Unsere Augen auf Basel
Ein Bildband zeigt das Schaffen des Basler Fotografen Peter Heman. Ein wertvolles Zeitzeugnis und Teil des kulturellen Basler Erbes.
Ein Fotoband über Basel – was müsste ausser dem Spalentor und den Rheinbrücken darin abgebildet sein? Der soeben im Christoph Merian Verlag erschienene Band zum Lebenswerk des Basler Fotografen Peter Heman (1919-2001) ist nicht ausschliesslich auf Basel ausgerichtet.
Unter den 320 Abbildungen finden sich auch Aufnahmen, die in Italien, Spanien, Frankreich und anderen europäischen Ländern entstanden sind. Die Bilder zu Basel, dem Lebensmittelpunkt des Fotografen, bilden jedoch einen Schwerpunkt.
Seit 1951 erschienen zahlreiche Publikationen mit Hemans Fotografien, die ganz Basel in seiner breiten Vielfalt zeigen wollten. 1968 trug Herman seinen Teil bei im bekannten von Eugen A. Meier unter dem Titel «Das verschwundene Basel» herausgebrachten Buch, in dem er zu alten Abbildungen standortgleich neue Aufnahmen beifügte.
Daneben erarbeitete er auch Publikationen zu ausgewählten Bildmotiven: mehrmals ausschliesslich zum Münster und einmal zu den Basler Brunnen. Selbstverständlich entstand auch ein Band zur Basler Fasnacht. Auftragsarbeiten verlangten Fokussierungen auf spezielle Bereiche und Bauten: auf das 1945 fertiggestellte Bürgerspital (heute Klinikum I des Kantonsspitals), auf Bauten der Pharma, auf die Zentralwäscherei u.a.m.
Georg Kreis ist Historiker und emeritierter Professor für Neuere Allgemeine Geschichte und Geschichte der Schweiz an der Universität Basel. Bis Mitte 2011 leitete er das Europainstitut Basel und bis Ende 2011 präsidierte er die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR).
Die jetzt herausgekommene, von Kulturwissenschaftler Peter Röllin sorgfältig zusammengestellte Auswahl beschränkt sich nicht auf Basler Motive, sie will die Vielfalt des Schaffens und den Pioniercharakter bestimmter Aufnahmen zeigen und damit belegen, dass Hemans Werk einen wichtigen Platz in die schweizerischen Fotografiegeschichte einnimmt.
Basler Bilder werden weniger als Belege der Stadtgeschichte gezeigt, vielmehr werden sie unabhängig vom konkreten Motiv wegen ihrer hohen künstlerischen Qualität vorgestellt. Wir sehen nicht nur Basler Motive, wir können auch geführt von Peter Hemans Vorarbeit unsere Augen beim Betrachten schulen.
Obwohl die Buchanzeige darauf hinweist, dass auch ein paar farbige Abbildungen gezeigt werden, zeigt sich die Stärke der Aufnahmen vor allem in den nichtfarbigen Bildern mit ihren differenzierenden Abstufungen zwischen Schwarz und Weiss. Sechs Beispiele:
1) Das Bild mit den zwei Brücken ist nicht ohne Weiteres als Basler Bild entzifferbar, die feine Präsenz eines Fangnetzes der bekannten «Galgen»-Fischerhäuschen im Vordergrund als kompositorischer Gegensatz zur tiefschwarzen Eisenbahnbrücke und der grauen zweiten Brücke im ersten Hintergrund lässt vermuten, dass es sich um Basler Rheinbrücken handeln muss, was sie auch tatsächlich in einer Aufnahme aus dem Jahr 1955 sind.
Eindrücklich der von einem Wärter begleiteten Tankwagen auf der einen und die winzigen Menschlein auf der anderen Brücke. Und ganz blass im weiteren Hintergrund, kaum noch erkennbar, die Stadtsilhouette mit dem Turm der Elisabethenkirche. Während die ältere Eisenbahnbrücke noch immer existiert, ist die jüngere St. Albanbrücke durch die Schwarzwaldbrücke ersetzt worden.
