Wie stellst du dir Basel in der Zukunft vor?
Wie wird sich Basel in den kommenden Jahren und Jahrzehnten entwickeln? Diese Frage beschäftigt die Wissenschaft, die Politik und nicht zuletzt die Menschen, die in der Stadt leben. Sei es aufgrund der Klimakrise, des technologischen Fortschritts, des demografischen Wandels oder aufgrund anderer Ereignisse.
Im Rahmen des Interfinity-Festivals findet die interaktive Ausstellung «After the Deluge» von Michael Schindhelm statt. Darin dreht sich alles um die Frage: «Stell dir vor, es kommt eine grosse Flut – und danach entsteht eine neue Welt.» Ein zentrales Element ist ein Raum, in den Besucher*innen eigene Pflanzen und Gegenstände mitbringen können, die für sie in einer postapokalyptischen Welt wertvoll wären. Die Ausstellung setzt sich kritisch mit heutigen Ansätzen zur Stadtökologie und dem Umgang mit der Natur auseinander und zeigt alternative Perspektiven für das urbane Leben der Zukunft auf. Wir möchten in Kooperation mit Interfinity von dir wissen, wie dein Traum von einer neuen Welt nach der grossen Flut aussieht. Die Antworten der Bajour-Leser*innen werden im Rahmen der Ausstellung gezeigt und sind somit ein Teil der Schau, die vom 14. Oktober bis zum 4. November im Kreislaufgebäude auf dem Franck-Areal läuft.
Eine Zeit der Menschlichkeit
Ich stelle mir eine grüne Stadt vor, in der es keine Autos mehr gibt, und der Verkehr nur noch ein Viertel des Strassenraums besetzt. Überall kann man selbstfahrende elektrische Kabinen bestellen, die wie ein Taxi vor jede Haustüre fahren. Die Bäume und Sträucher in den Strassen, an den Fassaden und auf den Dächern produzieren essbare Früchte, Blätter oder Wurzeln. Alle linearen Prozesse werden zu Kreisläufen umgestaltet, so werden weniger Resourcen verbraucht und es entstehen kaum mehr Abfälle.Die Menschen arbeiten nur noch 4 Stunden am Tag für Geld, und haben so Zeit, um Lebensmittel zu produzieren und zu verarbeiten, Kleider herzustellen, Care Arbeit zu leisten. Care Arbeit wird von allen geleistet und nicht mehr monetarisiert. Das Leben après le déluge wird auf Menschlichkeit hin optimiert und nicht wie avant le déluge auf Zeit, Geld und Bequemlichkeit…..
Nach jedem Regen glitzert das Moos
Aus Konstantinopel ist Istanbul geworden. Es gibt Gesellschaften, die betonen ihre Brüche. Basel nicht. Basel erinnert sich, nimmt die Katastrophe in seine Erzählung auf.
Es dauerte Monate, bis die Geflohenen zurückkamen. Sie kennen schon die graue Grenze auf den Fassaden von Kleinbasel und der Innenstadt, so hoch ging die Schlacke, keine Stadtreinigung hat sie geputzt. Im Internet fanden die Bilder Verbreitung. Die Herrschaften vom Spalenberg, dem Münsterhügel, ja auch vom Bruderholz haben sie gefilmt, bei ihren Streifzügen. Viele sind eingedrungen in fremde Wohnungen, ohne Gier etwas zu plündern, vom aufgeweichten, verdreckten Gut. Eher ging es ihnen um Grenzüberschreitung als Erlebnis.
Als schon wieder das 11er- und das 17er-Tram fährt, bringen Menschen Pickel und hauen in den Fussgängerzonen den Asphalt auf. Am Marktplatz streuen Schulklassen Eicheln in die Risse. Gedenken und Mahnung gleichermassen sein. Die Wassermassen hätten versickern können, sobald sie auf Land treffen.
Nach jedem Regen glitzert das Moos. Das freigelegte Grün hat schnell auch das Standortmarketing entdeckt. Die Stadt, die gelernt hat. Grüne Lunge. Stadtlandwirtschaft. Basler Eichelbrot wird gebacken, gelobt, gekauft. Fahrradüberwege entziehen den Stadtverkehr dem Boden. Das System aus schmalen Strecken wirken für Aussenstehende wie ein Gewirr, aber bieten auch willkommenen Schatten in der Hitze. Eine waghalsige Strecke führt von der Pfalz dem Rhein entlang über das Dach des Trois Rois bis zum Petersplatz. Das Einbeziehen von Gebäuden in die Verkehrsführung erfordert statische Innovationen, aber gibt den Basler:innen den Boden, so viel Platz, so viel Sicherheit. Ihnen gehört der Boden nun wirklich - ob sie ihn besitzen oder nicht.
Die Eichen wachsen mit den Kindern, über die Jahre reissen sie den Boden weiter auf. Aus dem Gedenken an die Opfer entsteht über die Jahre ein Geschehen, das sich eigentlich auf den Totentanz bezieht, aber in den Fasnachtskalender eingeht. Erdbeben, Feuer, Wasser – nun alles erlebt über die Jahrhunderte. Es bleibt noch die Luft, die man sorgenlos atmen kann. Damit hätte niemand gerechnet in der Industriestadt, in der hochrheinischen Tiefebene, wo beste Smog-Bedingungen herrschen.
