Vorfreude auf Olympia
Drei Sportler*innen aus der Region haben sich für die Olympischen Spiele qualifziert und messen sich in Paris mit der Weltspitze. Die Leichtathlet*innen Matthias Kyburz und Pascale Stöcklin sprechen vor der Abreise über jahrelange Vorbereitung, Nervosität und die Betten im Olympischen Dorf.
Am Freitag starten die Olympischen Spiele mit einer grossen Eröffnungszeremonie entlang der Seine. Mit dabei sein werden auch Athlet*innen aus der Region: Der Fricktaler Orientierungsläufer Matthias Kyburz, die Basler Stabhochspringerin Pascale Stöcklin und der Oberwiler Hürdenläufer Jason Joseph.
Bajour erreicht Kyburz und Stöcklin am Mittwochmorgen per Telefon (Joseph war nicht erreichbar). Beide sind noch nicht im Olympischen Dorf. Die Schweizer Leichtathlet*innen reisen jeweils drei Tage vor ihrem Hauptwettkampf an, erklärt Kyburz. Und das wird erst kommende Woche soweit sein. Entgehen lassen werden sie sich aber die Eröffnungszeremonie nicht. Sowohl Kyburz als auch Stöcklin machen sich den vergleichsweise kurzen Anreiseweg zunutze und reisen am Freitag für eine Nacht nach Paris.
Die Leichtathletin Pascale Stöcklin ist in Basel aufgewachsen und übt sich seit ihrem 10. Lebensjahr im Stabhochsprung. Seit 2020 trainiert sie in Magglingen. Im Mai 2024 egalisierte sie ihren persönlichen Bestwert (4,50 m) und gelangte an der EM in Rom unter die besten 12. Neben ihrer Sportkarriere studiert Stöcklin Medizin an der Universität Basel. Ihr Motto: «Si on ne rêve pas, on n'avance pas …»
(Bild: © KEYSTONE / ULF SCHILLER)
«Auf die Eröffnungsfeier freue ich mich extrem», sagt Stöcklin. Bei ihr stehe dann «Geniessen» im Vordergrund, inklusive Erstinspektion des Olympischen Dorfs. Heiss diskutiert werden derzeit die Betten der Athlet*innen in den dortigen Unterkünften: Sie sind aus Karton, wie mehrere Medienberichte und Beiträge auf Social Media zeigen. Stöcklin will von Freitag auf Samstag Probeschlafen. «Wenn sie wirklich so hart sind, wie manche Berichte vorgeben, nehme ich für den Wettkampf ein Campingmätteli mit», sagt sie lachend.
Die 27-Jährige hat schon an mehreren Leichtathletik-Meisterschaften teilgenommen. Nun erwartet sie Olympia mit 32 Disziplinen auf höchstem Niveau. Langsam mache sich bei ihr die Nervosität bemerkbar. «Die letzten 16 Jahre habe ich auf diese Teilnahme hingearbeitet. An die Olympischen Spiele zu gehen, ist einfach einzigartig.» Sie sei «vorfreudig angespannt», sagt sie. Bemerkbar mache sich das zum Beispiel beim Schlaf, der nicht mehr so gut sei.
«Die letzten 16 Jahre habe ich auf diese Teilnahme hingearbeitet.»Pascale Stöcklin, Stabhochspringerin
Am 5. August steht für Stöcklin die Stabhochsprung-Qualifikation an. Sie reist deshalb drei Tage vorher nach Paris. Im Gegensatz zur Eröffnungsnacht sei sie so kurz vor dem Wettkampf «in ihrer Bubble» und suche eher die Ruhe statt den Trubel im Olympischen Dorf. Anders Matthias Kyburz: «Ich finde es eine grosse Bereicherung, wenn so viele Athletinnen und Athleten zusammenkommen und sich zum Beispiel in einer grossen Essenshalle treffen.» Auch wenn es dann mal laut wird, bleibe er «relaxed», sagt er.
Das trifft auch auf seine Herangehensweise an den bevorstehenden Wettkampf zu. Der 34-Jährige ist in Möhlin im Fricktal aufgewachsen und hat in seiner Karriere bereits acht Weltmeistertitel im Orientierungslauf geholt. Neu versucht er sich in einer anderen Disziplin: Marathon.
Heute wohnt Matthias Kyburz in Belp, aufgewachsen ist er aber in Möhlin (AG). Als mehrfacher Weltmeister gehört er zu den besten Orientierungsläufern der Geschichte. Dieses Jahr wechselte er die Sportart – mit grossem Erfolg: An seinem Marathon-Debüt am 7. April 2024 in Paris qualifizierte er sich für die Olympischen Spiele mit einer Zeit von 02:07:44. Neben dem Profisport arbeitet Kyburz 40 Prozent bei der SBB als Projektleiter Nachhaltigkeit.
(Bild: zVg)
«Aktuell spüre ich einfach eine grosse Vorfreude auf den Höhepunkt einer unerwarteten Geschichte». Das Ziel, bei den Olympischen Spielen als Marathonläufer anzutreten, setzte er sich erst am Ende der letzten Saison. «Ich sehe das deshalb realistisch: Auf die Medaillenränge werde ich es nicht schaffen», lacht er und ergänzt, die Teilnahme an der Olympia sei für ihn deshalb nicht mit Druck verbunden. «Vielmehr ist es für mich ein Dürfen.» Sein Lauf ist am 10. August. Deshalb sei er noch nicht so nervös, sagt er.
Wobei: «Vor Ort kommt die Nervosität dann wahrscheinlich schon», gibt er zu. «Natürlich habe ich den Ehrgeiz, eine gute Zeit zu laufen.» Am meisten freue er sich auf den Wettkampftag: «Fans, Familie und Freunde werden kommen und am Strassenrand dabei sein. Dann an der Startlinie zu stehen und diese 42 Kilometer unter die Füsse zu nehmen neben den grossen Superstars – das ist schon etwas Besonderes.»
«Aktuell spüre ich eine grosse Vorfreude auf den Höhepunkt einer unerwarteten Geschichte.»Matthias Kyburz,
Bis dahin haben beide Athlet*innen noch ein paar Trainingstage vor sich. Kyburz wird am Sonntag noch ein letztes Mal als Vorbereitung 30 Kilometer rennen, danach heisst es: Erholen bis der Wettkampf losgeht. Dafür geht er zum Beispiel in die Badi mit Kollegen. «Man muss versuchen, sich nicht verrückt machen zu lassen», sagt der Läufer.
Das weiss auch Stöcklin. Sie habe jeweils noch eine Trainingseinheit von ein bis zwei Stunden pro Tag, erklärt sie. In der restlichen Zeit versucht sie beim Lesen zu entspannen und sich mit mentalem Training am Bielersee auf ihre Sprünge vorzubereiten. Ausserdem schaue sie seit Kurzem die amerikanische Serie «The Office». «Ich brauche jetzt so etwas Leichtes, um mich abzulenken», erklärt sie.
Neben Stöcklin und Kyburz vertritt wie erwähnt auch der Oberwiler Hürdenläufer Jason Joseph die Region Nordwestschweiz an den Olympischen Spielen. Er ist Schweizer Rekordhalter Indoor und Outdoor bei den Männern und Europameister 2023. Sein Management lässt ausrichten, er werde nicht an der Eröffnung teilnehmen und die Zeit noch für Vorbereitungen nutzen. Joseph gibt während seiner Outdoorsaison keine Interviews.