Viele Beizen schliessen Abends schon um 9 Uhr
Die letzten Pandemiemassnahmen sind gefallen. Aber einige Restaurant haben immer noch massive Probleme. Besser geht es Betrieben mit lokalen Stammgästen.
Kürzlich in der Innenstadt: Der Abend ist lau, das Wetter schön. Aber die Strassen sind gähnend leer, viele Beizen bereits zu. Endlich, nahe der Johanniterbrücke, finden wir doch noch ein Restaurant, das offen hat. Reines Glück: Auch diese Beiz schliesst im Moment häufig früher: «Sogar am Samstag, wo wir oft gut besetzt sind, haben wir früher als sonst dicht gemacht», sagt uns der Kellner.
Nein, die Corona-Krise ist noch nicht ausgestanden. Viele Restaurants schliessen bereits abends um neun Uhr, weil einfach gar nichts läuft.
Maurus Ebneter, Präsident des Basler Wirteverbands, bestätigt diesen Eindruck, weist aber auf die grossen Unterschiede in der Branche hin. «Restaurants mit vorwiegend lokalen Gästen haben es einfacher. Die Menschen haben einen grossen Nachholbedarf und sind ausgabefreudig.»
Das kann Karim Frick von Löwenzorn nur bestätigen. «Hier haben wir auch Cliquen und Studentenverbindungen. Das hilft natürlich.» Ob sich das Geschäft erholt habe? «Können wir nicht sagen, weil wir erst mit der Pandemie begonnen hatten.» Aber klagen will Frick nicht.
Weniger Geschäftsreisen, fehlende Kongresse
Schwerer haben es Betriebe, die stark vom Messe- und Geschäftstourismus leben. Das Plaza beispielsweise musste schliessen. Auch der Kongresstourismus hat sich bis heute nicht erholt. Laut Ebneter freut sich die Branche jetzt auf die Art Basel, «aber die Baselworld ist wohl definitiv weg. Und neue Messen sind jetzt gerade nicht in Sicht».
Vor Corona waren Kongresse ziemliche Geldmaschinen. Wenn ein Ärztekongress mit 3000 gut verdienenden Teilnehmenden in Basel stattfindet, wird viel Geld ausgegeben. Doch solche Kongresse haben eine lange Vorlaufs- und Planungszeit. Die Kongressagenda muss sich also erstmal füllen, bis sie wirtschaftlich einschenkt.
Ebneter vermutet allerdings, dass sich dieser Markt wahrscheinlich nicht mehr ganz erholen wird. Die Pandemie hat gezeigt, dass sich manche Geschäftsreisen durch Videokonferenzen ersetzen lassen. Die Firmen sparen Zeit und Geld.
Doch nicht nur das: Es herrscht Krieg in Europa. Für Tourist*innen aus den USA, wahrscheinlich auch Asien, ist das buchstäblich ein No-Go. Ein Krieg zwei bis drei Flugstunden von der Schweiz entfernt? Nein danke, sicher nicht jetzt. Europe in 14 days? Forget it.
Dafür kommen die Tourist*innen aus Budapest oder aus Deutschland wieder. Derer Einfluss des Mittel- und Kurzstreckenflugverkehrs ist nicht zu unterschätzen, sagt Josef Schüpfer (Restaurant Stadthof, Walliser Kanne). Zum einen sind da die Kulturtouristen aus dem Ausland, zum anderen abfliegende Gäste aus dem Umland, die in Basel einen Zwischenhalt einlegen, wenn auch nur einen kurzen.
Wenn die Tage länger werden und das Wetter wärmer, haben Beizen mit Boulevard-Gastronomie oder einem Garten einen klaren Wettbewerbsvorteil. An einigen sonnigen Tagen im März war am Kleinbasler Rheinufer manchmal fast kein Durchkommen mehr.
Es gab keinen Kahlschlag
In den letzten zwei Jahren habe es lange Phasen quälender Ungewissheit gegeben, ob und wie stark geholfen werde. Letztlich sei die Unterstützung aber gut ausgefallen. Der oberste Basler Beizer lobt, dass die Politik reagiert habe und bedankt sich im Namen der Branche. «Da sind wir wirklich sehr froh. Dank der Härtefallhilfen und den Kurzarbeitsentschädigungen ist in der Branche ein Kahlschlag der touristischen und gastronomischen Infrastruktur verhindert worden», sagt Ebneter.
Er weist allerdings darauf hin, dass die Probleme noch nicht ausgestanden sind. Weil die «besondere Lage» seit dieser Woche wieder aufgehoben ist, laufen auch die meisten staatlichen Hilfen aus. Und der Incoming-Tourismus hat noch nicht richtig Fahrt aufgenommen. Es sei also damit zu rechnen, dass der eine oder andere Betreiber noch aufgeben wird. Zurück zur Normalität sei man wohl erst Mitte 2023, schätzt Schüpfer. Wenn nicht nochmals eine Pandemie kommt.
Wie geht es den Beizer*innen?
Die Gäste aus dem Ausland fehlen eindeutig. In der Walliser Kanne machen diese Gäste 70 Prozent aus. Beim Stadthof, der ebenfalls unter der Aegide von Josef Schüpfer steht, ist es gerade umgekehrt: Hier kommen 70 Prozent aus der Region.
