Vakant in die Krise

Seit Frühling ist die kantonale Energiefachstelle nur per Interimslösung besetzt – und dies just in Zeiten von Mangellage, Erdgas-Ausstieg, Fernwärme-Ausbau und Klimaschutz.

Basel spart Energie
Basel spart Energie. (Bild: www.energie-mangellage.bs.ch)

Basel-Stadt hat in Sachen Energie gerade alle Hände voll zu tun. Und wenn die Bevölkerung an diesem Sonntag noch Ja sagt zu Netto-Null bis 2030 oder 2037, ja dann hat der Kanton noch mehr zu bewältigen. 

Die Frage ist: Ist der Staat parat? Ist die nötige Expertise vorhanden?

Eine der wichtigsten kantonalen Stellen rund um Energiefragen ist die Energiefachstelle, Maschinenraum der Energiewende. Doch aktuell hört man wenig. Im Mai kündigte die Energiefachstelle Zahlen über den Fortschritt der Heizungsersätze im Jahr 2021 an.

Bis heute sucht man sie in der Verwaltung vergebens – obwohl sie vor dem Hintergrund der Klimagerechtigkeits-Abstimmung am Wochenende von politischem Interesse wären. Es gibt keine aktuellen Berichte über die Fortschritte bei der Gebäudeenergieausweispflicht. Und die letzten Daten zur Umsetzung des revidierten Energiegesetzes sind aus dem Jahr 2020.

Die Energiefachstelle ...

... ist zentrale Anlaufstelle für Energiefragen im Kanton. Aktuell berät sie Hauseigentümer*innen beim Ersatz von Erdöl- und Erdgasheizungen und verwaltet Förderbeiträge für Dutzende Millionen Franken. Sie vollzieht in Basel die Pflicht für Gebäudeenergieausweise (GEAK) und überprüft Baubewilligungen.

Sie arbeitet mit der Wirtschaft an Grossverbrauchermodellen zum Energiesparen und überwacht Gebäude-Betriebsoptimierungen. Tausende Amtshandlungen gehen über ihren Tisch.

Zugleich ist die Energiefachstelle innerhalb der Verwaltung so was wie der Maschinenraum der Energiewende. Zuständig für die «Nuts and Bolts», also das tägliche Kleinklein. Damit die Energiewende funktioniert, muss die Wärmepumpe am richtigen Ort stehen und die Isolierung sitzen.

Selbst in der aktuellen Situation einer drohenden Energie-Mangellage, in welcher z.B. Heizungsbesitzer*innen mit einem Tipp zur richtigen Einstellung der Heizkurve massiv geholfen wäre, gibt’s keine Aktion «für besseres Energiesparen». Dabei wäre sie überfällig beim Betrachten der aktuellen Spartipps des WSU. Man könnte damit ein Mehrfaches an Erdgas und Strom einsparen als mit ein paar unterlassene Liftfahrten.

Die Energiefachstelle des AUE residiert zwar seit einem Jahr in einem Öko-Neubau an der Spiegelgasse – es scheint aber nur die Solarfassade zu glitzern, und schon die wurde vor 20 Jahren angedacht.

Was ist da los?

Es gab personelle Veränderungen in der Fachstelle. Bis vor wenigen Tagen war deren Leitung im Verzeichnis des Amts für Umwelt und Energie (AUE) als «vakant» gekennzeichnet. Auf Nachfrage von Bajour werden eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Fachstelle als Leiter «ad interim» bezeichnet.

Der Grund: Der vorige Fachstellenleiter Marcus Diacon ging im Mai in Pension. Und mit ihm auch sein langjähriger Stellvertreter Christian Mathys. Häufig werden solche bekannteren Persönlichkeiten mit einer Mitteilung des zuständigen Amts verabschiedet, in welcher auch grad die neue Führung bekannt wird. Bei Diacon gab es keine, obwohl er über zwei Jahrzehnte «Mister Strombonus» war, der Ansprechpartner für die Basler Haushalte und Wirtschaft.  

Unter ihm erbrachte die Fachstelle Glanzleistungen. Jüngstes Beispiel, so ein Beteiligter, war die mehrheitlich unspektakuläre Einführung der Pflicht zum Einbau einer Heizung mit erneuerbarer Energie. Seit der Einführung des revidierten Energiegesetzes 2017 sind Erdgas- und Erdölheizungen in Basel praktisch nicht mehr zulässig. «Sie werden weg-gefördert», erklärte Energiefachstellenleiter Marcus Diacon vor einem Fachpublikum in Basel am 5. Mai. Dank Subventionen der Stadt sind am Rheinknie nahezu alle Heizungen mit erneuerbarer Energie wirtschaftlich tragbar geworden.

