Kaserne Basel, wie läuft’s?
Die grösste Kleinbasler Kulturinstitution startet ins dritte Jahr unter der künstlerischen Leitung von Tobias Brenk. Was hat sich getan? Und wo steht die Kaserne heute?
Bewölkt ist der Himmel, als wir Tobias Brenk an seinem Arbeitsort in der Kaserne Basel besuchen. Er wünscht sich etwas mehr Sonne, denn bei gutem Wetter mache er gerne mal einen Schwumm im Rhein. Brenk ist seit zwei Jahren Künstlerischer Leiter der Kaserne. Ein ruhiges Gewässer war die neue alte Wirkungsstätte – er war bereits von 2008 bis 2018 als Dramaturg am Haus – für den studierten Theaterwissenschaftler aus Aachen bisher nur selten.
Es hat sich einiges verändert. Und zwar nicht nur optisch – denn eine der ersten Amtshandlungen Brenks war ein neuer Auftritt, sowohl digital als auch analog. Dafür wechselte die Kaserne vor zwei Jahren zum Designstudio Tristesse.
Knacknuss Publikum
Die grösste Knacknuss war allerdings das Publikum: Als Brenk im Sommer 2023 antrat, hatte die Kaserne noch immer mit den Stosswellen der Pandemie zu kämpfen, namentlich mit geringen Besucher*innenzahlen. Diese konnten unter der neuen Leitung stabilisiert werden – 79 Prozent bei 34'855 Besucher*innen betrug die Auslastung im Jahr 2024, etwas mehr als im Vorjahr.
Brenk betont, dass eine Rückkehr auf das Zuschauer*innenniveau von vor Corona – im Sinne einer nachhaltigen Strategie – nicht das Ziel sei. Dennoch darf er sich freuen, dass das Publikum seinen Kurs bisher offenbar mehrheitlich mitgeht.
Zumindest das städtische. Denn seit Kurzem ist bekannt, dass die Kaserne nicht mehr zu den drei Kulturinstitutionen mit den meisten Besucher*innen zählt, was Besuchende aus dem Baselbiet angeht. Das hatte eine Publikumsbefragung der Saison 2023/24 ergeben. Der Kulturvertrag zwischen den Kantonen sieht eine Abgeltung kultureller Zentrumsleistungen vor – das heisst, Baselland zahlt Basel-Stadt einen jährlichen Beitrag, verteilt auf die drei besucher*innenstärksten Institutionen. 2026 geht die Kaserne leer aus, sie wurde vom Marionettentheater ausgestochen.
«Wir hatten wirklich grosse Probleme, Personal zu finden.»Tobias Brenk, Künstlerischer Leiter der Kaserne
Dass die Kaserne Basel nicht mehr berücksichtigt wird, hat auf deren Staatsbeitrag und somit Gesamtmittel keine Auswirkungen – der Kanton Basel-Stadt, mit dem die Leistungsvereinbarung der Kaserne abgeschlossen ist, muss den ausbleibenden Betrag aus dem Baselland kompensieren. Damit sind wir bei Brenks zweitgrösster Herausforderung: den Finanzen. Als dieser vor zwei Jahren das Ruder übernahm, sah er sich erst einmal mit einer grossen Mitarbeitenden-Fluktuation und einer, wie er sagt, «mittelmässigen Lohnstrategie» konfrontiert: «Wir hatten wirklich grosse Probleme, Personal zu finden, insbesondere im Bereich Technik», sagt er.
Personelle Turbulenzen
Die Lage war zwischenzeitlich so prekär, dass zur Kompensation der tiefen Löhne Programmkürzungen gemacht werden mussten. Ein Grundproblem dabei: Die Kaserne Basel hat vom Kanton keinen Anspruch auf einen Teuerungsausgleich, weil die Personalkosten unter 70 Prozent der Gesamtkosten liegen – eine Regelung, die zurzeit überarbeitet wird.
