«Prime News» als Hort des Basler Widerstandes
Die Mitgliederliste des neu gegründeten überparteilichen Komitees «Nein zu staatlich finanzierten Medien» liest sich überspitzt gesagt ein wenig wie das erweiterte Impressum von «Prime News».
Christian Keller ist schnell, direkt und meinungsstark. Der frühere Chef des Regionalressorts der «Basler Zeitung» ist Markus-Somm-gestählt, tickt politisch ähnlich, ist aber wesentlich weniger ideologisch. Seit drei Jahren nun schon betreibt er «Prime News», so etwas wie Bajour, aber mit bürgerlich-gewerblicher Ausrichtung und Paywall, Publireportagen und Werbung (während Bajour Member-finanziert ist und eine Anschubfinanzierung der Stiftung für Medienvielfalt erhält).
Dass sich sein Newsportal rein am Markt finanziert, darauf ist Keller besonders stolz. Er findet, dass Medien, die kein (zahlendes) Publikum finden, nicht durch staatliche Subventionen künstlich am Leben erhalten werden sollten. Besonders stört ihn, dass das von Bundesrat und Parlament verabschiedete Massnahmenpaket zugunsten der Medien die Grossverlage bevorzugt. Tamedia und CH Media, die den Konzentrationsprozess in der Schweizer Medienlandschaft vorangetrieben haben, sollen für diese Ausdünnung des Angebots auch noch belohnt werden.
Deshalb erstaunt es nicht, dass Keller eine der treibenden Kräfte hinter dem Referendum ist und das nationale Komitee mitgegründet hat. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er in der Region Basel nachdoppeln würde.
«Ich habe in der Redaktion mehrfach betont, dass jeder, der es anders sieht, jederzeit auch Beiträge bei uns verfassen kann.»Christian Keller, Gründer von «Prime News»
Was auffällt: Dem bikantonalen Komitee gehört die geschlossene «Prime News»-Redaktion an. Alle acht auf der Website aufgeführten Mitarbeiter*innen sind mit an Bord. «Ich habe in der Redaktion mehrfach betont, dass jeder, der es anders sieht, jederzeit auch Beiträge bei uns verfassen kann. Ich würde niemals einem Mitarbeitenden in einer solchen Frage eine Vorgabe machen, das darf man ja auch gar nicht. Wären wir uneinig, würden wir das zudem klar deklarieren», so Keller auf Anfrage und fügt in seiner typischen Manier hinzu: «Offenbar sind unsere Argumente bestechend überzeugend – und auch Bajour müsste ja eigentlich die Subventions-Abzocker-Mentalität der Grossverleger kritisch hinterfragen.»
Darauf hat im Bajour-Chefin Andrea Fopp schon einmal Antwort gegeben. Und zwar hier auf «Telebasel».
«Würden die Top-5-Zeitungskonzerne auch noch staatlich gefördert, würden sie noch mehr zu Hofberichterstattenden derer werden, um deren Geld sie schon heute buhlen.»Willy Surbeck, ehemaliger Chefredaktor von «Telebasel»
Insgesamt 55 Personen umfasst das Komitee, darunter viele SVP und FDP-Politiker*innen beider Basel, einige Unternehmer*innen sowie die Verleger*innen und Journalist*innen von «Gundeldinger Zeitung» und «Kleinbasler Zeitung».
Hervor sticht auch Willy Surbeck. Der ehemalige Chefredaktor des weitgehend gebührenfinanzierten «Telebasel» als Gegner staatlicher Unterstützung? Wie erklärt er das? So:
«Ich war Gegner der Gebührenfinanzierung des Regionalfernsehens. Als diese jedoch gegen meinen Willen beschlossen war, musste ich mich für eine gebührenfinanzierte Konzession einsetzen, sonst hätte ‹Telebasel› nicht überlebt», sagt Surbeck und liefert gleich den Grund für seine Skepsis: «Die staatliche Finanzierung von Medien bewirkt Verlierer. Gewinner sind jene Behörden und Institutionen welche direkten Einfluss auf Konzessionierung haben.»