Am Rhein knien. Mit einem mulmigen Gefühl, mulmiger als in den 1990er-Jahren. Bappe Rhy ist nicht zu trauen. Hat sich genug geändert?
Warten wir es ab.
Die Erde umfasst rund 510 Millionen Quadratkilometer, der Kanton Basel-Stadt rund 37 Quadratkilometer; das sind 0,00000725 % der gesamten Erdoberfläche. Bevor man beginnt, sich die Zukunft Basels auszumalen, sollte man versuchen, sich diese verschwindend kleine Fläche und den unbeschreiblich grossen Einfluss vorzustellen, den die restliche Welt darauf hat. Wer im Wissen um diese Verteilung Prognosen anzustellen wagt, muss über viel Fantasie verfügen oder ein Scharlatan sein. Warten wir es also ab.
Mutig nach vorne schauen
Mein Traum ist ein Basel, das Offenheit und Dialog lebt, Innovation für mehr Lebensqualität nutzt und die Natur als Lebensader schützt und integriert. Eine Stadt, in der unsere Kinder gerne leben, sich sicher fühlen und eine Stadt die mutig nach vorne schaut.
Solidarität und Zusammenhalt
Die Menschen, die die grosse Flut überlebt haben, sind dankbar und besinnen sich auf ihr gemeinsames Schicksal. Nationalität, Hautfarbe, ethnische Herkunft und Religion spielen keine Rolle, es gibt Solidarität und Zusammenhalt statt Diskriminierung und Ausgrenzung. Nur gemeinsam ist es möglich, neues Leben in Basel zu schaffen.
... und das dauert.
Am 1. Oktober 2025 ist Jane Goodall gestorben – 91 Jahre alt, bis zuletzt weltweit im Einsatz. Sie hinterlässt bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse. Vor allem aber ein unerschütterliches Zeugnis von Mut, Sanftheit und Vertrauen in die Lebenskraft – genährt aus ihrer tiefen Verbundenheit mit der Natur. Ihre Haltung und ihr Lebenswerk haben Generationen inspiriert. Jane Goodall: «Was du tust, macht einen Unterschied. Und du musst entscheiden, welchen Unterschied du machen willst.» Erst recht gilt dies in einer Welt, die von Gier, Herrsch- und Vergnügungssucht sowie von Zerstörungswut geprägt ist. Für eine für alle gute Welt sind in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik sowohl im Grossen wie im Kleinen fundamentale Paradigmenwechsel erforderlich. Es gibt sie. Aber für einen echten Wandel muss auf allen Ebenen umgedacht und umgelenkt werden. Und das ist komplex und dauert.
Basels kleine Welt
Mein Traum einer neuen Welt ist, dass sie in unseren Köpfen nicht an der Stadtgrenze endet. Wozu es dazu eine Flut brauen soll, erschliesst sich mir nicht. Aber bitte, her damit!
Wenn Elche Purzelbäume machen ...
Als die Flut vorbei war, rieb sich Francesca verwundert die Augen. Sie stand auf dem, was mal die Pfalz gewesen war und schaute über die Landschaft: Die Stadt war weg und die Menschen mit ihr. Übrig waren nur ein paar holländische Frachtschiffe samt Besatzungen, sowie die Rheinschwimmer:innen mit ihren Wickelfischen. Apropos Fische: Im übervollen Rhein unter ihr schwammen die buntesten Zolli-Fische herum. «Aber ihr seid doch Salzwasserfische!», rief ihnen Francesca zu. «Ihr könnt mit Süsswasser doch gar nichts anfangen!!» «Ach», antwortete ein Zackenbarsch aus dem Rhein und zuckte mit den Flossen: «Süsswasser, Salzwasser … das ist eigentlich nur so eine Konvention.» Auch ‘Stumm wie ein Fisch’ war offenbar so eine, dachte sich Francesca und sah sich um. Auch die Höhe von Bäumen war offenbar nicht wirklich irgendwo festgeschrieben. Gleich hinter ihr erhob sich eine Hain riesiger Rotbuchen an dessen Ende (an einer grossen und seltsam viereckigen Lichtung) zwei fast 100m hohe Papeln standen. Und im Kleinbasel, da brachten es zwei riesige Weisstannen auf gut und gern 200 Meter. Francesca war überwältigt. Das heisst, sie wäre es gewesen, wenn nicht in dem Moment ein zusammengekugelter Elch an ihr vorbeigerollt wäre. «Dass Elche keine Purzelbäume machen können …» rief der Elch fröhlich, «… ist nur so eine Konvention» vollendete Francesca den Satz. «Genau», sagte jener, senkte den Kopf zu Boden, schwang die langen Hinterbeine drüber und rollte weiter. «Ist übrigens mega befreiend, sich mal davon zu befreien!», sagte der Elch. «Warum probiert ihr Menschen es nicht auch mal? Es wäre grad nicht der schlechteste Moment ... »