Bajour tritt in die Pedale
Die roten Velos von Velospot by PubliBike haben einen schlechten Ruf: sie seien zu kompliziert und bräuchten zu viel Platz. Aber das Nutzungsgebiet wurde erst gerade erweitert und die Zahlen zeigen nach oben. Zeit, die Velos auszuprobieren.
Einen «vorzeitigen Stopp des Veloverleihsystems» Velospot wollten die drei Grossräte Joël Thüring (SVP), Luca Urgese (FDP) und Raoul Furlano (LDP) mit ihrem im April eingereichten Vorstoss erwirken. Die Parlamentarier argumentierten, die Velos würden nicht genutzt und es handle sich dabei um ein Bedürfnis, «das nicht existiert».
Der Vorstoss wurde von ihren Ratskolleg*innen jedoch nicht überwiesen und Velospot bekam eine weitere Chance, sich zu etablieren. Der Regierungsrat äusserte sich dem Projekt gegenüber sogar zuversichtlich. In einer Medienmitteilung informierte das Basler Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) vergangene Woche, dass das Nutzungsgebiet der Zweiräder nach Allschwil erweitert würde. Auch die Zahlen sprechen für sich: Auf Anfrage von Bajour teilt Daniel Hofer vom BVD mit, dass Velospot dieses Jahr bereits so viele Fahrten gehabt hätte wie insgesamt im ganzen 2022.
Hofer sagt dazu weiter: «Es ist ein Aufwärtstrend bei der Anzahl Fahrten sichtbar, aber es gibt immer noch Luft nach oben.» Das Bedürfnis nach dem System scheint demnach vorhanden zu sein. Im Monat Mai rechnet das BVD «mit bis zu 2000 Fahrten». Im Vergleich zu Pick-e-Bike ist das verhältnismässig wenig: Axel Kiefer, Geschäftsführer bei Pick-e-Bike, teilt Bajour auf Anfrage mit, dass Pick-e-Bike in Basel und der Region um die 15’100 Fahrten verzeichnen kann.
Wir von Bajour wollten uns vom Verleihsystem selbst ein Bild machen, also zog ich los und testete das System auf Herz und Nieren.
Die Anmeldung ist zwar gleich vor Ort möglich, aber wer wie ich ungeduldig ist und sofort losradeln möchte, der sollte sich lieber vorab in die Nutzungsbedingungen einlesen, denn sonst wird es kompliziert, wie du gleich erfahren wirst.
In der meiner Meinung nach benutzer*innenfreundlichen App oder auf der Website kann man sich registrieren und das passende Angebot wählen. Die App wird laut Hofer «laufend weiterentwickelt». Es gibt die Auswahl zwischen einem Abo mit Basisgebühr und einem ohne. Bei Letzterem sind die Fahrten etwas teurer, dafür bezahlt man nur die Fahrpreise und keinen Abopreis (siehe Box).
Bei dem gewählten Abo-Modell («NATIONAL MINUTE») bezahlt man eine Startgebühr von einem Franken. E-Bikes kosten pro Minute 20 Rappen und die gewöhnlichen Velos 10 Rappen pro Minute Fahrtzeit. Das ist im Vergleich günstig: Pick-e-Bike hat auch eine Startgebühr von einem Franken, aber pro genutzte Minute zahlt man ohne Vergünstigungen 35 Rappen. Auch bei den E-Trottis hat man eine Aktivierungsgebühr von einem Franken. Pro gefahrene Minute kostet es aber je nach Anbieter zwischen 39 und 40 Rappen. Die Startgebühr kann man umgehen, wenn man das Viel-Fahrer*innen Abo («LOCAL CLASSIC – BASEL») kauft: Für eine Gebühr von 69 Franken pro Jahr kann man das Velo jeweils die ersten 30 Minuten gratis nutzen. Wenn es länger gebraucht wird, kostet es wieder 10 Rappen pro Minute. Bei den E-Bikes muss ein bisschen tiefer in die Tasche gegriffen werden: Die ersten 15 Minuten kosten insgesamt 2.50 Franken und 15 weitere Minuten einen Franken. Bei noch längerer Nutzung sind wir wieder beim Preis von 10 Rappen pro Minute.
Nach erfolgreicher Registrierung und Hinterlegung der Kreditkartenangaben (andere Zahlungsmittel werden nicht angeboten) erhält man einen Zahlencode, mit dem man bis zu fünf Velos gleichzeitig entsperren kann. Das ist super, wenn man in einer Gruppe unterwegs ist, aber nicht alle einen Account haben. In der App werden alle verfügbaren Velos angezeigt; die Auswahl besteht aus E-Bikes und normalen Velos. Obacht: Hier muss man aufpassen, dass man wirklich das aussucht, was man möchte.
