Wie lange geht das noch gut?
Der Bund verspricht Milliarden für die Beizen und andere Betriebe. Aber auch mit Härtefallhilfen könnte es für manche zu spät sein. Denn: Die Fixkosten laufen gnadenlos weiter.
Pia Elia sitzt in ihrem leeren Restaurant, als sie von den Höhen und Tiefen der vergangenen Monate erzählt. Elia führt seit fast 20 Jahren das «Tapas del Mar» in der Schnabelgasse. Sie bedauert, dass sie keinen Kaffee anbieten kann, die Edelstahl-Maschine ruht seit Wochen.
Während der ersten Corona-Welle musste Pia Elia einen Überbrückungskredit aufnehmen. Zwischen 40 und 50 Prozent weniger Umsatz machten das nötig. Erholung gab es nicht wirklich: Vor dem zweiten Shutdown im November konnte nur ein Drittel der Tische besetzt werden.
Aber Elia möchte nach vorne schauen und nicht so viel über das reden, was war. «Wir haben Kurzarbeit für die Angestellten, das funktioniert sehr gut.» Das Geld sei immer innerhalb von sieben bis zehn Tagen auf dem Konto gewesen.
Hilfe für die Beizen
Da die Schliessungen behördlich angeordnet werden, springen Bund und Kantone ein. Es gibt Kurzarbeitsentschädigung, Überbrückungskredite und Härtefallhilfen.
- In ihrer Existenz gefährdete Unternehmen in Basel-Stadt können noch bis Ende Jahr bei den Banken Überbrückungskredite beantragen, der Kanton bürgt dafür, falls sie sie nicht zurückzahlen können.
- Zusammen mit den vom Bund vorgesehenen Mitteln stehen für das Härtefallprogramm von Basel-Stadt 74,5 Millionen Franken zur Verfügung. Pro Unternehmen werden bis zu 20 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes 2018 und 2019 als A-fonds-perdu ausbezahlt, maximal jedoch 750’000 Franken.
- Aktuell debattieren abwechselnd Ständerat und Nationalrat über Anpassungen des Covid-19-Gesetzes, mit dem auch die Härtefallhilfen geregelt sind. Der Ständerat fordert, dass Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 5 Millionen Franken unter gewissen Bedingungen die erhaltenen À-fonds-perdu-Beiträge des Bundes zurückzahlen müssen. Der Nationalrat ist jedoch dagegen.
- Der Bundesrat will neu maximal zehn Milliarden Franken ausgeben. Bis zu zehn Milliarden Franken zusätzlich fordert der Nationalrat, der Ständerat ist dagegen.
Auf die Härtefallhilfen, die seit November beim Kanton beantragt werden können, wollte Elia so lange es ging verzichten. Der Vermieter sei ihr zum Glück entgegengekommen beim Mietzins. «Wir haben erst einmal die Reserven aufgebraucht und geschaut, wie lange der Shutdown geht.»
Aktuell diskutiert der Bundesrat über eine Öffnung am 22. März, aber wenn überhaupt, nur für den Aussenbereich. Und nur, wenn die Covid-Zahlen es erlauben. Wahrscheinlicher ist deshalb, dass es bis April dauern wird. Der Nationalrat hat darauf verzichtet, ein fixes Öffnungsdatum festzuschreiben.
Das grösste Problem für die Beizer*innen sind die Fixkosten: Miete, Strom, Versicherungen und Pensionsbeiträge für die Angestellten müssen auch dann voll bezahlt werden, wenn keine Gäste kommen. Aus einem Dichtmachen auf Zeit kann so schnell ein Dichtmachen auf ewig werden.
Warum tue ich mir das noch an?
Das Hin und Her zu möglichen Öffnungsdaten macht es für die Beizen nicht leichter. Anfang Februar reichte Elia dann doch ein Gesuch für Härtefallgelder ein, einen Bescheid hat sie bis heute nicht. «Das ist ärgerlich. Es steht sehr viel Geld zur Verfügung und es fliesst sehr wenig. Man weiss bis heute nicht: Sind es 10, 15 oder 20 Prozent vom Umsatz die man bekommt? Die Betriebe sind jetzt vier Monate zu, und es gibt noch keine Lösung.»
Ähnliche Sorgen treiben Fabian Rutishauser von der «Fischerstube» an der Rheingasse um. Auch bei ihm sind bisher keine Härtefallgelder eingetroffen. «Die Situation ist sehr frustrierend. Es gibt Momente, da frage ich mich: Warum tue ich mir das noch an, wie lange geht das noch gut?»
Hilfe für knapp die Hälfte
Knapp die Hälfte der Betriebe in Basel-Stadt, die seit November Härtefallhilfen beantragt haben, haben diese auch bekommen. Nach Angaben des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) sind bisher 723 Gesuche eingetroffen. Davon seien rund 465 bearbeitet, 60 wurden abgelehnt, 350 Betriebe hätten die Unterstützungsleistung erhalten (Stand 10. März).
