«Ich fliege zwölfmal pro Jahr, weil der Zug langsam und teuer ist»
Basel schmilzt bei der Hitze fast weg. Trotzdem fliegen die Menschen en masse in die Ferien? Was denken sie sich dabei? Eine Umfrage am Euro-Airport.
Heute wird es in Basel 35 Grad heiss. Ältere Menschen verschanzen sich in der Wohnung, jüngere suchen Abkühlung. Aber nicht in der Birs – dort ist baden verboten, wegen der Fische, die ebenfalls unter der Hitze leiden. Die Landwirt*innen fürchten um ihre Ernte, die Forstwart*innen um die Bäume. Es ist deutlich zu spüren: Die Klimakrise ist da.
Und trotzdem fliegen die Basler*innen, was das Zeug hält. Obwohl alle wissen, dass Fliegen zu den CO2-Treibern schlechthin gehört.
Das hier soll kein moralinsaurer Meimei-Artikel mit erhobenem Zeigfinger werden. Auch von der Bajour-Redaktion sind einige weggeflogen – und kamen mit schlechtem Gewissen zurück. Wir wollten deshalb herausfinden: Warum fliegen wir, obwohl wir es besser wüssten? Also sind wir an den Euro-Airport gefahren und haben Reisende gefragt.
Biatto, 26, Praktikant
«Ich fliege etwa 12 Mal pro Jahr von Bordeaux nach Basel, weil meine Freundin hier lebt. Eigentlich würde ich gerne öfter den Zug nehmen, aber mit meinem Praktikantengehalt ist das fast nicht möglich. Irgendwie läuft doch was falsch, wenn ich für den einstündigen Flug 50 Franken zahle, aber für die gleiche Strecke mit dem Zug sechs Stunden brauche und fast das Doppelte bezahlen muss. Wenn der ÖV in Frankreich genauso pünktlich, schnell und zuverlässig wäre, wie in der Schweiz, würde mich auch der Preis nicht mehr so stören. Ich versuche mich schon umweltfreundlich zu verhalten.
Mir macht es Spass in meinem kleinen Garten eigenes Gemüse zu pflanzen und auch beim Recycling bin ich sehr konsequent. Ich weiss natürlich schon, dass das ganze Fliegen damit nicht kompensiert wird. Für die Zukunft mache ich mir grosse Sorgen. Vor allem bei der Hitze in den letzten Wochen merke ich, dass der Klimawandel bereits in der heutigen Zeit grossen Schaden anrichtet.»
Yuzuki, 22, Studentin
«Ich versuche so wenig wie möglich zu fliegen, aber wenn ich meine Familie in Japan besuchen will, gibt es fast keine andere Alternative als das Flugzeug. In ein paar Wochen fange ich an in Basel an der Universität Musik zu studieren. Meine Oboe ist wirklich alles für mich. Aber ich frage mich schon, wie die Zukunft für junge Leute wie mich aussehen wird, denn der Klimawandel kommt wirklich mit grossen Schritten auf uns zu.
In meinem Alltag fühle ich mich oftmals überfordert, wenn ich meinen ökologischen Fussabdruck verkleinern will. Jede*r hat da seine eigene Meinung, was das ganze ein bisschen verwirrend macht.»
Arian, 22, Anlagenmechaniker
«Ich fliege mit meinem Bruder nach Pristina im Kosovo, um meine Familie zu besuchen. Das mache wir ein- bis zweimal im Jahr. Mit dem Auto fahren wir schon länger nicht mehr, das dauert viel zu lange und bei den hohen Benzinpreisen ist das auch sehr teuer.
Der Zukunft blicke ich sehr entspannt entgegen. Es kommt mit der Erderwärmung mit Sicherheit eine schwierige Zeit auf uns zu, aber diesen Sommer ist es einfach nur heiss. Das hat es schon immer gegeben.»
- Über 70-Jährige machen gerade mal 3,5% der Flugpassagiere aus. 22% sind unter 29-jährig
- Die Städter*innen fliegen häufiger als Menschen auf dem Land. Letztere fahren mehr Auto
- 2019 gab es weltweit knapp 47 Millionen Flüge. 26 Millionen waren es 2021
- Die Babyboomer*innen werden zu den grössten Klimasünder*innen, auch weil sie oftmals in zu grossen Häusern wohnen.
Monica, 53
«Ja, der Klimawandel macht mir schon Angst. Vor allem die Jungen Menschen tun mir leid. Ich versuche in meinem Alltag so gut es geht auf mein Auto zu verzichten und esse auch ganz bewusst weniger Fleisch.
Ich finde alle von uns könnten ein bisschen mehr mache. Aber auf die drei Wochen Ferien mit meinen Freunden in Schottland konnte ich nicht verzichten. Geflogen bin ich weil der Zug viel teurer ist und die ganze Zeit mein Gepäck herum zu schleppen, mach ich auch nicht mehr.»
Tonksu, 27 und Paulina, 23, beide Reinigungsfachkräfte
«Wir fliegen nach Sofia in Bulgarien, um unsere Familien zu besuchen. Wir arbeiten in der Schweiz und Deutschland als Reinigungspersonal. Wir fliegen etwa viermal pro Jahr wieder zurück in die Heimat. Mit dem Zug dauert das viel zu lange.
Ich glaube in den nächsten zehn Jahren wird sich das Klima nicht gross verändern, aber danach will ich mir nicht vorstellen, was auf uns zukommt. Wenigsten habe ich kein Auto, das macht das ganze Fliegen ein bisschen besser.»
Phyllis, 20, Ausbildung zur Foto- und Medientechnikerin
«Eine Freundin von mir wartet in Istanbul auf mich, aber das ist der einzige Flug den ich dieses Jahr machen werde. Zuhause in Freiburg achte ich auf eine klare Mülltrennung und bewege mich nur mit dem Fahrrad fort.
Ich finde die kleinen Sachen, die ich mache, sind ein guter Anfang. Aber natürlich macht mir die Zukunft grosse Sorgen.»
Hejrar, 38, Koch
«Ich bin mit meinem Cousin hier, um die Flugtickets für morgen abzuholen. Ich fliege mit meiner Familie nach Pristina. Das machen wir etwa einmal im Jahr. Mit dem Auto will ich nicht fahren und mit dem Zug erst recht nicht. Ich habe keine Lust, beim Grenzübertritt jemanden bestechen zu müssen, nur um ohne Probleme meine Reise fortführen zu können.
Natürlich macht mir die Zukunft grosse Sorgen, vor allem für meine Kinder. Ich habe das Gefühl die Leute wissen gar nicht was sie mit dem Fliegen alles anrichten.»
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Chelsea, 28, Studentin
«Ich komme aus Denver in den USA. In Basel wohne ich wegen meines Psychologiestudiums. Ich gehöre zu den Vielfliegern und das ist fürs Klima sicher nicht das Beste. Aber solange ich hier bin, will ich auch was von Europa sehen.
Dem öffentlichen Verkehr traue ich nicht und nach Barcelona hätte ich sicher dreimal so lange mit dem Zug als mit dem Flugzeug.»
Riener, 74, Rentner
«Ich fliege heute nicht und habe das auch seit der Corona-Pandemie nicht mehr gemacht. Ich habe nur ein Mietauto an den Flughafen gebracht. Das mache ich so nebenbei. Aber ich würde gerne wieder ein bisschen weiter weg in die Ferien fliegen, mal schauen wann und wohin.
Für das Klima mache ich schon etwas. Ich fahre weniger Auto und mehr Zug. Aber auf Fleisch kann ich einfach nicht verzichten.»