Und wieder pfeifen die Häuser
Mit den Herbststürmen ist das Pfeifen auf dem Stöcklin-Areal in Aesch und Reinach zurück. Trotz monatelanger Tests und Massnahmen hat sich für die Anwohner*innen kaum etwas verändert – der Ärger wächst.
Im Frühling dieses Jahres sah es so aus, als ob die Ursache für das Pfeifen auf dem Stöcklin-Areal in Aesch und Reinach gefunden worden wäre. Mit dem Herbst kam nun der Wind und das Pfeifen ist zurück. Eine Verbesserung ist nicht hörbar. Der Wind bereitet den Anwohner*innen nach wie vor schlaflose Nächte. Anwohnerin Kim Ilg hat keine Geduld mehr: «Der unveränderte Zustand der Lärmemissionen bei Wind belastet uns als direkte Nachbarn erheblich. Seit über einem Jahr hoffen wir auf eine Lösung», sagt sie gegenüber Bajour. Eine andere Anwohnerin beschreibt das Pfeifen in der Nacht als unerträglich und «fast unheimlich».
Seitdem das Pfeifen vor fast einem Jahr das erste Mal zu hören war, beklagen sich Bewohner*innen rund um das Stöcklin-Areal bei der Bauherrin der Aere-Siedlung HRS Real Estate AG, in der Hoffnung auf eine schnelle Lösung. Doch diese lässt auf sich warten. Die Suche nach der Ursache des Pfeifens vergleicht Hans Klaus, Mediensprecher der HRS im März mit der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen.
Sturmtief Benjamin sorgt für schlaflose Nächte
Bereits im letzten Winter, als die Bauten nicht fertiggestellt waren und auf dem Gelände Baugerüste und Kräne standen, versuchten Fachleute für Bauphysik und Akustik die Quelle des Lärms zu finden. Sie arbeiteten mit Akustik-Kameras. Mit diesen lassen sich Tonkurven erstellen, die Aufschluss über die Gegenstände geben, welche die Geräusche verursachen. Gemäss NZZ waren die Verantwortlichen «ziemlich sicher», die entsprechenden Rohre gefunden zu haben – und zwar nicht wie vermutet beim Max Tower, sondern bei anderen Gebäuden der Siedlung. Die Rohre wurden verschlossen und die Hoffnung war gross, dass das Problem damit beseitigt sei. Sturmtief Benjamin beweist nun das Gegenteil. Pfeifend riss es in der Nacht auf Donnerstag Anwohner*innen von Aesch, Reinach und Dornach aus dem Schlaf.
SP-Landrat Jan Kirchmayr war schon länger klar, dass das Pfeifen mit den Massnahmen im Frühjahr nicht behoben wurde. Er, der selbst in Aesch wohnt, habe immer wieder Meldungen und Videos aus der Bevölkerung erhalten. Bereits zu Beginn des Jahres hatte er eine Interpellation im Landrat eingereicht, anhand derer er vom Regierungsrat wissen wollte, ob dem Aspekt der Akustik beim Baubewilligungsverfahren oder dem Quartierplan Beachtung geschenkt wurde.
Regierung sieht keinen Handlungsbedarf
Der zuständige Regierungsrat Isaac Reber beantwortete dies mit «Nein». Ausserdem gab der Regierungsrat auf die Frage nach allfälligen Anpassungen beim Bewilligungsverfahren zu Protokoll, dass er es nicht als notwendig erachte, «aufgrund eines bisherigen Einzelfalls, dessen Ursachen noch nicht einmal zweifelsfrei geklärt sind, das Baubewilligungsverfahren anzupassen oder neue gesetzliche Grundlagen zu schaffen».
