Eine Versöhnung mit der Schlaflosigkeit

Die Performance «Why don’t you sleep at night?», die noch bis Sonntag im Roxy in Birsfelden gezeigt wird, fängt die quälende Erfahrung der Schlaflosigkeit ein und schafft gleichzeitig Versöhnung: Wir sind nicht allein.

«Why don’t you sleep at night?» Roxy Birsfelden
Eine kreative Auseinandersetzung mit dem Thema Schlaflosigkeit. (Bild: Layla Gysin)

Müde. Tick, tack. Ich will schlafen. Tick, tack, tick. Meine Gedanken. Tick, tack, tick, tack. Warum kann ich nicht schlafen? Ich will schlafen. Ich MUSS schlafen. Tick, tack. Die Uhr tickt immer schneller. Tick, tack, tick, tack. Verzweiflung, ein Schrei.

Die Schlaflosigkeit ist eine heimtückische Begleiterin im Schlafzimmer. Mal sitzt sie nur da und schaut zu, wie man hellwach im Bett liegt, mal ist sie so präsent, dass man am liebsten laut schreien würde. Die Gedanken kreisen immer wieder um dieselben Fragen, man wälzt sich im Bett hin und her und versucht, nicht auf die Uhr zu schauen. 

«Why don’t you sleep at night?» Roxy Birsfelden
Schlaflosigkeit ist ein Phänomen, das wir alle kennen – doch wie begegnen wir ihr? (Bild: Layla Gysin)

Nachts wach liegen und nicht schlafen können, das kennen wir alle. Aber was hindert uns am Schlaf? Nun, diese Frage lässt sich kaum kollektiv beantworten. Ein Gedanke vom Tag, der uns nicht loslässt, Stress oder ein Streit können mögliche Gründe sein. Das Stück «Why don’t you sleep at night?» beschäftigt sich mit diesem unangenehmen Phänomen und zeigt, wie Schlaflosigkeit einen fast um den Verstand bringen kann. 

Eine Decke, die bei jeder Bewegung unangenehme Geräusche von sich gibt, zieht sich durch das ganze Stück –  ein Albtraum. Zwei Performerinnen wälzen sich auf der Bühne, dem überdimensionalen Bett. Mal kommt die eine kurz zur Ruhe, dann die andere, aber nie beide. Mal helfen sie sich gegenseitig, richten das Kissen und wiegen die andere in den Schlaf. Und in der nächsten Szene zieht die eine der anderen die Decke vom Körper. Schafe zählen, die Position wechseln, unter die Bettdecke kriechen –  nichts scheint zu funktionieren, es kehrt einfach keine Ruhe ein.

wir liegen wach und warten

wir können uns nicht helfen

kannst du mir beim einschlafen

meinen Kopf halten

meine Armbeuge kratzen

fein bitte

wir liegen wach und warten

was wenn wir 

nie mehr einschlafen

für immer wach

schlafen

Aus dem Stück «Why don’t you sleep at night»

Zum Trio

Inszeniert wurde die Performance von der Basler

Bewegungsschauspielerin Lia Schädler. Die 27-Jährige ist seit vier Jahren als freischaffende Künstlerin tätig. 2018 hat sie den Bachelor of Arts in Theater an der Accademia Teatro Dimitri abgeschlossen. Das Stück «Why don’t you sleep at night?» entwickelte sie 2022. Für die Co-Kreation konnte sie Mayra Bosshard und Marquis’ McGee gewinnen. Der 32-jährige McGee hat in Boston Musik studiert und lebt seit einigen Jahren in Genf. Er begleitet das Stück musikalisch, auf dem Saxophon und mit verschiedenen improvisierten Instrumenten wie einer halbgefüllten Wärmflasche oder Luftballons, mit denen er ein fast unerträgliches Quietschen erzeugt. Neben Schädler steht die 30-jährige Baslerin Mayra Bosshard auf der Bühne. Auch sie hat ihren Bachelor an der Accademia Teatro Dimitri gemacht. Das Stück überzeugt durch seine Einfachheit. Alles, was dem Trio zur Verfügung steht, sind ein paar einfach Instrumente, einige Luftballons und die Körper der Performer:innen. Und es funktioniert. 

«Why don’t you sleep at night?» Roxy Birsfelden
Auf der Suche nach der richtigen Schlafposition. (Bild: Layla Gysin)

Neben aller Verzweiflung und Wut begegnen sie im Stück ihrer Schlaflosigkeit auch mit Humor. So scheint der ersehnte Schlaf plötzlich ganz nah. Es wird still im Raum. Erleichterung breitet sich aus, ein zufriedenes Lächeln, die Augen schliessen sich. Zu früh gefreut. So schnell wie sie weg waren, sind sie wieder da, die Gedanken. Eine weisse Gestalt mit einem überdimensionalen Gehirn betritt die Bühne und tanzt zu lauter Musik. Die ausgelassene Stimmung kommt schnell zu einem Ende. Die Gestalt verliert ihren Kopf, die Musik stoppt abrupt, die Figur geistert ziellos über die Bühne, auf der Suche nach ihrem Gehirn. Das Publikum lacht. Viele Szenen wirken so schrecklich komisch, weil man sie als Zuschauer*in sofort mit eigenen Erfahrungen assoziiert. Ein roter Luftballon in Form eines Gehirns zum Beispiel. Die Schlaflose wälzt sich auf der Bühne und bläst das Gehirn auf, bis es immer grösser wird und fast zu platzen droht. Im nächsten Moment entweicht alle Luft mit einem unerträglichen Quietschen und bleibt schlaff auf der Bühne liegen.

Eine Auseinandersetzung mit eigenen Erfahrungen

Was dieses Stück so bemerkenswert macht, ist nicht nur die kreative Auseinandersetzung mit dem Thema Schlaflosigkeit, sondern auch die Art und Weise, wie es die Zuschauer*innen einlädt, über ihre eigenen Erfahrungen mit schlaflosen Nächten nachzudenken. Denn wir alle kennen sie, diese Nächte, in denen uns die Gedanken den Schlaf rauben  – und jede*r wird sich in der einen oder anderen Szene wiedererkennen. 

Ein Patentrezept, der Schlaflosigkeit zu entfliehen, schafft das Stück zwar nicht. Es zeigt aber, dass wir uns im Moment der Schlaflosigkeit zwar schrecklich allein fühlen, im Grunde aber alle mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben.

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