Ein Kind ertrinkt – es hätte auch meines sein können
Ganz Basel redet über Badeunfälle. Wieso das nicht angebracht ist und was man wirklich zur Prävention beitragen kann.
Vielleicht fällt es mir erst jetzt auf, wo ich Mutter bin. Vielleicht häufen sich aber auch einfach die Fälle: Seit die Badis geöffnet haben, liest man von ertrunkenen Kindern. Letztes Wochenende gerade wieder, ein Junge, 7-jährig, im Gartenbad Reinach. «In letzter Sekunde gerettet» titelte 20 Minuten und in den sozialen Medien wurden die Messer gewetzt. «Vielleicht sollte man einfach besser auf die Kinder schauen, statt am Beckenrand auf dem Handy rumzuspielen», schrieb eine Frau in einer Facebookgruppe, in der sich sehr viele Mütter tummeln.
Einige pflichteten ihr bei, andere schossen wütend zurück. Wer mit mehreren Kindern in der Badi sei, könne nicht immer alle gleich im Auge behalten. Dann sollen sie auch nicht alleine in die Badi! rief es zurück. Andere sahen die Lösung in mehr Personal an den Beckenrändern. Wieder andere erzählten von eigenen Erfahrungen und wie schnell es passieren könne, dass ein Kind ertrinkt.
Kein Schwatzen, kein Handy
20 Sekunden, um genau zu sein. «Das Kind wird sich nicht bemerkbar machen, und nach 20 Sekunden ist es schon zu spät» sagte Philipp Binaghi von der Schweizerischen Lebensrettungsgesellschaft kürzlich zur Basler Zeitung. Es sei essentiell, dass die erwachsenen Begleitpersonen die Kinder im Auge behalten. Mit Betonung auf «behalten»: «Kinder muss man immer im Blick haben, selbst wenn sie schon schwimmen können», sagt Binaghi. «Kleine Kinder dazu auch immer in Griffnähe. Da kann man keinen Schwatz halten oder mal kurz aufs Handy schauen.»
Eine Aussage, die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Ich schaue öfters mal aufs Handy, auch wenn meine Kinder bei mir sind. Sie sind noch sehr klein und bis jetzt sind wir erst einmal in die Badi. Ich habe auch da schon in mein Handy geschaut. Allerdings nicht, als sie im Wasser waren. Aber ich kenne die Versuchung, das Handy oder eine Zeitung an Orte mitzunehmen, wo die Kinder spielen und man selbst nicht gross involviert ist. Und mit anderen Eltern zu plaudern ist für mich schon fast eine Selbstverständlichkeit. Im Badi-Kontext gefährde ich damit mein Kind.
Wie kann ich also überhaupt noch ins Schwimmbad, ohne die ganze Zeit Horrorszenarien vor Augen zu haben?
Keine Option ist es, Kinder vom Wasser fernzuhalten. «Die Schwimm- und Wassergewöhnung kann nie zu früh beginnen», sagt Andreas Paatz von der Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes, in einem sehr nützlichen Text, der vor zwei Jahren beim deutschen Elternmagazin hallo eltern erschienen ist. Er empfiehlt das Schwimmen lernen ab einem Alter von 5 bis 6, je nachdem wie das Kind körperlich entwickelt ist.
Weitere Tipps von ihm:
- Ältere Geschwister ersetzen keine Aufsichtsperson von Kleinkindern
- Badestellen und offene Gewässer sollten immer gesichert werden. Kinderplanschbecken und Teiche sollten für Kinder unzugänglich sein (Zäune oder Abdeckungen – auch Wassertonnen brauchen einen Deckel.)
- Mit Kindern über Gefahren sprechen: Eltern können mit älteren Kindern über mögliche Gefahren im Wasser sprechen. «Nicht, um Angst zu schüren, sondern auch um von frühester Zeit an das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass eine Gefahr besteht.»
Prävention ist das Eine. Aber was, wenn es trotz bestmöglicher Aufmerksamkeit passiert? Wenn ich die Mutter bin, die kurz für einen Schwatz angehalten hat und nicht bemerkte, wie ihr Kind unter Wasser gerät?
Dann hilft es auch nicht, wenn die Muttis auf Facebook sich die Mäuler zerreissen darüber, wie Eltern nicht gut genug auf ihre Kinder aufpassen. Ein Quäntchen Unvorhersehbarkeit bleibt immer im Leben, wer lebt, ist immer auch mit dem Tod konfrontiert. Es ist eine harsche Realisation. Aber wahrscheinlich braucht es sie, um wieder loszulassen und sich jeden Tag zu sagen: Ich tue mein Bestes. Auch in der Badi.