«Do könnt au none Baum aane»
In Basel müssten mehr Bäume gepflanzt und öffentlicher Raum begrünt werden, findet alt Grossrat Thomas Grossenbacher. Doch wenn es konkret wird, gewinnt Amtsschimmel und Asphalt gegen Eigeninitiativen und Blattgrün. Ein Rundgang.
Die Sonne scheint auf die 2er-Station am Bankverein. Dort, wo vor kurzem noch der Boden aufgerissen war, ist jetzt Asphalt. Thomas Grossenbacher stellt sein Velo aufs Trottoir, blickt zur Baustelle am Kunstmuseum und schüttelt den Kopf. Die Regierung hat mehrmals verkündet, sie wolle Boden entsiegeln und die Stadt begrünen. Grossenbacher findet: «Es passiert nicht genug.»
Thomas Grossenbacher war von 2005 bis 2021 Grossrat der Grünen. Im Grossen Rat setzte er sich stark für die Entsiegelung ein. Doch was ist das eigentlich?
Entsiegelung ist das Ersetzen von Beton- und Asphaltflächen mit wasserdurchlässigem Material. Das macht man unter anderem, da bei versiegelten Flächen Regenwasser nicht absickern kann und sie sich stärker erhitzen.
«Wieso macht man hier nichts?»Thomas Grossenbacher
Wenn sich Grossenbacher das neu sanierte Gebiet rund ums Kunstmuseum und den Bankverein anschaut, sieht er vor allem eins: Teer. «Teer ist offenbar einfacher», sagt Grossenbacher. Einfacher zu verbauen, einfacher zu putzen für die Stadtreinigung. «Warum werden nicht auch Alternativen geprüft und umgesetzt?»
Grossenbacher zeigt auf die Fläche zwischen den beiden Tramhaltestellen. «Hier könnte man doch mit etwas Kreativität entsiegeln.» Es ist ein kurzer Abschnitt, wo weder Tram noch Autos fahren. Jetzt ist dort Asphalt, Grossenbacher hätte lieber Gras, Büsche oder passende schmale Bäume. «Wieso macht man nichts auf dieser öden und im Sommer brütend heissen Teerfläche?» fragt er in einem frustrierten Ton. An anderen Orten in der Stadt fahre das Tram sogar auf entsiegeltem Boden, beispielsweise der 11er, wenn er von der Münchensteinerbrücke kommend Richtung Dreispitz fährt.
Zurück zum Bankverein. Dort zeigt Grossenbacher auf den Gehweg vor der Credit Suisse, das Trottoir wurde durch den Umbau breiter. Auf dieser zusätzlichen Fläche könne man problemlos Blumentöpfe oder kleine Bäume platzieren, sagt Grossenbacher. «Es fehlt die Fantasie.» Das gelte für viele Orte in Basel.
Es würden durchaus jeweils Alternativen geprüft, verteidigt sich das Bau- und Verkehrsdepartement (BVD). Beim Bankverein und bei der Credit Suisse sei aber der gesamte Strassenbereich durch das Parking Kunstmuseum unterbaut, «weshalb eine Versickerung ins Erdreich an dieser Stelle nicht möglich ist». Zudem müsse man bei der Planung auch anderen Anforderungen gerecht werden, «beispielsweise unterschiedlichen Nutzungsansprüchen oder der Hindernisfreiheit im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes».
Wir steigen aufs Velo und fahren durch die Stadt. Immer wieder zeigt Grossenbacher auf geteerte Plätzchen und Strassenabschnitte: «Do könnt au none Baum ahne».
«Ich hoffe da kommen Bäume hin.»Thomas Grossenbacher
Grossenbacher stört sich aber daran, dass Bäume gefällt wurden. Insgesamt wird es nach der Umgestaltung zwar mehr Bäume geben, das Fällen bedauert der alt Grossrat trotzdem. Damit ist er nicht allein. Die Mitte-Grossrätin Andrea Strahm reichte eine Motion ein, die strengere Regelungen für das Fällen von Bäumen fordert.