Das neue Team hat erst am 1. September 2021 begonnen. «Im Januar war wenig los», sagt der Wirt Ilario Galoppo, der hier eine mediterrane Küche pflegt. Im Januar war Flaute, doch jetzt laufe es gut.
«Wir sind froh, dass Corona langsam Geschichte ist. Wir spüren jetzt ganz deutlich, dass es anzieht. Die Menschen kommen wieder, an schönen Tagen ist am Rhein Hochbetrieb. Das ist für uns manchmal eine Herausforderung: Es geht von null auf hundert, da packen auch mal Mitarbeitende vom Büro an», sagt Christof Krentel, stv. Leiter den Hotels Nomad.
An trüben Tagen laufe die Eatery im Nomad sehr gut. Krentel: «Auch die Hotelbelegung ist überraschend gut, auch wenn wir noch weit weg von den Belegungszahlen von 2018/2019 sind. Der Geschäftstourismus zieht wieder an. Unser Resumée: Positiv.»
Beizer Adriano Giordano hat keinen Grund zur Klage: der Laden läuft. Und zwar gut, sagt er. Auch über Mittag. Überraschend bekundet er, es habe in der Mägd auch nie einen wirklichen Zusammenbruch gegeben. Über Mittag gab es Take-Away. Das sei zwar kein gutes Geschäft gewesen, aber man sei «bei den Leuten» geblieben.
Nach einem sehr schwachen Januar ging es bei der Pizzeria beim Stadttheater treppauf. «Seitdem die Maskenpflicht gefallen ist, haben wir 20 bis 30 Prozent mehr Umsatz gemacht», sagt Geschäftsleiter Pascal Engler. Zehn Prozent fehlten noch bis zum Vor-Corona-Status. Immer noch sei bei der Kundschaft «etwas Unsicherheit» zu spüren.
Das Chez Donati ist wie die meisten Restaurants im Januar verhalten gestartet und erholt sich jetzt langsam. «Die immer noch bestehenden Restriktionen während der Fasnacht haben uns ein bisschen geschwächt, was aber die gesamte Branche in Basel spürte. Wir sind mit den Umsätzen zufrieden und freuen uns, dass allmählich wieder Normalität einkehrt», sagt Rudi Bindella jr. von der Zürcher Besitzerfamilie. Es werde in jeder Hinsicht ein herausforderndes Jahr werden – für die ganze Branche.
Als Adrian Baumgartner im August vergangenen Jahres die Stelle als Geschäftsleiter der Ueli Bier Brauerei antrat, wusste er wohl, dass es kein Spaziergang würde. Aber eine solche Ochsentour?
Im Oktober und November liefen die Geschäfte zwar noch relativ gut. «Dann kam der Dezember, und der war ein Desaster», sagt Baumgartner. «Alle grossen Weihnachtsessen wurden abgesagt.»
Januar und Februar waren auch schwierig, Lichtblicke waren Vogel Gryff und die Fasnacht. Doch danach kam nochmals ein Einbruch – weil so viele Menschen an Corona erkrankten. «Es gab gegen Ende März Abende, da war in der Ueli-Brau-Bar praktisch nichts los», sagt Baumgartner.
Doch Ueli Bier hat ein zweites Standbein, der Detailhandel. Dieser lief nicht schlecht. «Damit war eine gewisse Quersubventionierung möglich.» Schon zeigen sich neue Wolken am Horizont: Die massiven Preiserhöhungen bei Getreide und Energie.
Mit einer kürzlich lancierten Verfassungsinitiative sollen pandemiebedingte Ausfälle nun dauerhaft verhindert oder zumindest beschränkt werden. Können Betriebe, Geschäfte und Kulturschaffende wegen einer Epidemie nicht arbeiten, sollen sie entschädigt werden.
Das will eine breit abgestützte Allianz von Parteien von links bis rechts sowie von Branchen, die während der Covid-Pandemie zeitweise nur eingeschränkt oder gar nicht arbeiten konnten. Im Komitee vertreten sind SP, SVP, Die Mitte, FDP und Grüne sowie Branchen- und Kulturverbände.
Nach Aufhebung der besonderen Lage ändert sich für die Restaurants praktisch nichts. Zentral war der Lockerungsschritt vom 17. Februar 2022. «Aber natürlich hat nun die offizielle Rückkehr in die Normalität eine gewisse Strahlkraft: Sie gibt den Menschen Zuversicht und Hoffnung», sagt Maurus Ebneter, Präsident des Wirteverbandes Basel-Stadt.
Was die Hilfsmassnahmen angeht, so stand schon zuvor fest, dass die Corona-Erwerbsersatzentschädigung ausläuft resp. nur noch in ganz speziellen Fällen möglich ist. Die Bedingungen für Kurzarbeit dürften an sehr vielen Orten nicht mehr gegeben sein, doch hat das nicht direkt mit der Aufhebung der besonderen Lage zu tun.
Das Härtefallprogramm 2022 läuft theoretisch bis Ende Juni, doch bei den meisten Betrieben dürfte die Entschädigung ganz auf den Schaden der Monate Januar, Februar und vielleicht noch März zurückzuführen sein, schätzt Ebneter. Die Obergrenze dürfte also vielerorts schon im ersten Quartal erreicht werden.