«Wir waren nicht von Beginn an bereit»

Obwohl Eva Herzog als Favoritin gehandelt wurde, schafft sie den Sprung in den Bundesrat nicht. Wir wollten von den regionalen Politiker*innen wissen: Was kann Basel für ein nächstes Mal lernen?

Die unterlegene SP Bundesratskandidatin Eva Herzog, Staenderaetin SP-BS, 2. von links, mit den Basler Parlamentarierinnen Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte-BL, Maya Graf, Staenderaetin GP-BL, Katja Christ, Nationalraetin GLP-BS, von links, nach der Ersatzwahl in den Bundesrat durch die Vereinigte Bundesversammlung, am Mittwoch, 7. Dezember 2022 im im Nationalratssaal in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Grosse Enttäuschung im Bundeshaus: Eva Herzog wird nicht gewählt.

Am Tag nach der Bundesratswahl ist die Enttäuschung noch immer spürbar. Es bleibt dabei: Basel, und auch die urbanen Zentren der Schweiz, sind nicht im Bundesrat vertreten. «Aufstehen, Krone richten, weitergehen», schrieb SP-Grossrat Pascal Pfister auf Twitter. Aber lassen sich auch Lehren aus dieser Niederlage ziehen? 

Eva Herzog, Staenderaetin SP-BS, Mite, Hans-Peter Wessels, ehemaliger Regierungsrats des Kantons Basel-Stadt, links, und Lisa Mathys, Co-Praesidentin der SP Basel-Stadt, rechts, am Ende einer Medienkonferenz, bei der Eva Herzog Stellung zur Bundesratskandidatur nahm, am Donnerstag, 10. November 2022, im Hotel Bern in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Voller Tatendrang: Flankiert von Lisa Mathys und Hans-Peter Wessels verkündete Eva Herzog ihre Kandidatur.

Sie sei noch nicht bereit für diese Frage, sagt die Basler SP-Co-Präsidentin Lisa Mathys. «Wir müssen das zuerst verdauen.» Aus SP-Sicht fände sie es anmassend, zu sagen, was der Kanton nächstes Mal besser machen könne. «An der Dynamik hier in Basel und der Region hat es sicher nicht gelegen – sondern an der Dynamik im Bundeshaus.»

Auch der ehemalige Basler SP-Regierungsrat und langjährige Wegbegleiter von Eva Herzog, Hans-Peter Wessels sagt auf Anfrage, er glaube nicht, «dass Eva Herzog oder diejenigen, die sie unterstützt haben, grosse Fehler gemacht haben und nächstes Mal etwas besser machen könnten». 

Regierungsrat Hans-Peter Wessels, Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements Basel-Stadt, spricht zu den Medien anlaesslich der Pressekonferenz zur neuen Ueberbauung "Rosental Mitte" in Basel, am Freitag, 24. Januar 2020. Das geschlossene Forschungs- und Firmenareal "Rosental Mitte" oeffnet sich fuer Neues. Die Oeffnung ermoeglicht eine Erneuerung und Transformation des zentral gelegenen, gut erschlossenen Wirtschaftsstandorts sowie neue Nutzungen, Verbindungen, Gruenraeume und Begegnungsmoeglichkeiten fuer das Quartier und die Stadt Basel. Rosental Mitte wird damit Schritt fuer Schritt zu einem vollwertigen Teil des Rosental-Quartiers. Ein neues staedtebauliches Leitbild definiert die wichtigsten Eckpunkte der kuenftigen Entwicklung. (KEYSTONE/Patrick Straub)
Auch Hans-Peter Wessels hat für Eva Herzog bei Parlamentarier*innen angeklopft.

«Sie dürfen davon ausgehen, dass im Vorfeld dutzende Gespräche geführt worden sind vom Team aller vier Kandidatinnen und Kandidaten» und seine Rolle sei es gewesen, zu bezeugen, «dass Eva Herzog eine unglaublich starke Politikerin ist.» Wenn aber dann landespolitische Interessen – «nämlich, dass auch Wirtschaftszentren im Bundesrat vertreten sein müssen» – eine untergeordnete Rolle spielen würden und vor allem parteipolitische Fragen entscheidend seien, könne man nichts machen. «Wir können ja nicht nächstes Mal eine scheinbar schwache Kandidatin aufstellen, weil aus taktischen Gründen die stärkere von beiden dann nicht gewählt wird. Das wäre absurd.»

Beat Jans
Die beiden Basel seien geschlossen aufgetreten, sagt Basels Regierungspräsident Beat Jans.

Der Basler Regierungspräsident Beat Jans betont: «Eva Herzog hatte die allerbesten Qualifikationen, bei einer Bundesratswahl spielen aber ganz viele verschiedene Faktoren eine Rolle.» Er ist überzeugt: «Wir haben in Bern partei- und kantonsübergreifend alles in unserer Macht getan, um ein gutes Resultat für Eva zu erwirken.» Die beiden Basel seien geschlossen aufgetreten.

