«Wir waren nicht von Beginn an bereit»
Obwohl Eva Herzog als Favoritin gehandelt wurde, schafft sie den Sprung in den Bundesrat nicht. Wir wollten von den regionalen Politiker*innen wissen: Was kann Basel für ein nächstes Mal lernen?
Am Tag nach der Bundesratswahl ist die Enttäuschung noch immer spürbar. Es bleibt dabei: Basel, und auch die urbanen Zentren der Schweiz, sind nicht im Bundesrat vertreten. «Aufstehen, Krone richten, weitergehen», schrieb SP-Grossrat Pascal Pfister auf Twitter. Aber lassen sich auch Lehren aus dieser Niederlage ziehen?
Sie sei noch nicht bereit für diese Frage, sagt die Basler SP-Co-Präsidentin Lisa Mathys. «Wir müssen das zuerst verdauen.» Aus SP-Sicht fände sie es anmassend, zu sagen, was der Kanton nächstes Mal besser machen könne. «An der Dynamik hier in Basel und der Region hat es sicher nicht gelegen – sondern an der Dynamik im Bundeshaus.»
Auch der ehemalige Basler SP-Regierungsrat und langjährige Wegbegleiter von Eva Herzog, Hans-Peter Wessels sagt auf Anfrage, er glaube nicht, «dass Eva Herzog oder diejenigen, die sie unterstützt haben, grosse Fehler gemacht haben und nächstes Mal etwas besser machen könnten».
«Sie dürfen davon ausgehen, dass im Vorfeld dutzende Gespräche geführt worden sind vom Team aller vier Kandidatinnen und Kandidaten» und seine Rolle sei es gewesen, zu bezeugen, «dass Eva Herzog eine unglaublich starke Politikerin ist.» Wenn aber dann landespolitische Interessen – «nämlich, dass auch Wirtschaftszentren im Bundesrat vertreten sein müssen» – eine untergeordnete Rolle spielen würden und vor allem parteipolitische Fragen entscheidend seien, könne man nichts machen. «Wir können ja nicht nächstes Mal eine scheinbar schwache Kandidatin aufstellen, weil aus taktischen Gründen die stärkere von beiden dann nicht gewählt wird. Das wäre absurd.»
Der Basler Regierungspräsident Beat Jans betont: «Eva Herzog hatte die allerbesten Qualifikationen, bei einer Bundesratswahl spielen aber ganz viele verschiedene Faktoren eine Rolle.» Er ist überzeugt: «Wir haben in Bern partei- und kantonsübergreifend alles in unserer Macht getan, um ein gutes Resultat für Eva zu erwirken.» Die beiden Basel seien geschlossen aufgetreten.
Das bestätigt auch die Baselbieter SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger. Die überparteiliche Zusammenarbeit in den beiden Basel habe sehr gut funktioniert. «Ich stand im täglichen Austausch mit Eva Herzog und Sarah Wyss, mit denen ich politisch ja nicht viel gemeinsam habe. Die regionalen Parlamentarier haben vorbildlich zusammengearbeitet. So wie es sein muss, wenn man ein gemeinsames Ziel erreichen will», erklärt sie.
Kritischer spricht sie über die SP Schweiz. Diese hätte die Kandidaturen schlecht aufgegleist, sagt Sollberger. «Die Situation war ein richtiges Durcheinander. Zuerst wollte man eine junge Mutter, dann kam die Kandidatin, die dem Wunsch entsprach, nicht aufs Ticket. Erst dann konnte man sich auf die Nominierten konzentrieren.»
«Die SP selbst war ja geteilt.», sagt auch die Basler LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein. «Wenn die SP nicht sagt, wir nehmen die Beste und diejenige, die die Stadt vertritt, dann ist es halt so.» Sie glaubt nicht, dass Basel-Stadt etwas aus dieser Wahl lernen könne, «denn aus meiner Sicht ist alles gemacht worden, was möglich war». Am Ende seien solche Wahlen Persönlichkeitswahlen. «Aber es spielen auch so viele verschiedene Parameter eine Rolle und vieles ist Zufall.»
Von Falkenstein ist überzeugt, dass die ganzen Sachen, die man jetzt höre, nur teilweise wichtig sind – «mehr lächeln, zugänglicher sein und so weiter», erklärt sie. «Wir haben nun mal keine Bäuerinnen und Bauern und wir haben keine welschen Kandidatinnen oder Kandidaten. Wenn man zum Beispiel eine Elisabeth Baume-Schneider will, um Pierre-Yves Maillard als künftigen Bundesrat zu verhindern, können wir in Basel gar nichts machen.»
Auch GLP-Nationalrätin Katja Christ denkt nicht, dass sich die SP regional unbedingt besser auf eine mögliche Kandidatur hätte vorbereiten müssen. «Aber dass durch die schnelle und klare Fokussierung auf zwei Frauenkandidaturen der nationalen Parteispitze Gegenreaktionen ausgelöst wurden, hätte wohl vermieden werden können.» Man sei jedoch nie auf jede erdenkliche Situation vorbereitet. Lobbying im Bundeshaus habe wenig mit dem Einstehen einer Region für eine Kandidatur zu tun, meint sie. Wolle man reüssieren, müsse jede*r Einzelne abgeholt werden. «Kommunikation ist in der Politik oft fast so wichtig wie ihr Inhalt und kann bei einem politischen Prozess unglaublich viel in Bewegung setzen», so die GLP-Politikerin.
«Man muss sich besser vorbereiten, wie eine Kampagne geführt werden sollte», sagt der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer. «Der Rücktritt von Simonetta Sommaruga kam überraschend, es war alles von Hand gestrickt.» Er vermutet, dass die SP Basel-Stadt «wohl keine saubere Strategie» hatte. Man müsse sich nun gedanklich auf den nächsten Rücktritt vorbereiten. Die Regierungen der beiden Basel und die Parteien müssten wissen, «wie und was koordiniert werden soll», wenn jemand aus der Region kandidiere, sagt er.
Seine Baselbieter Mitte-Kollegin Elisabeth Schneider-Schneiter bläst ins gleiche Horn: «Wir und auch Eva Herzog waren nicht von Beginn an bereit.» Man habe zwar sehr vieles richtig gemacht, aber: «Wir müssen weiterhin als Region zusammenstehen und in den Parteien mögliche Kandidat*innen aufbauen.» Mit Blick in die Zukunft richtet sie sich direkt an die Sozialdemokrat*innen: «Die SP sollte sich auf den Rücktritt von Alain Berset vorbereiten, so dass die Region dann eine*n Kandidat*in aufstellen kann.»
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