Ich wähle ein E-Bike: Ein-/Aus-Taste gedrückt, Akku eingeschaltet und los! Die E-Bikes werden bis zu 25km/h schnell. Drückt man ordentlich in die Pedale, sind sie sogar noch ein paar km/h schneller. Ich war froh, dass ich meinen Fahrradhelm dabei hatte, denn zur Verfügung gestellt werden keine. Ein Negativpunkt: Auch wenn im Gegensatz zu den 45 km/h schnellen Pick-e-Bikes bei den E-Bikes von Velospot keine Helmpflicht gilt, wäre es sinnvoll, einen solchen bereitzustellen. Immerhin braucht es keinen Fahrausweis, aber man muss 16 Jahre alt sein. Wenn man jünger als 18 Jahren ist, braucht man die Zustimmung eines/einer gesetzlichen Vertreter*in.
Die Fahrt verlief einwandfrei und ich kam schnell an meinem Ziel an. Einmal angekommen, musste ich schauen, wo ich das Velo hinstellen kann, denn diese dürfen nur an den ausgewählten Standorten, die sind in der Stadt selbst und neu auch in Allschwil, abgestellt werden. Wer sie nicht innerhalb dieser Spots abgibt, muss eine Gebühr von 20 Franken bezahlen. Der Vorteil hiervon: Die Velos stehen auf Veloparkplätzen und nicht irgendwo auf den Trottoirs.
In der App oder online siehst du, wo Velos verfügbar sind und um welche Option (E-Bike oder normales Velo) es sich handelt. Praktisch alle paar Meter taucht einer dieser Spots auf und fast immer sind mindestens zwei Velos verfügbar. Du hast dir ein Velo ausgesucht? Gut. Am besten kontrollierst du kurz den Reifendruck und den allgemeinen Zustand, damit du auch wirklich gleich losfahren kannst. Dann drück zunächst auf die Ein-/Aus-Taste am Schloss. Gib deinen Code ein, den du bei der Registrierung erhältst. Wenn das kleine Lämpchen grün leuchtet, wurde der Code akzeptiert und wenn es rot leuchtet, dann nicht und du musst es nochmal versuchen. Wenn alles klappt, kannst du den kleinen roten Riegel am Schloss hochschieben und das Velo ist bereit, wenn du kein E-Bike gewählt hast. Wenn doch, dann musst du unbedingt schauen, dass du den Akku am Schloss einschaltest. Dies machst du, indem du die Einschalttaste (kleines Blitzsymbol) zwei Sekunden lang gedrückt hältst.
Wenn man das Velo noch nicht endgültig zurückgeben möchte, kann es auch ausserhalb dieser Stationen abgeschlossen werden, doch die Minuten werden weitergezählt und verrechnet. Stationen gibt es aber so viele, dass es eigentlich kein Problem ist, das Velo ganz zurückzugeben, wenn der Stopp etwas länger dauert. Velos können maximal für 24 Stunden ausgeliehen werden.
Um die Fahrt zu beenden, drückt man wieder die Ein-/Aus-Taste. Das Schloss muss manuell mit dem roten Hebel geschlossen werden, bis zwei Pieptöne zu hören sind. Erst dann ist die Fahrt tatsächlich beendet! Damit du wirklich sicher gehen kannst, bekommst du via E-Mail oder Push-Mitteilung eine Fahrtbestätigung mit der Information, wie viel es gekostet hat.
Was bleibt nach der Fahrt?
Dieses Veloverleihsystem ist verhältnismässig günstig, man braucht keinen Fahrausweis und kann nach der Anmeldung sofort losradeln. Zwar nur innerhalb eines überschaubaren Ausleihradius, aber wenn es mal ganz schnell gehen muss, dann finde ich Velospot super! Sicherlich muss man sich damit auseinandersetzen, wo die Velos stehen und wohin sie zurückgebracht werden müssen, aber da sie so grossflächig in der Stadt verteilt sind, ist dies nur ein kleiner Aufwand.
Das System kann bei der ersten Ausleihe etwas verwirrend sein, aber wenn man es mal durchschaut hat, ist es ziemlich leicht. Bei den Zahlungsmöglichkeiten wäre eine Alternative zur Kreditkarte wünschenswert. Ich finde es schade, dass keine Helme mit dabei sind. Man sollte sich auch bewusst sein, dass es teuer werden kann, wenn man die Velos kaputt macht oder nicht richtig abgibt.
Obwohl die Velos seit Herbst 2021 in der Stadt herumstehen und tatsächlich einiges an Platz brauchen, finde ich es nach meinem Selbstversuch toll, dass es sie gibt. Es ist fast ein bisschen schade, dass ich sie nicht früher ausprobiert habe. Dies werde ich nun aber nachholen und vielleicht sogar ein Abo für Viel-Fahrer*innen abschliessen.
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