«Bei vielen der erst eingereichten Gesuche müssen noch Informationen und Unterlagen nachgeliefert werden», teilt Brigitte Meyer mit, Generalsekretärin des WSU. Verzögerungen bei der Bearbeitung gebe es keine: «Sind alle Unterlagen und Angaben da, dauert es bis zum Entscheid und zur Auszahlung wenige Wochen. Die Betriebe, denen die Wartezeit zu lang wird, können sich sehr gern bei uns nach dem Stand erkundigen.»
Eine weitere Zahlungsrunde ist laut dem WSU bis spätestens Ende März geplant.
«Ohne den Kredit gäbe es uns wahrscheinlich nicht mehr.»Fabian Rutishauser, Wirt «Fischerstube»
Der Tapas-Beizerin Elia geht das alles nicht schnell genug. Sie glaubt, viel Zeit könnte eingespart werden, wenn die Behörden mit den Treuhänder*innen der Betriebe zusammenarbeiten würden. «Die Treuhänder garantieren für die Steuererklärung, für eine richtige Bilanz und eine richtige Erfolgsrechnung. Also könnte man sie doch einbeziehen, um sagen zu können: Der Betrieb hat so und so viele Unkosten, die müssen gedeckt werden.»
Auch die «Fischerstube» hadert mit der Wartezeit. «Aktuell steht die Kurzarbeitsentschädigung für 2021 komplett aus und das letzte Jahr ist auch noch nicht komplett abgerechnet», sagt Rutishauser.
Immerhin, mit dem Vermieter habe er bis Ende März einen Deal aushandeln können, damit er nicht die volle Miete zahlen muss. «Ich kenne so viele Gastronomen, bei denen Kurzarbeitsgeld, aber keine Härtefallgelder angekommen sind. Da müsste jetzt was kommen.» Derzeit finanziert der «Fischerstube»-Wirt sein Geschäft mit dem Corona-Kredit, den er im ersten Shutdown beantragen konnte. «Ohne den Kredit gäbe es uns wahrscheinlich nicht mehr.»
Fabian Rutishauser hat das Restaurant Fischerstube Anfang 2019 übernommen, steckt also noch in der Startup-Phase. «In der ersten Zeit gibt es keine grossen Rücklagen, da muss man investieren, um den Laden am Laufen zu halten. Das weiss man auch, wenn man so ein Geschäft übernimmt, aber in diesem Fall ist es saublöd gelaufen.»
Vor dem zweiten Shutdown hat Rutishauser wieder in Corona-Schutzmobiliar investiert, etwa 30’000 Franken in Trennscheiben und ein Winterzelt. «Das haben wir in dem Glauben getan, dass wir so weiterarbeiten können. Und dann kam der Super-GAU. Hätten wir im November gewusst, dass wir bis Ende März sicher nicht öffnen, dann würde das Zelt nicht mehr stehen und wir hätten einen Haufen Kosten gespart.»
Mit den Mitteln die der Bund verspricht, stehe laut Maurus Ebneter, Präsident des Wirteverband Basel-Stadt, zwar genug Geld zur Verfügung, aber: «Die einzelnen Unternehmer und Unternehmerinnen müssen wissen, wann sie wieviel erhalten. Wir brauchen handfeste Zusagen und einen konkreten Fahrplan, welche Entschädigungen geleistet werden, denn die Fixkosten laufen gnadenlos weiter.» Ebneter spricht sich für eine «direkte Fixkostenentschädigung» aus. Dafür sollen die Betriebe ihre Vorkrisenumsätze des geschlossenen Monats melden und davon 30 Prozent erstattet bekommen – das sei der Fixkostenanteil. Ausserdem fordert er eine Mindesthilfe von 15 Prozent des Jahresumsatzes, die sofort ausbezahlt wird.
Die momentane Obergrenze von 20 Prozent des Jahresumsatzes und maximal 750'000 Franken pro Unternehmen sei für grosse Einzelbetriebe und Gastronomieketten viel zu wenig, teilweise fehlten mehrere Millionen Franken, um die Kosten zu decken. «Das Parlament wird diesen Konstruktionsfehler hoffentlich noch beheben», sagt Ebneter.
«Fischerstube»-Wirt Rutishauser hofft auf eine deutliche Ansage vom Bundesrat und fordert ein fixes Öffnungsdatum – am besten den 1. April. «Wenn ich das weiss, dann kann ich Karten und Menüpläne schreiben und die Mitarbeiterplanung machen. Ich wünsche mir einen klaren Termin, dann kann man damit umgehen und die Kosten irgendwie in den Griff kriegen.»
Für Tapas-Wirtin Pia Elia sind weniger das Datum sondern eher die Rahmenbedingungen wichtig. Gelten die gleichen Auflagen wie vergangenen Sommer? Gibt es eine Sperrstunde? «Wenn wir nur bis 18 Uhr aufhaben dürfen, hilft das nicht allen. Ich mache beispielsweise bis zu 90 Prozent Umsatz am Abend.» Und falls sie nur den Aussenbereich öffnen darf, bereitet ihr das Wetter Sorgen: «Was passiert mit der eingekauften und produzierten Ware, wenn es tagelang regnet und die Gäste nicht drinnen essen dürfen?» Die neuen Angestellten, die sie für den Service benötigt, könne sie erst rekrutieren, wenn das alles feststehe.