Bei der SRG zählt Surbeck Bundesrat, Teile der Bundesverwaltung sowie National-und Ständerat zu den Gewinner*innen. «Die SRG und ihre VIPs profitieren deshalb sogar doppelt. Über sie wird viel häufiger und dazu markant unkritischer berichtet, als vergleichsweise über Kantone oder innovative Unternehmungen und regionale Anliegen. Ebenso passiert das sinngemäss auch bei subventionierten Regionalmedien. Gewinner sind Kantonsregierungen, weil sie im Konzessionierungsentscheid die wichtigste Stimme haben. Die Folge ist, dass über Gemeinden weniger berichtet wird, und wenn, dann bei Skandalen auf der Gemeindeverwaltung oder wenn ein Bauer die Tiere quält.»
Surbeck ist überzeugt: «Würden nun die Top-5-Zeitungskonzerne auch noch staatlich gefördert, würde dort das genau Gleiche passieren. Diese würden noch mehr zu Hofberichterstattenden derer, um deren Geld sie schon heute buhlen. Die Majorität der Steuerzahlenden wäre Verlierer.»
Surbeck wäre für gar keine Gebühren und staatlichen Unterstützungsmassnahmen. Auch nicht für die SRG. Dann, glaubt er, könnte sich ein Lokalsender wie «Telebasel» tatsächlich am Markt finanzieren.
«Die Befürchtung, dass der Staat nach Vergabe der Fördergelder die journalistischen Inhalte beeinflussen könnte, halte ich für falsch.»Stephan Rüdisühli, CEO Reinhardt-Verlag
Ebenso interessant ist, wer nicht im Komitee mitmacht: der Reinhardt-Verlag, als Herausgeber von «Allschwiler Wochenblatt», «Birsfelder Anzeiger», «Riehener Zeitung», «Muttenzer&Pratteler Anzeiger» und des «Bibo» eine grosse Nummer im Zeitungsgeschäft der Region Basel.
CEO Stephan Rüdisühli ist so ziemlich genau der gegenteiligen Meinung Surbecks: «Grundsätzlich stehen wir einer Medienförderung positiv gegenüber, da dies den Journalismus sichert und diesen nicht negativ beeinflusst. Die Befürchtung, dass der Staat nach Vergabe der Fördergelder die journalistischen Inhalte beeinflussen könnte, halte ich für falsch.» Einige der Reinhardt-Titel erhalten bereits Fördergelder. «Trotzdem können wir voll und ganz unserer journalistischen Tätigkeit nachgehen. Von Staatsmedien kann hier nicht die Rede sein», so Rüdisühli.
Allerdings halte er die Vorlage nicht für ausgereift. Er könne nicht nachvollziehen, warum Gratis-Publikationen leer ausgehen sollten. «Unabhängig davon, ob diese online oder in Papierform veröffentlicht werden, sollten diese mitberücksichtigt werden. Die Verteilung der Fördergelder ist aus meiner Sicht deshalb nicht zu Ende gedacht.»
Witzigerweise sitzt Jordi Küng, selbsternannte Journalismuslegende und Chefredaktor des journalistisch wohlfeilen «Bibo» in Kellers Komitee und positioniert sich als Gegner des Medienförderungspakets. Für Rüdisühli kein Problem: «Wenn der Chefredaktor einer unserer Zeitungen Mitglied in diesem Komitee ist, akzeptieren wir das. Unsere Mitarbeiter*innen sollen ihre Meinung frei äussern können. Andererseits erwarten wir auch, dass die Argumente und Befürchtungen, die wir als Verlagshaus offiziell vertreten, ebenso ernst genommen werden.»
Die Referendumsfrist endet am 7. Oktober. Bis dahin müssen 50’000 beglaubigte Unterschriften der Bundeskanzlei übergeben werden, damit das Schweizer Volk über das 120 Millionen Franken schwere Paket entscheiden kann.
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Bajour ist Mitglied des Verband Medien mit Zukunft, welcher sich für Medienförderung ausspricht.