«Die Regierung zieht sich hier komplett aus der Verantwortung»Jan Kirchmayr, SP-Landrat
Der Regierungsrat sieht die volle Verantwortung bei der Bauherrschaft und den Verantwortlichen für Architektur und Planung. Zum einen, weil diese die Gebäude auf dem neusten Stand der Technik, also auch unter Einbezug von Auswirkungen der Wetterphänomene auf die Häuser, erstellen müssten und zum andern weil die Komplexität der Baubewillgungsverfahren ohnehin schon viel kritisiert würde: «Zusätzliche Prüfkriterien für Einzelfälle einzuführen erscheint hier kontraproduktiv», so der Regierungsrat.
Kirchmayr ist mit dieser Antwort nicht zufrieden. «Die Regierung zieht sich hier komplett aus der Verantwortung», kritisiert er die Antwort auf seine Interpellation. Es sei ihm bewusst, dass es nicht sinnvoll ist, das Bewilligungsverfahren zu verkomplizieren, aber es sei auch nicht vertretbar, dass dieses Problem nach einem Jahr noch nicht gelöst sei. Kirchmayr sieht dies vor allem in einer grösseren Dimension problematisch: «In der Agglomeration gilt das Gebot der Verdichtung. Die aktuellen Projekte müssen überzeugen, damit weitere realisiert werden können.» Es sei deshalb schädlich für die Realisierung weiterer Überbauungen, wenn das Pfeifen rund um die Aere-Siedlung nicht behoben wird. «Es kann gut sein, dass jetzt bei jedem neuen Hochhaus eine Sorge im Vordergrund steht – nämlich: Pfeift es?»
«Bei einem so starken Sturm pfeift es überall ein bisschen.»Mediensprecher HRS, Hans Klaus
Auf das laute Pfeifen in der Nacht auf Donnerstag angesprochen, relativiert der Mediensprecher der HRS, Hans Klaus: «In der letzten Nacht hat es vielerorts sehr stark gestürmt. Bei einem so starken Sturm pfeift es überall ein bisschen.» Laut Meteo News wurden in Aesch Höchstwerte von 103 Kilometern pro Stunde gemessen. Klaus betont, dass die Windstärken, von denen man bei den bisherigen Massnahmen auf dem Stöcklin-Areal ausginge, andere seien. «Das Pfeifen ist bisher bei Windstärken von 40 bis 70 Kilometer pro Stunde aufgetreten, dies belegen unsere Messungen.»
Nach wie vor sei HRS daran, die Quelle des Pfeifens zu suchen. Im Sommer seien aufwendige Versuche mit den Geländern der Gebäude in speziellen Windkanälen durchgeführt worden. Dafür seien Nachbauten der am Bau verwendeten Elemente in einem speziellen Akustik-Windkanal am Fraunhofer-Institut in Stuttgart eingebaut worden. Nach zahlreichen Messungen hätten die Ingenieure eine Quelle an den Geländern identifiziert. Die entsprechenden Massnahmen seien nun bereits bei einem von 15 Stockwerken umgesetzt worden, so Klaus. Bis die restlichen Arbeiten an den Geländern abgeschlossen werden, könne es allerdings noch ein paar Wochen dauern. «Die Arbeiten kann man nur bei gutem Wetter und entsprechender Verfügbarkeit der Spezialisten durchführen», erläutert Klaus die lange Dauer der Umsetzung.
Vielleicht liegt die Ursache wo anders
Ob das Pfeifen dadurch definitiv behoben wird, sei allerdings nicht abschliessend zu beantworten. Klaus bleibt in seinen Prognosen sehr vage: «Es gibt leider nicht die eine Lösung auf Knopfdruck», sagt er. Je nach Wetterlage verhalte sich die ganze Situation wieder anders. Auch gäbe es immer noch die Option, dass die Geräusche gar durch etwas ganz anderes verursacht würden. Allerdings hätten Akustik-Messungen schon gezeigt, dass die bisherigen Massnahmen Verbesserungen mit sich gebracht hätten – sowohl in der Lautstärke als auch in der Häufigkeit.