Im Zeichen der Fackeln
Am Tag der Arbeit demonstrierten zwischen 2000 und 3000 Menschen in Basel für bessere Arbeitsbedingungen und gegen die Schweizer Asylpolitik. Vermummte zerstörten die Schaufenster von UBS und CS.
Nach zwei Jahren Pandemie sollte es einen Neustart geben: Anstatt wie am 1. Mai sonst üblich auf dem Messeplatz, versammelten sich die Demonstrationsbündnisse dieses Jahr im De-Wette-Park am Bahnhof SBB. An der Spitze positionierten sich um 10 Uhr eine Handvoll Vertreter*innen der Gewerkschaft Unia, dahinter folge mit grosser Präsenz der revolutionäre Block. Dann die weiteren Bündnisse und Demo-Gruppen.
Kurz nach dem Abmarsch um halb 11 Uhr wurden hinter dem Transparent der ersten Reihe mehrere Fackeln gezündet. Rauchschwaden überzogen den Rest der Demo. Der Zug setzte sich in Bewegung Richtung Bankverein.
Vor dem Sitz des Gewerbeverbands an der Elisabethenstrasse spannten Demonstrant*innen ein schwarzes Banner über den Eingang . Eine Rednerin aus dem Block autonomer Bündnisse sagte am Mikrofon:
«Während sich während der Coronakrise die Prekarität für die allermeisten von uns verstärkt hat und mit der Teuerung das Leben teurer wird und die Krankenkassenprämien steigen, haben mitten in der Krise die grossen Konzerne ihre Profite gesteigert. Es geht nicht um Reformen. Es geht darum, mit der Logik dieses Systems zu brechen.»
Damit waren die zwei Argumentationslinien dieses 1. Mais benannt. Während ein gut sichtbarer Teil im vorderen Teil der Demo für «eine revolutionäre Perspektive» einstand, wollten sich die traditionellen Gewerkschaften «in den Betrieben für eine gerechtere Welt einsetzen», wie es der Unia-Bauchef Nico Lutz in seiner Rede auf dem Kasernen-Areal formulierte.
Entlang der Demoroute kam es immer wieder zu Sachbeschädigungen. Eine kleine Gruppe vermummter Demonstrant*innen bewarf die Filialen der Banken UBS und Credit Suisse am Bankverein mit Farbe und Gegenständen. Einige Scheiben gingen kaputt. Auch die Schaufenster von Geschäften in der Innenstadt, zum Beispiel des Hotel Märthofs, wurden angegriffen. Die Polizei dokumentierte die Sachschäden auf Twitter.
Das Dialogteam der Basler Polizei war mit einem Dutzend Personen in gelben Leuchtwesten präsent. Die Bereitschaftspolizei, die in den Gassen abseits der Demoroute postiert war, griff nicht ein
Einzelne Politiker*innen meldeten sich auf Twitter zu Wort. Sie unterstützten die Anliegen der Demonstration, wie zum Beispiel SP-Grossrat Pascal Pfister. Oder sie kritisierten die Sachbeschädigungen, wie die Vizepräsidentin der SVP Basel-Stadt, Laetitia Block.
Die bewilligte Demonstration stand unter dem Motto «Frieden Freiheit Solidarität». Benjamin Plüss, Präsident des Basler Gewerkschaftsbunds BGB und einer der Veranstalter sagte nach dem Abschluss des offiziellen Teils gegenüber Bajour, die Rechte der Arbeiter*innen hätten an diesem Tag im Fokus stehen sollen und das sei auch geglückt. So gab es zum Beispiel auf dem Kasernenareal keine Reden von Basler Politiker*innen . Es sprachen Natascha Wey, die stellvertretende Generalsekretärin des VPOD, drei Repräsentant*innen des Blocks der Sans Papiers und eben Nico Lutz von der Unia.
«Die Auseinandersetzungen in der Kinderbetreuung werden in den nächsten Jahren schärfer werden - und das ist gut so!»Natascha Wey, stellvertretende Generalsekretärin des VPOD
Natascha Wey sprach über den Krieg in der Ukraine, Arbeitsreform, das Gesundheitswesen und die Kinderbetreuung. Sie sagte:
«Für ein Land, das Bildung oft vollmundig als seinen einzigen Rohstoff bezeichnet, sind der Zustand und die Arbeitsbedingungen in der familienergänzenden Kinderbetreuung beschämend. Knapp 4000 Franken Einstiegslohn für eine körperlich und psychisch anstrengende Arbeit ist zu wenig. Die Auseinandersetzungen in der Kinderbetreuung werden in den nächsten Jahren schärfer werden - und das ist gut so!»
Der revolutionäre Block, kleinere Gewerkschaften und ein Teil der kurdischen Bewegung hatten am Claraplatz die offizielle Demoroute verlassen und waren zum Theodorskirchplatz marschiert. Dort fand eine alternative Abschlussfeier mit Essen und Reden statt, es wurde getanzt. Der Grossteil der Demo folgte dem Spitze der Gewerkschaften zur Kaserne. Die Polizei hielt sich im Hintergrund.
Bilanz dieses Demo-Tags: Der traditionelle linke Feiertag hat nach zwei Jahren mit Einschränkungen durch die Corona-Massnahmen wieder eine stattliche Grösse erreicht. Zirka 4000 Personen demonstrierten in Basel. Die Demo zeigte auch: Neue Demo-erprobte Kräfte drängen in den Vordergrund und stellen die traditionellen Gewerkschaften auf der Bühne der Strasse mit teilweise waghalsigen Aktionen in den Schatten.
Bei den Gewerkschaften nimmt man das zur Kenntnis, sagt Benjamin Plüss. Es komme innerhalb der Linken zu unterschiedlichen Formen der Kritik an den Verhältnissen: «Wir von der Gewerkschaft haben den Ansatz, in die Unternehmen und Betriebe hineinzugehen und von da an einer Verbesserung zu arbeiten», sagt Plüss.
Die Kantonspolizei Basel-Stadt schätzt die Anzahl Teilnehmer*innen auf rund 2‘000 Teilnehmende, sagt sie auf Anfrage. Kapo-Sprecher Stefan Schmitt sagt weiter: «Eine Intervention auf die Sachbeschädigungen wäre nicht verhältnismässig gewesen. Die Schadensumme können wir noch nicht beziffern.»
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Korrigendum: In einer früheren Version dieses Artikels stand, Laetitia Block sei Präsidentin der Jungen SVP BS. Das ist nicht (mehr) korrekt, sie ist aktuell Vizepräsidentin der SVP Basel-Stadt. Wir entschuldigen uns für den Fehler.