Brenks erstes Jahr drehte sich also vor allem um die Sicherung des Betriebs. Nicht geholfen hat dabei, dass inmitten der Turbulenzen die Geschäftsleitung gleich mehrmals wechselte: Auf Thomas Keller, der Ende 2023 abtrat, folgte ad interim Alexander Kraus; dessen Nachfolgerin Eva Heller kündigte bereits in der Probezeit im Juni 2024. Erst mit Sarah Mehler kehrte ab Oktober 2024 wieder Stabilität ein. Über die genauen Gründe für die vergleichsweise vielen Wechsel geben sich die Involvierten bis heute zugeknöpft.
Signal der Basler Politik
Im Dezember 2024 stimmte der Grosse Rat dem Vorschlag der Minderheit der Bildungs- und Kulturkommissionen zu, den Staatsbeitrag an die Kaserne Basel für die Periode 2025–28 substanziell zu erhöhen. Dieser liegt neu bei 3,963 Millionen Franken pro Jahr – das entspricht im Vergleich zum letzten Beitrag 2024 einer Erhöhung von rund 313'000 Franken.
Ein Signal der Basler Politik, dass man hinter der Kaserne Basel und deren neuem Leitungsteam steht. So sieht es zum Beispiel Grossrätin und Grünen Co-Präsidentin Fleur Weibel, die die Diskussionen um die Subventionserhöhung als Vorstandsmitglied und ehemalige Vizepräsidentin der Kaserne eng begleitet hat.
Doch es gibt auch kritische Stimmen. SVP-Grossrätin Jenny Schweizer etwa, die darauf hinweist, dass die Veranstaltungseinnahmen 2024 im Vergleich zum Vorjahr merklich gesunken sind – im Bereich Theater & Tanz nämlich von 88'000 auf 61'000 Franken, im Bereich Musik von 309'000 auf 220'000 Franken. Das liegt nicht zuletzt am Ticket-Wahlpreis-System, welches unter Sandro Lunin eingeführt, von Brenk aber noch stärker durchgesetzt wurde: Bei einer Grosszahl der Veranstaltungen kann man als Besucher*innen mittlerweile wählen, ob man 15, 25 oder 35 Franken Eintritt zahlen möchte.
Schweizer schliesst aus den sinkenden Einnahmezahlen, «dass die Kaserne nicht erfolgreicher arbeitet als im Vorjahr» – und da die Staatsbeitragserhöhung mit Lohnerhöhungen begründet wurde, gehe sie nicht davon aus, dass die nächsten Jahre künstlerisch erfolgreicher werden.
Lokale Szene fördern
Die künstlerische Komponente, der eigentliche Kernbereich von Brenk, hat sich in den letzten zwei Jahren vor allem strukturell geändert. «Mehr Produktionszentrum denn Präsentationsort» soll die Kaserne Basel unter ihm werden, hatte er bei seinem Antritt im Sommer 2023 angekündigt. Auch die lokale Szene wolle er nachhaltig fördern.
Die wichtigste Neuerung, die Brenk zu diesem Ziel eingeführt hat, ist das «Kaserne LAB», ein Residenzformat, das jeweils fünf lokalen Künstler*innen aller Sparten – Theater, Tanz, Performance und Musik – ein Jahr lang die Infrastruktur der Kaserne für eigene Rechercheprojekte zur Verfügung stellt. Das heisst, es darf ohne Aufführungsdruck geprobt werden, es gibt regelmässigen Austausch mit den anderen Künstler*innen am Haus und in Showings – kleinere öffentliche Auftritte mit Ausprobiercharakter – besteht die Möglichkeit, während des Kreativprozesses erste Rückmeldungen zur eigenen Arbeit zu erhalten. Das Format ergänzt die nationalen und internationalen Residenzen, die jeweils für drei Monate laufen.
«Die Vernetzung mit den anderen Künstler*innen am Haus ist ein grosser Gewinn.»Robin Michel, LAB Artist
Der elektronische Musiker Robin Michel war LAB Artist während der Saison 2024/25. Für ihn sei die Residenz produktiv gewesen: «Ich nutzte die Zeit vor allem, um gezielt auf Showings hinzuarbeiten», sagt er. In den ersten drei dieser kleineren Auftritte hat sich Michel mit audiovisuellen Studien befasst, aus denen er nun eine grössere Performance entwickelt. «Ich glaube, diese Studien erhöhen die Qualität der jetzigen Arbeit.» Die Vernetzung mit den anderen Künstler*innen am Haus sieht er als grossen Gewinn des Residenzformats.