2) Auf dem 1974 entstandenen Bild wird man das dunkle im Hintergrund aufragende und streng gegliederte LONZA-Haus sogleich erkennen, nicht aber das alte Postgebäude, das mit seiner hell beleuchteten Kuppel und ihren neobarocken Rundungen den kontrastreichen Vordergrund bildete. Ein Jahr später stand der 1905/07 entstandene Prachtsbau nicht mehr.
3) Auch dieses Bild zeigt eine Zeit, die passé ist: Angestellte der Ciba gehen um 12.05 Uhr, wie die Uhr links oben diskret anzeigt, 1962 im Klybeck in die Mittagspause. Kein extravagantes Sujet, aber mit seiner Schlichtheit umso mehr ein echtes Dokument zur Basler Alltagsgeschichte.
4) Das im gleichen Jahr, 1962, entstandene Bild zeigt Menschen auf sehr indirekter Weise mit den von ihnen abgestellten Fahrrädern. Wo lag dieser Parkplatz mit einer Grossbelegung, wie es sie heute (abgesehen am Bahnhof SBB) nicht mehr gibt, aber gelegentlich wieder geben wird? Es war der Abstellplatz vor dem Gartenbad Bachgraben.
5) Wenn wir wissen, wie der gleiche Ort heute aussieht, nämlich der sogenannte Birsigparking zwischen Steinenvorstadt und Theaterstrasse, wo heute das abendliche Schaufahren der aufgemotzten Autos aus der Region stattfindet, dann berührt uns das 1939 entstandene Bild vom noch nicht überdeckten Rinnsal des Birsig besonders und erinnert uns an jüngst aufgekommene Vorschläge, diese Riviera renaturalisiert wieder sichtbar zu machen.
6) Mein liebstes Bild stammt aus dem Jahr 1959. Es zeigt – wie zuvor die Fahrräder beim Bachgraben – die Abwesenheit der doch irgendwie anwesenden Menschen der Stadt mit den Fussabdrücken im schneebedeckten Totengässlein. Ein solches Bild könnte irgendwo aufgenommen worden sein, es ist aber in Basel entstanden: Peter Herman hat es von seinem Wohn- und Atelierhaus aus an der Ecke des Nadelbergs zum besagten Gässli gemacht.
«Heman war mit der Stadt, ihren Häusern, Dächern und Winkeln, mit den Menschen, die dort leben und arbeiten, innig vertraut und folgte ihren Bewegungen, den Veränderungen im Stadtbild und dem beständigen Wandel des urbanen Lebens mit seiner Kamera.»Peter Röllin
Ob der leicht in die Augen fallenden Bilder könnten Peter Röllins begleitende Texte übersehen werden, die hier einige Auskünfte zum Totengässlein vermitteln und u. a. auch erklären, wie dieses Gässli zu seinem Namen gekommen ist. Röllin würdigt Herman als «präzisen Chronisten» der Stadt Basel und hält weiter fest: «Er war mit der Stadt, ihren Häusern, Dächern und Winkeln, mit den Menschen, die dort leben und arbeiten, innig vertraut und folgte ihren Bewegungen, den Veränderungen im Stadtbild und dem beständigen Wandel des urbanen Lebens mit seiner Kamera.»
Peter Pfrunder, Direktor der Fotostiftung Schweiz mit Sitz in Winterthur, würdigt in seinem Beitrag sowohl das Schaffen des ausserhalb von Basel bisher wenig bekannten Peter Heman und auch die von Peter Röllin über ihn erarbeitete substanzielle Monografie.
Diese Publikation wird sicher zu einer weiteren Beschäftigung mit Heman führen; sie bildet aber auch einen Abschluss: Der aus Tausenden von Negativen und Abzügen bestehende fotografische Nachlass geht jetzt aus der Obhut der Familie an das Staatsarchiv Basel-Stadt und wird nach vollständiger Erschliessung dort öffentlich einsehbar sein.