Verdichten? Ja, aber nicht vor meiner Haustüre

Bauen in Basel ist schwierig. Das zeigt sich exemplarisch an einem Projekt, über das der Grosse Rat diese Woche befindet: das Horburg-Hochhaus. Widerstand kommt von allen Seiten, ist ein Kompromiss noch möglich?

Blick von der Horburgstrasse auf den Neubau
Links die geplanten Neubauten, rechts die alten Ciba-Häuser. (Bild: Visualisierung: Buchner Bründler Architekten)

Mit dem Verdichten ist es ein bisschen wie mit Windrädern oder Funkantennen: Gute Sache, aber bitte nicht vor meiner Haustüre.

Auf dem Bruderholz gab es in der Vergangenheit Villenbewohner*innen, die sich Nachbargrundstücke kauften. Sie wollten Bauprojekte verhindern, die ihre schöne Aussicht gefährden.

Den Anwohner*innen im unteren Kleinbasel fehlen dazu Mittel und Wege. Doch auch sie haben sich organisiert, um ein Bauprojekt zu verhindern.

Es geht um die Siedlung gegenüber der Tramstation Brombacherstrasse (Ecke Horburgstrasse, Wiesenschanzweg). Anschliessend an die alten Ciba-Häuser will die CS Anlagestiftung zwei neue Gebäude mit etwa 100 Wohnungen bauen, unter anderem ein Hochhaus. 

Siedlung Horburg, Ausschnitt Stadtplan (ein Massstab, Plan genordet); blau markiert: Siedlung Horburg, rot umrandet: Bereich Neubau
(Bild: Regierungsratsbeschluss vom 7. Juni 2022 (BVD/P220704))

Am Mittwoch soll der Grosse Rat über den entsprechenden Bebauungsplan befinden. Die Stadt könnte den neuen Wohnraum dringend brauchen. Doch nun baut sich auf allen Seiten Widerstand auf – die Anwohner*innen fürchten um ihren Grünraum, die Handelskammer um die Rendite der Investorin und die Linken um die günstigen Mieten. Das Projekt droht daher zu scheitern und liefert besten Anschauungsunterricht, wie schwierig Bauen in Basel geworden ist.

Da wären einmal die Anwohner*innen. Sie sorgen sich um ihren Grünraum. Denn die CS Anlagestiftung will einen Teil der Parkanlage opfern, die sich zwischen den Mehrfamilienhäusern aufspannt. 

Samuel Müller_Bild

«Der Park ist einer der letzten Orte, wo im heissen Sommer noch ein Lüftchen weht. Und diesen will man uns jetzt auch noch wegnehmen.»

Samuel Müller, Präsident Neutraler Quartierverein Unteres Kleinbasel

Menschen aus dem Quartier haben sich unter anderem deswegen zum Neutralen Quartierverein Unteres Kleinbasel zusammengetan. Präsident Samuel Müller sagt: «Das ist eine der wenigen Grünflächen im Quartier, wo Kinder gefahrlos spielen können». Aus den Fenstern der Ciba-Wohnungen hat man einen direkten Blick auf den Park, «so können die Eltern ihre Kinder im Blick behalten». 

Ausserdem werde das Quartier im Sommer immer heisser: «Der Park ist einer der letzten Orte, wo im heissen Sommer noch ein Lüftchen weht. Und diesen will man uns jetzt auch noch wegnehmen.»

Tatsächlich handelt es sich beim Klybeck um eines der grausten Quartiere Basels, der Anteil Grünflächen beträgt 12,5 Prozent. Im Vergleich: Auf dem Bruderholz hat es 71 Prozent Grünraum (2022).

Im Quartierverein engagieren sich Personen mit Parteibüchlein von SP bis LDP. Die Kleinbasler*innen haben nun einen Brief an die Fraktionen des Grossen Rats geschickt. Sie möchten, dass alles beim Alten bleibt, also die Grünanlage bleibt und das Hochhaus versenkt wird.

Pascal Messerli

«Das Quartier ist schon dicht bebaut. Und jetzt will man noch dichter bauen, auf Kosten der Menschen im Quartier. Das geht nicht.»

Pascal Messerli, SVP-Grossrat

Dabei erhalten sie Unterstützung von rechts. Pascal Messerli, SVP-Präsident und Mitglied der Baukommission, sagt zu Bajour: «Ich nehme die Sorgen der Anwohner*innen ernst.» Das Quartier sei schon dicht bebaut. «Und jetzt will man noch dichter bauen, auf Kosten der Menschen im Quartier. Das geht nicht.» Messerli will dem Parlament beantragen, nicht auf die Vorlage einzutreten. 

Auf der anderen Seite gibt es Sukkurs von einer Playerin, die eigentlich fürs Bauen ist: der Handelskammer beider Basel. Sie vertritt die Interessen der Investorin und hat ebenfalls einen Brief an die Grossrät*innen verschickt. Auch sie spricht von einer Versenkung des Projekts, aber aus anderen Gründen. Wenn es nach der Wirtschaftslobby geht, wird im Horburg sehr wohl gebaut. Aber mit weniger Auflagen, was Miete und Ökologie angeht.

