Was soll denn ein Flüchtling mit einem Papierschiffli?

Mit einem stillen Protest vor dem Grossen Rat wollte die BastA! Druck auf die Regierung und den Bund machen. Basel-Stadt solle jetzt endlich Flüchtende aus Griechenland aufnehmen.

IMG_0230
Symbolische Mahnmale vor dem Congresszentrum, in dem der Grosse Rat debattiert. Foto: Daniel Faulhaber

Vor dem Congresszentrum treiben am frühen Morgen kleine orange, weisse und grüne Schiffe auf dem kalten Asphalt. Manche Passant*innen gehen achtlos vorbei, andere schauen hin, dritte nehmen ein Schiff in die Hand und gehen weiter.

Es war ein symbolisches Schauspiel, das sich da am Mittwoch Morgen auf dem Vorplatz des politischen Parketts abspielte. Das Parlament traf sich (wegen Corona immer noch im Kleinbasel) zur Grossratssitzung. Mitglieder der BastA! hatten in der Nacht zuvor Papierschiffe gefaltet und verteilten sie am Morgen an die ankommenden Politiker*innen.

Die Aktion sei ein «stiller Protest» gegen das Vergessen, sagte BastA-Co-Präsidentin Sina Deiss. Das Camp Moria auf Lesbos ist vor genau einer Woche fast komplett ausgebrannt und hat diese seit Jahren andauernde humanitäre Katastrophe noch einmal verschärft. Unsere Regierung muss nun handeln und Druck auf Bundesbern machen und zwar sehr schnell. Wir haben Platz.»

IMG_0238
Christoph Brutschin (SP) kriegt ein Schiffchen
IMG_0241
Lukas Engelberger (CVP) ebenso

Die Reaktionen am Mittwoch Morgen waren gemischt. Grossrat André Auderset (LDP) wollte kein Schiffchen annehmen. FDP-Grossrat David Jenny fragte, halb im Scherz, ob man wirklich schon so früh am Morgen Propaganda machen müsse. Und sein Fraktionspräsident, Erich Bucher, zeigte zwar Verständnis für die schreckliche Situation in Lesbos, hatte aber Mühe damit, «dass einige Parlamentarier*innen immer wieder versuchen, Weltpolitik in Basel zu betreiben». 

«Ich treffe mich noch diese Woche mit Karin Keller-Sutter und werde ihr nochmal klar sagen, dass sich der Bund schnell um eine Lösung bemühen soll.»
Christoph Brutschin

Eigentlich hatten die Behörden bereits letzte Woche angekündigt, Basel-Stadt habe Platz und könne spontan Geflüchtete aufnehmen (Bajour berichtete). Aber dann folgte: Nichts. Anders als in Bern oder Zürich machte die Regierung kein öffentliches Statement. Die BastA will das ändern und fordert auch in einer Medienmitteilung, «den Druck nach Bundesbern zu erhöhen.»

Brutschin: «Den Bund nun mit einer Medienmitteilung zu beschimpfen ist wenig konstruktiv.»

Das sei bereits passiert, sagte dagegen Christoph Brutschin, Vorsteher des zuständigen Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt zu Bajour. Er nahm am Mittwoch Morgen zwar ein rotes Papierschiffchen mit der Aufschrift #Evakuierenjetzt und dankte höflich. Er machte aber deutlich, dass es sich die BastA! mit ihrer Forderung nach einem öffentlichen Statement ein bisschen zu einfach macht

«Der Bund weiss, dass Basel bereit ist, mehr Geflüchtete aufzunehmen», sagte er. Darum sei es wenig zielführend, mit Statements oder Medienmitteilungen gegen das Departement von Karin Keller-Sutter vom Leder zu ziehen. 

Die Aktion mit den Schiffchen fand er aber nicht schlecht: «Ich treffe mich noch diese Woche mit der Verteidigungsministerin und werde ihr nochmal klar sagen, dass sich der Bund schnell um eine Lösung bemühen soll. Und dass sich Basel daran beteiligen möchte», sagt Brutschin. Die BastA!-Aktion werde ihm dabei helfen: «Ich kann Keller-Sutter sagen, das Thema bewegt die Leute, bitte mach vorwärts.» 

WCs, Parkplätze und Tempo 30

Wie schnell das Justiz- und Sicherheitsdepartement auf die Forderungen aus den Städten reagiert, kann auch Brutschin nicht abschätzen. Persönlich haben ihn die Bilder aus Moria sehr betroffen gemacht, sagt er noch, die Situation sei «furchtbar. Mich bestürzt auch, dass Griechenland in dieser Sache so alleine gelassen wird. Die mangelnde Solidarität innerhalb der EU macht mir Sorgen.»

Im Grossen Rat war die Griechische Migrationskrise an diesem Mittwoch kein Thema. Es ging um gebührenfreie WC-Anlagen, die Kosten leerstehender Autoparkplätze und Tempo 30 in der Birmannsgasse.

Die Weltpolitik, wie FDP-Grossrat Bucher es nannte, stand hie und da in Form von Papierschiffchen leise Spalier.

IMG_0259
Die «Weltpolitik» nimmt symbolisch Platz im Grossen Rat.
IMG_0252
Das Schiff rechts von Joël Thüring steht auf dem Mikrofon eines Nachbarn.

Das könnte dich auch interessieren

Migrant*innensession beider Basel 2024

Valerie Wendenburg am 30. September 2024

Fünf Vorstösse für mehr Mitsprache

Am Samstag wurde im Basler Rathaus an der Migrant*innensession beider Basel den Menschen eine Stimme gegeben, die sonst nicht stimmberechtigt sind. Alle von den Migrant*innen eingereichten Vorstösse wurden angenommen und werden nun in den Parlamenten behandelt.

Weiterlesen
Oliver Bolliger, 10. September 2024

Valerie Zaslawski,David Rutschmann am 17. September 2024

«Zu meinen, es brauche keine Polizei, finde ich naiv»

Oliver Bolliger (Basta) will in die Basler Regierung und eine linke Mehrheit möglich machen. Im Interview erklärt er, weshalb seine postkapitalistische Haltung kein Widerspruch ist, um in der Pharmastadt Basel Exekutivpolitik zu machen, warum der Wohnschutz ein Erfolg ist und wieso er auch ein guter Polizeidirektor wäre.

Weiterlesen
Inselstrasse

Michelle Isler am 31. Mai 2024

Kaspar Sutter: «Das Haus war leer»

Ab Mitte Juni ziehen Geflüchtete in einen Block an der Inselstrasse, der letztes Jahr leergekündigt wurde. Die Anwohner*innen fühlen sich vom Kanton im Stich gelassen.

Weiterlesen
8-_prisoners_of_fate

Maria di Salvatore, Filmexplorer am 11. März 2024

«Gefangene des Schicksals»

Ist uns vorbestimmt, was für ein Leben wir führen müssen? Der Film ist eine filmische Langzeitbegleitung von afghanischen und iranischen Geflüchtete, die im Zuge der Flüchtlingswelle von 2015 in die Schweiz gekommen sind.

Weiterlesen
Fauli

<a href="https://www.trust-j.org/30002" target="_blank"><img src="https://www.trust-j.org/fileadmin/templates/layout/img/trustj-logo.png" width="150" /></a>

Themeninputs und Hinweise gerne an [email protected] . Twitter: @dan_faulhaber


_

Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

_




Kommentare