Marcus Diacon
«Für mich ist das Kapitel Energiefachstelle abgeschlossen.»

Marcus Diacon

Auch ausserhalb der Stadt war Diacons Expertise gefragt, etwa in Ämtern der Konferenz der Energiefachstellen (EFK), der Fachorganisation der Konferenz Kantonaler Energiedirektoren (EnDK) – der Drehscheibe der kantonalen Energie-Regierungsrät*innen und wichtigste Ansprechpartnerin für die Bundesverwaltung und den Bundesrat in Sachen Energie. Zudem war Diacon aktiv im Verein Energiestadt, der das gleichnamige Label in der Schweiz vergibt. Schon Diacons und Mathys Vorgänger, die langjährigen Fachstellenleiter Thomas Fisch und Ruedi Jegge, waren gern und viel gehörte Experten, die auch nach ihrer Pension für Vorträge und Auskünfte zur Verfügung standen.

Sowieso: In den letzten Jahrzehnten sucht die bald 50-jährige Expertise der Fachstelle ihresgleichen. Denn mit dem Widerstand gegen das geplante Atomkraftwerk Kaiseraugst wurden in den 70ern in Stadt und Land die ersten kantonalen Energiegesetze geschaffen, die die Fachstelle seither umsetzt. Dank vielen Einzelmassnahmen, Förderabgaben und Strombonus trieb die Mechanik von Technik, Gesetz und Expertenwissen die Energiewende voran, knirschend zwar, aber Schritt für Schritt. Gleichzeitig ist dieses Wissen auch für die Basler Verwaltung unerlässlich, etwa wenn es um Diskussionen für den Ausbau der Fernwärme geht, oder wie Klimaschutz im Heizkeller funktioniert.

Matthias Nabholz
«Das Tagesgeschäft wird seit der Pensionierung des ehemaligen Abteilungsleiters lückenlos fortgeführt.»

Matthias Nabholz, Leiter AUE

Insbesondere die frühere Regierungsrätin Barbara Schneider und der frühere AUE-Leiter Jürg Hofer starteten zahlreiche Aktionen in enger Zusammenarbeit mit der Fachstelle wie das «bessere Fenster» oder die «bessere Autoeinstellhalle». Jedes Jahr stehen ungefähr sieben Millionen Franken für solche Förderaktionen zur Verfügung.

Jetzt ist Diacon weg. 

Befragt zu den fehlenden Initiativen der Fachstelle und den bedeutenden Abgängen und Kompetenzverlusten, schreibt der Leiter des AUE Matthias Nabholz: «Die Abteilung Energie wird seit Anfang Juli interimistisch in einer Co-Leitung geführt. Zusätzlich wurde sie mit einem Energieingenieur per Oktober verstärkt.» Nabholz unterstütze die Abteilung in politischen Geschäften, teilt er mit und «das Tagesgeschäft wird seit der Pensionierung des ehemaligen Abteilungsleiters lückenlos fortgeführt». Eingeräumt wird, dass die überregionale Arbeit, etwa für die Energiefachstellenkonferenz, aus dem aktuellen Jobprofil gestrichen sei.

Wie interimistisch darf eine Interimslösung sein?

Wieso das Amt «bis auf Weiteres» gemanagt und nicht ständig besetzt wird, da die Mitarbeiter doch bekannt sind, bleibt auch nach der Nachfrage rätselhaft. Auch beim WSU, dessen Regierungsrat Kaspar Sutter für die Führung des AUE verantwortlich ist, war keine Stellungnahme erhältlich. Klar ist nach Rückfrage beim Finanzdepartement, das für Arbeitsrechtliches verantwortlich ist, nur dies: «Eine zeitliche Begrenzung (einer Interimslösung, d. Red) ist nicht vorgesehen, es sollte jedoch keine Dauerlösung sein.»

Der ansonsten mitteilsame Marcus Diacon selbst gab sich gegenüber Bajour zugeknöpft: «Für mich ist das Kapitel Energiefachstelle abgeschlossen, mehr kann ich dazu nicht sagen.» Auch Christian Mathys wollte nicht für Nachfragen zur Verfügung stehen: «Das Kapitel AUE ist für mich beendet», schreibt er in einem E-Mail - da klingt bei beiden ein selten gehörter Frust durch.

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