Alles Käse?

Eines der grossen Versprechen bei der Entwicklung des neuen Klybeckquartiers heisst: Die Bevölkerung redet mit! Das klingt gut. Am Schluss entscheidet die Swiss Life doch lieber selbst. Ein Kommentar.

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Der ehemalige Kiosk an der Ecke Klybeckstrasse / Mauerstrasse bekommt eine neue Zwischennutzung. (Bild: Daniel Faulhaber)

Eins vorneweg: Gemessen an den riesigen Umwälzungen, die das neue Entwicklungsareal Klybeck Plus mit seinen 300’000 Quadratmetern und einem Planungshorizont bis 2040 bedeuten wird, ist die hier beschriebene Posse nicht mehr als ein Wimpernschlag in der Geschichte. Man wird sich, wenn im neuen Stadtquartier dereinst das Leben eingezogen ist, nicht an sie erinnern. Aber die Vision war gross.

«In den Planungsprozess ist die Öffentlichkeit mittels Beteiligung von Anfang an als Gesprächspartnerin und Impulsgeberin einbezogen.»
Versprechen auf der Homepage Klybeckplus.ch

Und deshalb wollen wir die kleine, nennen wir sie Panne, nicht undokumentiert entwischen lassen. Manchmal zeigt sich der Geist des grossen Ganzen in den feinsten Verästelungen. Und das wäre dann ein schlechtes Zeichen für dieses Megaprojekt.

Sie versprachen Partizipation – und du glaubst nicht, was dann geschah!

So hat sich die Posse abgespielt:

Seit 2019 ist das ehemalige Industrieareal zwischen Dreirosenbrücke und der Wiese im Besitz der Rhystadt AG (einem Investmentkonsortium) und der Swiss Life Versicherung. Gemeinsam mit der Stadt Basel hat man sich auf eine kooperative Planung geeinigt, um das «Areal», wie es im Stadtentwicklungssprech heisst, «in eine neue Zukunft zu transformieren». 

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Die rot eingefärbten Teile markieren den Arealbesitz von Swiss Life. Der gelbe Pfeil zeigt den Standort des kleinen Kiosks an der Kreuzung Mauerstrasse / Klybeckstrasse. (Bild: Screenshot Klybeq.ch / Montage Bajour)

Bei einem Tag der offenen Porte vom Oktober 2020 auf jenem Teil des Areals, das der Swiss Life gehört, wurden sympathische Ideen postuliert und Zwischennutzungen versprochen. Startschuss und damit die Speerspitze des geplanten Handinhands zwischen Bevölkerung und der Investorin: Ein ehemaliger Kiosk auf der Kreuzung Klybeckstrasse / Mauerstrasse.

Zwölf Teams bewarben sich mit kreativen Ideen für die Zwischennutzung dieses Kiosks. Eine Jury, zusammengesetzt aus Vertreter*innen des Stadtteilsekretariats, der Stadtentwicklung und der Swiss Life kürte drei Teams für die engere Auswahl und lancierte einen Wettbewerb, bei dem via E-Voting abgestimmt werden konnte. Die Teams rührten die Werbetrommel und schickten den Link zur Online-Abstimmung an alle Freund*innen. Soweit so gut und alle miteinander.

Allein: Das Abstimmungstool war so schlecht programmiert, dass übereifrige Unterstützer*innen «ihres» Lieblingsteams vier, fünf, sechsmal abstimmen konnten und damit die Abstimmung verzerrt wurde. Grosse Bestürzung, Swiss Life stoppte den Abstimmungsprozess.

Es gab eine Aussprache zwischen den Teams und der Versicherung. Was tun? Das mit der Basisdemokratie hatte nicht so toll geklappt, also einigte man sich auf einen anderen Weg. Nur, wie partizipativ konnte der sein? 

Am Schluss gab es ein digitales Hearing vor Vertreter*innen der Swiss Life. Die Investorin entschied sich – ohne langes Hin und Her – für das Projektteam Qiosk, das den Wettbewerb mit einem «komplexen Produkt» für sich entschied: Käse.

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Projektbeschreibung des Gewinner*innenteams «Qiosk» auf der Homepage der Swiss Life, Klibeq.ch. (Bild: screenshot Klybeq.ch)

Dagegen ist sicher nichts einzuwenden, Käse ist toll. Trotzdem hinterlässt die Vergabe einen ranzigen Geschmack im Gaumen. Nicht nur wurde durch technisches Unvermögen das Versprechen der Partizipation, und damit eines der ganz grossen Buzzwords rund um die Entwicklung des Klybeckareals, schnöde abgeklemmt und links liegen gelassen. Man darf auch, ohne dem Käse zu nahe zu treten, die Frage in den Raum stellen, wie gut sich dieses schillernde Dolce-Vita-Projekt («in frische Toggenburger Fichtenrinde eingebundener Weichkäse») in die Umgebung einfügt. 

Die Swiss Life sagt auf Anfrage, man könne nicht abschliessend beurteilen, ob das Abstimmungstool manipuliert worden sei. Die Grundeigentümerin habe schlussendlich die Jurierung vorgenommen um sicherzustellen, «dass das ausgewählte Vorhaben so gut wie möglich in die Entwicklungs- und Nutzungsstrategie von KLYBEQ passt, und für das gesamte Quartier einen Mehrwert entsteht».

Mitsprache – aber wie?

Genau hier, um aus dem Käseloch wieder hinaus auf die Makroebene zu kommen, liegt eines der Sprengthemen rund um die Entwicklung von Klybeck Plus, und der kleine Kiosk stellt die grosse Frage im Kleinen: Wie kann die Entwicklung so vonstatten gehen, dass der Mehrwert auch für die Menschen im Quartier als solcher empfunden wird?

Die Sorge geht um, dass mit feinen Projekten ein vergoldeter Keil in ein Quartier getrieben wird, in dem das Einkommen und die Mieten heute so tief sind, wie sonst nirgends in der Stadt. 

Die Initiative Basel baut Zukunft steht in den Startlöchern und fordert 50 Prozent günstigen Wohnraum, die Investoren sind dagegen und bieten 30 Prozent. Man muss kein*e politische*r Hellseher*in sein, um zu erkennen, dass der Streit um den Erhalt günstigen Wohnraums das Projekt über Jahre hinweg prägen wird. Das ist, wie gesagt, Teil der grossen Debatte.

Ein bisschen Käse und Vino am Strassenrand wird am Schluss bestimmt nicht den Ausschlag geben. Skeptiker*innen sehen im Versprechen auf eine «genussreiche Belebung des Klybecks» dennoch bereits die Vorhut der Yuppisierung ihres Quartiers.

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In einer früheren Version des Artikels stand, ein Teil des Klybeck Areals sei seit 2016 im Besitz der Swiss Life. Das ist falsch. Richtig ist, dass Swiss Life seit 2019 Teile des Entwicklungsareals Klybeck besitzt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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Auf dem Plakat der Wettbewerbsausschreibung neben dem Kiosk haben Unbekannte ihren Unmut über die Entwicklung markiert. (Bild: Daniel Faulhaber)

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Themeninputs und Hinweise gerne an [email protected] . Twitter: @dan_faulhaber


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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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