen. Damit bedienen sie einen alten Trigger: Den, dass sich die Hochkultur für die Populärkultur zu fein ist. Das Basler Stimmvolk sieht das offenbar anders.

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Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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