Die Handelskammer stört sich an zwei Punkten, welche die Mehrheit der Baukommission des Grossen Rats auf Druck der Linken in die Vorlage gebracht hat, auch mit Stimmen von Bürgerlichen. Erstens hat die Kommission eine Mietzinskontrolle eingebaut. Diese sieht vor, dass ein Drittel der neuen Wohnungen zur Kostenmiete auf den Markt kommt (siehe Box). Zweitens will die Kommission verbieten, die Grünflächen im Innenhof zu untertunneln oder zu unterkellern. 

Was heisst Kostenmiete?

Kostenmiete nach eidgenössischen Wohnraumförderungsgesetz sieht vor, dass die Mietzinse in der Regel auf Grund der Bau- und Unterhaltskosten festgelegt werden. Dabei wird auf eine maximale Rendite verzichtet. Die Linke hofft so, die betroffenen Immobilien einer sich hochschraubenden Mietpreisspirale zu entziehen.

Das passt der Handelskammer nicht. Die Tendenz zu stärkerer Regulierung behindere die investitionswilligen Unternehmen, schreibt sie. Sollten die Regulierungen drin bleiben, empfiehlt sie, die ganze Vorlage abzulehnen. 

Die Position der Handelskammer deckt sich mit derjenigen der Regierung: Auch sie will dem Parlament beantragen, diese Neuerungen wieder herauszustreichen, wie mehrere Parlamentarier*innen Bajour bestätigt haben. 

Das hat wohl Gründe: Der Grosse Rat könnte hier einen Präzedenzfall schaffen. Schreibt das Parlament einer privaten Investorin am Horburgplatz einen Drittel Kostenmiete vor, droht nicht nur ein Baustopp (gut möglich, dass die CS Anlagestiftung unter diesen Bedingungen den Bettel hinschmeisst), sondern auch eine Regulierung, die auf andere Bauprojekte abstrahlt. So könnten auch künftige Bauprojekte bei der Kostenmiete in Zugzwang kommen, etwa die Lonza-Hochhäuser. Das will man offenbar verhindern, aus Angst, weitere Investor*innen zu vergraulen.

Dazu muss man wissen: Die CS Anlagestiftung ist der Politik und den Anwohner*innen bereits entgegengekommen. So hat sie zugesichert, die Mieter*innen in den bereits bestehenden Ciba-Häusern wohnen zu lassen und die bisherigen Mieten entsprechend tief zu halten. 

Ivo Ballmer

«Ohne die Kostenmiete droht dem Quartier eine Verdrängung. Kleinbasler*innen können sich die Mieten nicht mehr leisten und müssen wegziehen.»

Ivo Balmer, SP-Grossrat.

Aus linker Sicht ist das aber nicht genug. So sagt Ivo Balmer, SP-Grossrat und ebenfalls Mitglied der Baukommission: «Es braucht eine Mietzinskontrolle». Sonst drohe dem Quartier eine Verdrängung. Das Risiko: «Kleinbasler*innen können sich die Mieten nicht leisten und müssen aus dem Quartier wegziehen.» Aus Sicht von Balmer nimmt die Handelskammer die Bedürfnisse der Bevölkerung nach grünem und bezahlbarem Wohnraum nicht ernst. «Sie riskiert damit die Ablehnung des gesamten Projekts.»

2021 Portrait Michael Hug GR Seite

«Die Kommission hat versucht, eine mehrheitsfähige Lösung zu finden, die den verschiedenen öffentlichen Interessen entgegenkommt.»

Michael Hug (LDP), Präsident der Baukommission

Wir halten fest: Kommen Kostenmiete und Unterbauungsverbot, empfiehlt die bürgerliche Handelskammer eine Ablehnung. Kommen sie nicht, droht ein linkes Nein. Die CS Anlagestiftung befindet sich also in einer ziemlich verzwickten Situation.

Das hat auch Michael Hug bemerkt. Der LDP-Grossrat präsidiert die Baukommission, «die sich am Schnittpunkt aller öffentlichen Interessen befindet». Als Liberaler gehen Hug Eingriffe in den Wohnungsmarkt eigentlich gegen den Strich. «Wir haben versucht, eine Lösung zu finden, die den verschiedenen Interessen entgegenkommt und das Bauprojekt auch im Fall eines Referendums mehrheitsfähig macht», sagt er. Deshalb haben auch bürgerliche Politiker in der Kommission die Kostenmiete und das Unterbauungsverbot unterstützt.

Wie die verschiedenen Fraktionen am Ende des Tages entscheiden, wird sich nun zeigen. Lehnt das Parlament den Bebauungsplan ab, müsste die CS Anlagestiftung ein anderes Projekt ausarbeiten. Dann passiert ganz lange: nichts.

Den Quartierbewohner*innen dürfte das recht sein. 

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Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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