Ebenfalls zu den LAB Artists 2024/25 gehörte Miriam Coretta Schulte, die an der Schnittstelle von Theater & Recht arbeitet. Das Residenzprogramm an der Kaserne habe ihr geholfen, fokussierter zu sein. «Ich hatte auch Projekte parallel und hatte deshalb immer wieder Pausen und Distanz zum LAB-Programm», sagt sie. «Gleichzeitig wurde es zum roten Faden durchs Jahr. Ich glaube, dass dadurch Prozesse besser reifen konnten.» Schulte habe im LAB «ungewöhnlich viel Zeit alleine verbracht», die sie für ausgiebige Recherchen nutzte. Gleichzeitig sei sie punktuell auch mit sehr vielen verschiedenen Künstler*innen in Kontakt gekommen.
Gegen einen elitären Kunstbegriff
«Ich glaube, dass das Format wichtig ist, um Ressourcen besser zu teilen», sagt sie. Das Team der Kaserne leiste in dieser Hinsicht wichtige Arbeit für den Dialog und gegen einen exklusiven, elitären Kunstbegriff.
Während sich eine Vielzahl positiv zur neuen Richtung der Kaserne äussert, gibt es auch vereinzelte Stimmen aus der Freien Szene, die gegenüber Bajour andere Töne anschlagen. Hinter vorgehaltener Hand heisst es, die Kommunikation mit der Kaserne-Leitung sei in den letzten Jahren schwieriger geworden, der Dialog weniger transparent und offen als noch unter Lunin oder Sandro Bernasconi, der von 2009 bis 2021 den Bereich Musik leitete.
Im Alleingang?
Auch hört man, es entstehe der Eindruck, dass die Bereitschaft und das Interesse an der lokalen Szene nicht mehr so gross sei und letztlich zu stark im Alleingang entschieden werde, wessen Projekte berücksichtigt werden. Das führe zuweilen so weit, dass gewisse Künstler*innen gar nicht mehr mit ihren Vorhaben auf die Kaserne zugehen.
Die Zahlen sprechen hingegen nicht dafür, dass die Kaserne die lokale Szene weniger berücksichtigt: Über alle Bereiche hinweg ist der Anteil der Basler Acts am Programm relativ konstant, im Jahr 2024 waren es im Bereich Musik 35 Prozent, im Bereich Theater/Tanz 52 Prozent. Das entspricht in beiden Fällen einem leichten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr.
«Die Möglichkeiten zum Austausch sind für die Freie Szene jederzeit vorhanden.»Tobias Brenk, Künstlerischer Leiter der Kaserne
Brenk betont zudem, dass er und Marcel Bisevic, der jetzige Musikleiter, mehrfach zum Gespräch eingeladen haben und auch mit dem Musikbüro, t. Basel sowie dem Tanzbüro in stetigem Kontakt seien – die Möglichkeiten zum Austausch seien für die Freie Szene also jederzeit vorhanden und das Gespräch willkommen. Man bemühe sich mit grossem persönlichen Engagement um die Durchlässigkeit der Institution.
45 Jahre Kaserne
In der unmittelbaren Zukunft wartet für die Kaserne erst einmal der Saisonstart am 26. August mit den Treibstoff Theatertagen Basel und Sylvie Robinsons Stück «Tremor». Anfang September folgt ein ganztägiges Programm in den Merian Gärten mit verschiedenen Performances.
Im weiteren Saisonprogramm trifft man etwa auf Tyra Wiggs Choreografie «Lick Life Against the Direction of its Fur» (Wigg war 2023/24 LAB Artist), eine Zirkusperformance von Julian Vogel (aktueller LAB Artist) oder das Konzert von Brandhärd am 1. November. Das Highlight aus Sicht der Kaserne: Am 25. September lädt sie anlässlich des 45-jährigen Bestehens zur grossen Feier.