«Die Uni muss für alle sozialen Schichten durchlässig bleiben»
Der Bund will die Studiengebühren erhöhen. Die studentische Körperschaft Skuba wehrt sich dagegen. Eine von ihr veröffentlichte Studie zeigt, dass Studierende bereits jetzt finanziell stark unter Druck stehen.
Der Bund muss sparen. Potenzial dafür sieht er auch bei den Schweizer Universitäten. Im Rahmen des vorgeschlagenen «Entlastungspaket 27» will der Bundesrat deshalb ab 2027 die Studiengebühren für Schweizer Studierende verdoppeln, für ausländische Studierende vervierfachen.
Die Studierendenorganisation Skuba wehrt sich dagegen, da der finanzielle Druck auf Student*innen heute schon gross sei. 60 Prozent der Studierenden haben einen Nebenjob, um die Lebenshaltungskosten finanzieren zu können. Das geht aus einer Umfrage hervor, die die Skuba heute veröffentlicht hat.
Til Hänggi, Präsident der Skuba, spricht über die Ergebnisse der Studie.
Til Hänggi, weshalb hat die Skuba die Umfrage gemacht?
Ursprünglich wollten wir herausfinden, wie viel unsere Mitstudierenden neben dem Studium arbeiten. Gleichzeitig kam das Entlastungspaket 27 des Bundes auf, das Sparmassnahmen im Bildungsbereich vorsah. Da haben wir gemerkt, dass wir eine solide, faktenbasierte Grundlage brauchen, um einschätzen zu können, wie prekär die finanzielle Situation unseren Mitstudierenden ist oder ob wir uns einfach nur gegen eine Erhöhung der Studiengebühren stellen, weil wir das grundsätzlich nicht wollen. Wir haben eine wissenschaftlich fundierte Umfrage aufgesetzt und sie von Mai bis August laufen lassen. Anschliessend haben wir die Ergebnisse von unabhängigen Wissenschaftler*innen auswerten lassen. Die Resultate zeigen deutlich, dass wir uns gegen eine Studiengebührenerhöhung und allgemein gegen Sparmassnahmen im Bildungsbereich einsetzen müssen. Denn schon jetzt sind die Studierenden durch ihre Nebenerwerbstätigkeit extrem ausgelastet.
Die Studie zeigt eine deutliche Problematik. Bleibt es bei der Publikation oder plant die Skuba weitere Schritte?
Wir haben neben der heute verschickten Medienmitteilung auch ein hochschulpolitisches Statement verfasst. Zusätzlich haben wir sämtliche Parlamentarier*innen angeschrieben. Das Thema kommt wahrscheinlich noch nicht in die Herbstsession, die bald startet, aber sehr wahrscheinlich wird es in der Wintersession behandelt. Damit unsere politischen Vertreter*innen im Parlament das Thema aufnehmen können, müssen wir sie vorzeitig informieren, damit sie sich für diese wichtige Thematik einsetzen.
Befürworter*innen von höheren Studiengebühren argumentieren, dass die Schweizer Gebühren im internationalen Vergleich relativ niedrig sind. Was würden Sie dem entgegnen?
Der internationale Vergleich hinkt, weil die Lebenshaltungskosten in der Schweiz sehr hoch sind. Schon heute arbeiten viele Studierende nebenbei, um überhaupt über die Runden zu kommen. Bildung ist eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Ressource der Schweiz, gerade deshalb sollte hier investiert werden. Die Schweiz hätte die finanziellen Möglichkeiten, Studierende besser zu unterstützen. Eine Gebührenerhöhung würde aber die Studienzeit verlängern oder gar zu Studienabbrüchen führen. Das bedeutet am Ende einen Verlust für die ganze Volkswirtschaft, und die Rechnung ginge genau an jene, die ohnehin schon kaum Geld haben.
In der Studie steht auch, dass viele Studierende aufgrund ihrer Jobs Lehrveranstaltungen verpassen oder dadurch ihre Leistungen als schlechter einschätzen. Gibt es Studierende, die das Studium wegen dieser Belastung abbrechen?