Das bestätigt auch die Baselbieter SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger. Die überparteiliche Zusammenarbeit in den beiden Basel habe sehr gut funktioniert. «Ich stand im täglichen Austausch mit Eva Herzog und Sarah Wyss, mit denen ich politisch ja nicht viel gemeinsam habe. Die regionalen Parlamentarier haben vorbildlich zusammengearbeitet. So wie es sein muss, wenn man ein gemeinsames Ziel erreichen will», erklärt sie.

 Sandra Sollberger, SVP-BL, spricht zur Grossen Kammer, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 30. Mai 2022 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Täglich sei sie im Austausch mit Eva Herzog und Sarah Wyss gestanden, sagt SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger.

Kritischer spricht sie über die SP Schweiz. Diese hätte die Kandidaturen schlecht aufgegleist, sagt Sollberger. «Die Situation war ein richtiges Durcheinander. Zuerst wollte man eine junge Mutter, dann kam die Kandidatin, die dem Wunsch entsprach, nicht aufs Ticket. Erst dann konnte man sich auf die Nominierten konzentrieren.»

«Die SP selbst war ja geteilt.», sagt auch die Basler LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein. «Wenn die SP nicht sagt, wir nehmen die Beste und diejenige, die die Stadt vertritt, dann ist es halt so.» Sie glaubt nicht, dass Basel-Stadt etwas aus dieser Wahl lernen könne, «denn aus meiner Sicht ist alles gemacht worden, was möglich war». Am Ende seien solche Wahlen Persönlichkeitswahlen. «Aber es spielen auch so viele verschiedene Parameter eine Rolle und vieles ist Zufall.» 

Patricia von Falkenstein, LPS-BS, links, diskutiert mit Susanne Vincenz-Stauffacher, FDP-SG, an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 1. Dezember 2022 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Vieles sei Zufall, ist LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein überzeugt.

Von Falkenstein ist überzeugt, dass die ganzen Sachen, die man jetzt höre, nur teilweise wichtig sind – «mehr lächeln, zugänglicher sein und so weiter», erklärt sie. «Wir haben nun mal keine Bäuerinnen und Bauern und wir haben keine welschen Kandidatinnen oder Kandidaten. Wenn man zum Beispiel eine Elisabeth Baume-Schneider will, um Pierre-Yves Maillard als künftigen Bundesrat zu verhindern, können wir in Basel gar nichts machen.» 

Katja Christ, Nationalraetin GLP-BS, spricht waehrend einer Medienkonferenz des Komitees gegen ein radikales Verbot von Tierversuchen, am Montag, 10. Januar 2022, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
GLP-Nationalrätin Katja Christ denkt, dass Gegenreaktionen hätten vermieden werden können.

Auch GLP-Nationalrätin Katja Christ denkt nicht, dass sich die SP regional unbedingt besser auf eine mögliche Kandidatur hätte vorbereiten müssen. «Aber dass durch die schnelle und klare Fokussierung auf zwei Frauenkandidaturen der nationalen Parteispitze Gegenreaktionen ausgelöst wurden, hätte wohl vermieden werden können.» Man sei jedoch nie auf jede erdenkliche Situation vorbereitet. Lobbying im Bundeshaus habe wenig mit dem Einstehen einer Region für eine Kandidatur zu tun, meint sie. Wolle man reüssieren, müsse jede*r Einzelne abgeholt werden. «Kommunikation ist in der Politik oft fast so wichtig wie ihr Inhalt und kann bei einem politischen Prozess unglaublich viel in Bewegung setzen», so die GLP-Politikerin.

Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte-BL, rechts, diskutiert mit Eric Nussbaumer, SP-BL, waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 9. Maerz 2022, im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
SP-Nationalrat Eric Nussbaumer und Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter sind sich einig: Vorbereitungen für eine nächste Kandidatur sollten jetzt beginnen.

«Man muss sich besser vorbereiten, wie eine Kampagne geführt werden sollte», sagt der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer. «Der Rücktritt von Simonetta Sommaruga kam überraschend, es war alles von Hand gestrickt.» Er vermutet, dass die SP Basel-Stadt «wohl keine saubere Strategie» hatte. Man müsse sich nun gedanklich auf den nächsten Rücktritt vorbereiten. Die Regierungen der beiden Basel und die Parteien müssten wissen, «wie und was koordiniert werden soll», wenn jemand aus der Region kandidiere, sagt er.

Seine Baselbieter Mitte-Kollegin Elisabeth Schneider-Schneiter bläst ins gleiche Horn: «Wir und auch Eva Herzog waren nicht von Beginn an bereit.» Man habe zwar sehr vieles richtig gemacht, aber: «Wir müssen weiterhin als Region zusammenstehen und in den Parteien mögliche Kandidat*innen aufbauen.» Mit Blick in die Zukunft richtet sie sich direkt an die Sozialdemokrat*innen: «Die SP sollte sich auf den Rücktritt von Alain Berset vorbereiten, so dass die Region dann eine*n Kandidat*in aufstellen kann.»

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