Was ist eigentlich die Kulturklinik?

Unsere gesammelten Spenden während des GärngscheeKultur-Livestreams gehen an lokale Acts. Und an die Kulturklinik. Kultur-was? Gründer Luca Piazzalonga erklärt das Solidaritäts-Konzept für Künstler*innen in Not.

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Das Gründerteam der Kulturklinik, der Mission entsprechend in Held*innen-Tenues gekleidet.
Heute Abend 20.15 Uhr spielt NICOLE BERNEGGER live

Vor rund einem Monat ging für mich und viele meiner Freund*innen eine Welt unter. Corona weitete sich zur Pandemie aus, der Lockdown light bedeutete für mich als Kulturveranstalter: Kein Einkommen mehr. Nach dem ersten Schock durfte ich zumindest aufatmen: Kurzarbeit und die Epidemieversicherung meines Betriebs werden mich über die Runden bringen. Meine selbständige Arbeit als Illustrator und Grafiker kann ich von zu Hause aus weiterführen.  

Doch zeitgleich war auch klar, dass viele selbständige Kulturschaffende jetzt ziemlich tief in der Tinte sitzen. Es musste gehandelt werden und zwar schnell.  

Ein Telefonat später haben wir die Kulturklinik gegründet und eine Struktur ausgearbeitet, welche zugänglich, effektiv und vor allem den Bedürfnissen der Kulturschaffenden angepasst sein soll. 

Was ist seither passiert?

Der Anspruch war: «Die Kulturklinik aufschalten, Soforthilfe möglich machen und im Hintergrund weiter optimieren».

Die Idee ist simpel: Kulturschaffende können in unserem Onlineshop ihre Dienstleistungen oder Artikel verkaufen. Eine Bass-Stunde, Band-Shirts, Platten. Kulturkonsument*innen kaufen ein und verhelfen den Anbieter*innen zu einem Auskommen. 

Dank eines Superteams aus befreundeten Kulturschaffenden – namentlich Lucas Löw, Simone Hörler, Fabian Frei, Micha Gasser, Rudy Kink, J.J. Löw und meiner Wenigkeit – lief der Start fast beunruhigend reibungslos und die Resonanz von den Kulturschaffenden und den Medien liess nicht lange auf sich warten. 

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Was fiel uns auf?

Es meldeten sich rasch viele Kulturschaffende, und nicht wenige wollten trotz eigener Schwierigkeiten den Erlös aus dem Verkauf ihrer Produkte mit anderen teilen oder gar abgeben. Oft las ich in meinem Postfach Sätze wie: «Ich hab zwar auch massive Probleme, aber irgendwie wurschtel' ich mich da schon durch. Gebt meinen Erlös lieber denen, die ihn nötiger haben.» 

Natürlich hatten wir in diesem Zusammenhang auch unsere Bedenken.  

Zum Beispiel fragten wir uns, wie wir die Vergabe unserer Mittel handhaben und wie wir Missbrauch vermeiden wollen. Bis heute haben wir vielleicht eine Handvoll Inserate nicht genehmigt, müssen mal nachprüfen oder über den Bedarf diskutieren. Im Umkehrschluss heisst das: Es melden sich bei der Kulturklinik effektiv jene, die es nötig haben. Diese Zurückhaltung und Fairness unter den Kulturschaffenden ist sehr schön zu sehen.

«Im Moment flacht zwar die Kurve der Corona-Neuansteckungen etwas ab, aber vor allem auch die Kurve der Käufe und Spenden.»
Luca Piazzalonga

Einige unserer Patient*innen konnten wir in Zusammenarbeit mit Bajour ja schon vorstellen, da ist echt alles dabei: Von der (jetzt) arbeitslosen Schauspielerin, die Schmuck macht, über Kunsttherapeut*innen, Profimusiker*innen, Techniker*innen, Filmschaffende. Sogar die Anfrage eines Strassenzauberers haben wir bekommen. Leider hat sich der kurz nach der Anfrage wieder in Luft aufgelöst. Zauberer halt.

All diese Menschen eint dasselbe: Sie stehen vor einschneidenden existenziellen Problemen und brauchen direkte und sofortige Hilfe. Hilfe, die sie später nicht zurückzahlen müssen.

Im Moment haben wir Artikel von 83 Kulturschaffenden in unserem Sortiment, Tendenz steigend. Es gibt solidarische Inserent*innen, die ihren Erlös an den gemeinsamen Topf abtreten. Es gibt «leicht angeschlagene Patient”innen», die ihre Produkte verkaufen. Und wir haben 23 Notfallpatient*innen, die auf eine direkte Infusion aus unserem Solitopf angewiesen sind, um ihr Überleben zu sichern.

Und da wird’s spannend, denn...

...diese können wir nur am Leben halten, wenn der Topf voll genug ist.

Das ist gerade unser Hauptfokus. Denn im Moment flacht zwar die Kurve der Corona-Neuansteckungen etwas ab, aber vor allem auch die Kurve der Käufe und Spenden. Wir wollen nicht konstant betteln müssen, auch uns ist das unangenehm. Darum arbeiten wir zur Zeit daran, unsere Plattform und die vielfältigen Produkte unserer Inserent*innen über den kommenden Zeitraum attraktiv zu halten.

In meinen Augen das wichtigste, leider noch kaum genutzte Tool auf der Kulturklinik ist das «Kultur-Medikit». Die Absicht dahinter ist einfach: Kulturschaffende, das sind nicht nur diejenigen, welche im Rampenlicht stehen, sondern auch alle Dienstleister*innen dahinter. Und weil die oft keine eigenen Produkte zu verkaufen haben und in selbständigen Arbeitsverhältnissen stehen, stellen wir ihnen mit dem «Kulturköfferli» ein symbolisches Soli-Produkt zur Verfügung. 

Natürlich kämpft zur Zeit eine ganze Branche, «der Kulturbetrieb». Aber die Branche sind lauter Einzelschicksale. Die wollen wir sichtbarer machen. 

Die Branche besteht aus Einzelschicksalen

Als Nächstes wollen wir Profile für die Arbeiter*innen abseits des Scheinwerferlichts kreiren, wo sie sich und ihre Arbeit vorstellen können. So wird der Sammelbegriff «Kulturschaffende in Not» nachvollziehbarer.

Was gibt's sonst noch? Im Moment gibt es im Shop auch wundervolle Poster zu erwerben, die von Remo Keller als Geschenk gestaltet und vom Druckkollektiv Phönix in Solidarität gedruckt wurden. Über Ostern haben wir Kultureier-Gutscheine verkauft. Ausserdem haben wir von Radicalis eine Kiste Platten bekommen (u.a. von Anna Aaron, Zeal & Ardor, Brandhärd), die wir verkaufen dürfen. An alle ein dickes Bussi!

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Gemäss eigenen Angaben sind die Einnahmen über Verkäufe über den Webshop sowie die Spenden brutto rund 15'000 CHF; die Versandkosten für die Webshop-Produkte werden abgezogen.

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