In unserer Umfrage haben wir gefragt, welche Auswirkungen eine Studiengebührenerhöhung hätte. Viele gaben an, dass sich ihr Abschluss deutlich verzögern würde oder dass sie sogar ihr Studium abbrechen müssten. Bei einer Beteiligung von rund 800 Studierenden, ist das durchaus repräsentativ. Daraus können wir schliessen, dass unsere Mitstudierenden durchaus ihr Studium aufgrund der Studiengebührenerhöhung abbrechen könnten.
«Eine Erhöhung bedeutet nur eine zusätzliche Belastung für die Universität, die Trägerkantone und vor allem für die Studierenden, die ohnehin schon unter grossem Stress und finanzieller Last stehen»Til Hänggi, Präsident Skuba
Welche weiteren Folgen könnte eine Gebührenerhöhung haben?
Einerseits macht sie die Studierenden stärker abhängig von den Eltern, die das Studium finanzieren müssten. Wenn diese Unterstützung durch die Eltern nicht möglich ist, geht es schnell um die eigene Existenzsicherung. Dann gibt es noch die Stipendien, die ich explizit erwähnen möchte. Schon heute reichen die Stipendienvergütungen nicht aus. Wenn man die Studiengebühren erhöht, müsste das unbedingt durch höhere Stipendien kompensiert werden. Die Frage ist aber, ob sich die Trägerkantone das leisten können oder überhaupt leisten wollen, oder ob es andere Institutionen gibt, die sich hier einschalten würden. Gleichzeitig arbeitet eine Mehrheit der Studierenden schon jetzt nebenher, um sich zu finanzieren. Wenn man das Pensum der Nebeberwerbstätigkeit erhöhen müsste, würde es kritisch werden. Ein Kreditpunkt bedeutet rund 30 Stunden Aufwand, pro Semester sind etwa 30 Punkte vorgesehen. Das entspricht einer 100%-Arbeitsstelle. Da bleibt bereits jetzt kaum Raum für ein erhöhtes Pensum. Und letztlich geht es um Chancengleichheit. Die Universität muss ein Ort sein, der für alle sozialen Schichten durchlässig bleibt.
Wie kann man das erreichen?
Erstens, die Studiengebühren nicht erhöhen (lacht). Zweitens, die Stipendienangebote ausbauen und die Studierenden besser dafür sensibilisieren. Dieser Punkt gilt auch unabhängig der Studiengebührenerhöhung. Das ist auch meine Forderung.
Bajour lädt am Mittwoch, 24. September, zur Podiumsdiskussion ein: Wir sprechen über die Zukunft der Uni Basel und darüber, wie sie sich künftig finanzieren und positionieren möchte.
Könnte eine Erhöhung der Studiengebühren für die Universität oder die Studierenden auch eine Chance bieten?
Ehrlich gesagt sehe ich keine einzige Chance. Die einzige Chance wäre, die Gebühren nicht zu erhöhen. Eine Erhöhung bedeutet nur eine zusätzliche Belastung, für die Universität, die Trägerkantone und vor allem für die Studierenden, die ohnehin schon unter grossem Stress und finanzieller Last stehen. Wir dürfen nicht bei den Studierenden sparen, die bereits aktuell wenig Spielraum haben. Unsere Umfrage zeigt klar, dass der Studienalltag mit Nebenerwerb bereits jetzt viel Verantwortung und Planung erfordert. Noch mehr Hürden zu setzen, ist schlicht unrealistisch.
Irgendwann ist dann auch die Frage, woher kommen die Nebenjobs?
Genau, die müssen auch erst einmal vorhanden sein. Natürlich gibt es einige fachnahe Arbeitsplätze, die sich gut mit dem Studium vereinbaren lassen. Aber der Grossteil der Jobs hat nichts mit dem Studienfach zu tun. Das ist volkswirtschaftlich kein Gewinn. Ein fachfremder Nebenjob kann eine interessante Erfahrung sein, aber am Ende bringt er wenig Nutzen, wenn dadurch das Studium verlängert werden muss. Deshalb ist es der falsche Ort, bei uns Studierenden zu sparen. Wir sind letztlich eine Investition in die Zukunft unseres Arbeitmarktes. Und dabei darf man nicht nur in Konsumgütern denken.