Am Wielandplatz steigt Grossenbacher vom Velo. Der Platz wird gerade erneuert. Grossenbacher ist zufrieden: «Hier passiert schon viel Gutes.» Rund 810 Quadratmeter neuer unversiegelter Boden soll entstehen. Damit sei der Spielraum auch maximal ausgenutzt, schreibt das BVD auf Anfrage. «Auf jeden Fall hat der neu konzipierte Wielandplatz Vorbild-Potential», findet Grossenbacher. «Wir werden sehen, wenn der Platz fertig ist, ob noch mehr grün möglich gewesen wäre.»
Wir fahren weiter ins Kleinbasel. In der Wettsteinallee vor der Roche ist das Trottoir von Baggern versperrt. «Ich hoffe da kommen Bäume hin», sagt Grossenbacher und zeigt auf die Baustelle. Ein Blick in die Pläne des Tiefbauamtes bestätigen: Es kommen Bäume hin. 110 im Geviert Wettsteinallee/Grenzacherstrasse. Jetzt geht die Velotour ins Matthäus-Quartier.
In der Feldbergstrasse hat Thomas Grossenbacher mehr Lob zu verteilen. Die Glyzinien an den Hauswänden begeistern ihn. Diese Fassadenbegrünung war ein Projekt von Ökostadt Basel. Viel Boden wird zwar nicht entsiegelt, aber auch durch diese Pflanzen werde die Stadt grüner, meint Grossenbacher. «Die blühenden Pflanzen bringen Farbe und Atmosphäre in die Stadt. Pflanzen sorgen nicht nur für ein besseres und in der Sommerhitze kühleres Stadtklima, sie hellen auch die Stimmung auf.»
In der Oetlingerstrasse, nicht weit von den Glyzinien entfernt, findet man Bänke und Pflanzentöpfe auf der Strasse. «Auch mit kleinen Massnahmen lässt sich viel bewirken», sagt Grossenbacher. Seiner Meinung nach könne man das an vielen Orten in Basel umsetzen, zum Beispiel in Quartierstrassen vor und nach einer Reihe an Parkplätzen. «Es muss gar nicht nicht immer Parkplatz gegen Baum sein. Vielmehr geht oft sowohl als auch, indem zum Beispiel Bäume die Parkflächen begrenzen», sagt er.
Eigentlich sind diese Massnahmen gegen den Klimawandel alle im Stadtklimakonzept enthalten, das die Regierung im vergangenen Sommer verabschiedete. Die Umsetzung lässt aber noch auf sich warten. Es sei geplant, «eine Potenzialanalyse für Fassadenbegrünungen an kantonalen Gebäuden zu erarbeiten und dann anhand von Pilotprojekten Erfahrungen zu sammeln», schreibt das BVD auf Anfrage. Pflanzentöpfe seien im Unterhalt aber sehr viel teurer als «bodengebundene Vegetation» und bisher nur an einzelnen Plätzen vorgesehen.
So oder so erfolge die Planung und Projektierung öffentlicher Strassen und Plätze «immer anhand der gültigen Gesetze, Normen und politischen Vorgaben», betont das BVD. Künftige Projekte sollen also das Stadtklimakonzept berücksichtigen.
Thomas Grossenbacher findet dem Bau- und Verkehrsdepartement fehle es noch an Mut. «Es gibt gute Beispiele der Entsiegelung in Basel, wieso werden die nicht konsequenter umgesetzt?», fragt er. Allerdings sieht er nicht Regierungsrätin Esther Keller in der Verantwortung, sie sei noch nicht genug lange im Amt. «Ihre Leistung können wir erst in ein paar Jahren beurteilen.» Grossenbacher hofft, dass mit dem Wechsel im Baudepartement ein neuer Weg eingeschlagen wird.
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