«Wir brauchen dringend auch eine Öffnung von den Innenräumen.»Maurus Ebneter, Präsident Wirteverband Basel-Stadt
«Essen im Freien zu servieren, ist im unbeständigen April schwierig», findet auch Maurus Ebneter. «Wir brauchen dringend auch eine Öffnung von den Innenräumen – die Schutzkonzepte stehen und sie haben sich bewährt.» Aktuell drohe keine Überlastung des Gesundheitssystems, eine komplette Öffnung der Beizen sei deshalb vertretbar.
Die Öffnung reiche aber nicht, um die wirtschaftliche Krise der Restaurants zu beenden, sagt Ebneter. Die aktuelle Lage sei «desolat». «Restaurants, die vorwiegend mit einheimischen Individualgästen arbeiten, werden relativ rasch wieder gute Umsätze erzielen. Aber alle, die vom internationalen Tourismus und von grossen Veranstaltungen abhängig sind, werden nach wie vor Unterstützung brauchen.»
Und was ist mit den Hotels?
Mindestens genauso hart wie die Beizen trifft es die Hotels im langen Shutdown. Sie dürfen zwar öffnen, für viele Betriebe ist das wegen der niedrigen Umsätze allerdings teurer als dicht zu bleiben.
«Letztes Jahr haben wir die Hälfte vom Umsatz verloren», sagt Franz-Xaver Leonhardt, CEO der Krafft-Gruppe, zu der neben den Hotels Krafft und Nomad auch die Beiz Voltabräu gehört. «Vor allem im Hotelbereich ist es massiv.» Das habe auch mit dem Untergang der Baselworld zu tun. Aber: «Die Art Basel hat wegen Covid nicht stattgefunden und durch die Home-Office-Pflicht ist der Geschäftstourismus total eingebrochen.»
Leonhardt erzählt, dass die Unternehmensgruppe wegen der ausbleibenden Umsätze das Team um ein Drittel reduziert hat. Angestellte wurden entlassen oder Verträge nicht verlängert. «Wir hatten die Betriebe komplett geschlossen, weil das für uns die weniger teure Variante ist, als mit ganz wenig zu öffnen.» Das sei ein unternehmerischer Entscheid gewesen. «Im Dezember, Januar und Februar hatten wir Kurzarbeit, das ist für das verbliebene Team eine grosse Hilfe. Ohne das wäre es ganz schwierig gewesen.»
«Der Sturm ist noch nicht vorbei, aber den grössten Teil haben wir hinter uns.»Franz-Xaver Leonhardt, CEO Krafft-Gruppe
Auch von den Härtefallhilfen profitiert die Krafft-Gruppe. Im Dezember hätten sie das Gesuch gestellt, die ersten zwei Tranchen seien jetzt eingetroffen. «Das hilft uns mit der Liquiditätsplanung.» Leonhardt gehört zu jenen, die sich eine höhere Obergrenze für die Hilfen wünschen. «Als Unternehmensgruppe mit zwei Hotels und dem Voltabräu wäre es für uns wichtig, dass diese Schwelle von maximal 750’000 Franken Unterstützung nach oben angepasst wird.» Für alle Betriebe, die Filialen haben oder deutlich mehr als 5 Millionen Umsatz hatten, sei diese Schwelle viel zu tief.
So oder so steht für Leonhardt fest, dass auch die Zeit nach Corona nicht leicht wird: «Wir können die nächsten Jahre nicht mehr so viel investieren, wie wir sollten, sondern müssen erst die Verluste wieder ausgleichen.» Optimistisch ist er trotzdem: «Es bilden sich sicher wieder neue Chancen. Der Sturm ist noch nicht vorbei, aber den grössten Teil haben wir hinter uns.»
Aktuell sei die Situation aber nach wie vor dramatisch, sagt Raphael Wyniger, Präsident des Basler Hotellierverbands und Inhaber der Wyniger-Gruppe, zu der unter anderem das Hotel Teufelhof in Basel zählt. «Bei den Hotelübernachtungen ist momentan keine substanzielle Erholung in Aussicht. Viele Betriebe sind noch temporär geschlossen.» Und auch Wyniger sieht die Umsatz-Obergrenze bei den Entschädigungen als Problem. «Wir Hotels sind praktisch alle über der aktuell diskutierten Umsatzschwelle von fünf Millionen Franken für die Härtefallhilfen.»
Der Kanton Basel-Stadt leiste gute Arbeit, urteilt Wyniger, die Probleme bei den Hilfestellungen seien auf Bundesebene zu verantworten. Der Verband erhoffe sich deshalb einen «weitsichtigen, guten und fairen Entscheid seitens der Parlamentarier und des Bundesrats».